OGH 2Ob11/92

OGH2Ob11/9230.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Siegfried G*****, und 2. V*****, beide vertreten durch Dr.Thaddäus Kleisinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei I***** Versicherungs-AG, ***** 1030 Wien, vertreten durch Dr.Leopold Hammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 367.000,-- S sA (Revisionsinteresse 170.000,-- S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 2.Oktober 1991, GZ 16 R 146/91-97, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 20. März 1991, GZ 33 Cg 793/86-85, idF des Berichtigungsbeschlusses vom 26.April 1991, ON 88, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsbeantwortung wird, insoweit sie auch vom Erstkläger eingebracht wurde, zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der zweitklagenden Partei die mit S 4.484,70 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 747,45 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 20.Dezember 1983 ereignete sich aus dem Verschulden des Versicherungsnehmers der Beklagten, Raimund W*****, in der Gemeinde L*****, Bezirk S*****, ein Verkehrsunfall, bei dem sich der bei der Beklagten haftpflichtversicherte PKW K 149.729 überschlug und der Erstkläger schwer verletzt wurde. Von diesen unfallbedingten Verletzungen sind nach ihrer stationären Behandlung im Landeskrankenhaus Klagenfurt folgende Auswirkungen zurückgeblieben:

Ein typischer Zustand nach Bauchlappenplastik im distalen Bereich der rechten Hand mit Ausläufern auf den zweiten und den dritten Finger. Der Bauchhautlappen ist streckseitig am Handrücken sowie am Mittelfinger und am Zeigefinger gut eingeheilt und gut verschieblich. Die beiden Finger sind deutlich gegeneinander verkrümmt. Das Mittel- und das Endgelenk des zweiten sowie das Endgelenk des dritten Fingers sind voll versteift. Zeige- und Mittelfinger sind deutlich verschmächtigt und deformiert. Der Nagel ist krallenartig verändert. Die Kraft der rechten Hand ist vermindert. Die Durchblutung und Sensibilität der Finger ist in Ordnung. Nur am Zeigefinger ist beugeseitig ein etwas herabgesetzes Berührungsgefühl gegeben. Die beiden Grundgelenke der rechten Hand sind eingeschränkt beweglich, eine Funktionsverbesserung durch die sogenannte Swansonprothese ist nicht entstanden: Beim Faustschluß wird der Zeigefinger beim Beugen über den Mittelfinger gelegt. Der Hautlappen ist im Vergleich zur anderen Hand und zu einer normalen Handhaut noch um sehr vieles zu fettreich und zu dick und aufgeworfen. Weiters besteht eine 16 cm lange und bis zu 2 cm breite eingezogene Narbe im Bereich des rechten Unterbauchs nach Entnahme der erwähnten Bauchlappenplastik. Beim Unfall ging das obere Drittel des rechten Ohrs verloren. Eine kosmetische Operation der rechten Hand scheint in Grenzen indiziert. Es könnte der Bauchhautlappen noch verdünnt und das Aussehen der Hand etwas eleganter gestaltet werden. Die ausgedehnten Narben nach der Lappenentnahme am Unterbauch könnte durch eine Narbenexzision und Verschiebelappenplastik deutlich verbessert werden, obgleich eine Wiederherstellung des vorigen Zustands nicht erreichbar wäre. Die Abkappung des rechten Ohrs, nämlich der oberen Ohrhälfte, ist kosmetisch chirurgisch möglich und indiziert. Hier handelt es sich um eine zwei- bis dreizeitige Operation, da in dem ersten Eingriff ein aus dem Rippenknorpel des Patienten zu entnehmendes und modelliertes Knorpelstück inplantiert und für zwei bis drei Monate dort belassen würde und erst in einer Zweitoperation vom Kopf abgehoben und vollkommen an das Restohr angeschlossen würde. Anläßlich der Erstoperation ließe sich die Narbe am Bauch, anläßlich der zweiten Operation ließen sich die Narbe und der Fettpolster der Hand mitverbessern. Der Erstkläger kann mit dem verbliebenen Ohrteil genauso gut hören wie mit einem ganzen Ohr. Bei der Hand ist durch die Operation eine wesentliche funktionelle Verbesserung nicht zu erwarten. Es könnte aber durch die Entfernung überflüssigen Fetts eine geringfügige Funktionsverbesserung eintreten. Bei der kosmetischen Operation an der Entnahmestelle am Bauch kann nur eine kosmetische Narbenverbesserung vorgenommen werden. Die psychischen Beeinträchtigungen des Erstklägers wegen der nach der Behandlung der Verletzungen verbliebenen Verunstaltungen waren spätestens zum 23. November 1990 abgeklungen. Der Erstkläger hat den Verlust der körperlichen Integrität durch Trauerarbeit bewältigt. Eine psychische Erkrankung, eine reaktive unfallbedingte Depression des Erstklägers, liegt nicht vor. Durch die unfallbedingte Verunstaltung der rechten Hand hat der Erstkläger Schwierigkeiten, damit etwa einen Hammer zu halten. Der Ertkläger ist gelernter Tischler und arbeitete vor und zunächst auch nach dem Unfall als angelernter Zimmermann im Baugewerbe. Aufgrund der Schwierigkeiten mit der rechten Hand absolvierter er einen Kranführerkurs und übt nunmehr diesen Beruf aus.

Der zweitklagende Verein begehrt von der Beklagten als Zessionar den Ersatz der dem Erstkläger bei diesem Unfall entstandenen Schäden von zuletzt insgesamt 442.054,-- S sA, darin ua Kosten einer kosmetischen Operation in der Höhe von 170.000,-- S. Zum Begehren auf Ersatz der Operationskosten brachten die klagenden Parteien im wesentlichen vor:

Durch die Narben bestünden keine funktionellen Beeinträchtigungen und könnten auch funktionelle Vebesserungen durch die Operationen nicht erreicht werden. Es handle sich um rein kosmetische Verbesserungen, deren Kosten freiwillige Leistungen der Gebietskrankenkasse darstellten, für die es keine Legalzession gäbe (vgl ON 70 dA).

Die Beklagte anerkannte das vom Erstkläger gestellte, letztlich eingeschränkte Feststellungsbegehren und beantragte die Abweisung des vom zweitklagenden Verein erhobenen Leistungsbegehrens. Zum Begehren auf Ersatz der Operationskosten brachte sie im wesentlichen vor, daß es sich bei den gegenständlichen kosmetischen Korrekturen nicht um eine freiwillige Leistung der Kärntner Gebietskrankenkasse handle, sondern um eine Krankenbehandlung, die zur Legalzession führe (vgl ON 70 dA).

Das Erstgericht sprach mit Teilurteil - abgesehen von dem im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen Feststellungsbegehren des Erstklägers - dem zweitklagenden Verein den Betrag von 179.224,-- S unter Abweisung eines Mehrbegehrens von 92.830,-- S zu; mit Zwischenurteil nahm es das Begehren auf Zahlung weiterer 170.000,-- S (Ersatz fiktiver Kosten für kosmetische Operationen) als dem Grunde nach bestehend an. Bei der rechtlichen Beurteilung des im Revisionsverfahren allein strittig gebliebenen Begehrens auf Ersatz der Kosten zukünftiger kosmetischer Operationen ging das Erstgericht davon aus, daß der Beklagten der Nachweis der die Legalzession auslösenden Tatssachen nicht gelungen sei, der Ersatzanspruch daher dem Grunde nach zu Recht bestehe. Da die Höhe noch der Erörterung bedürfe, habe mit Zwischenurteil entschieden werden müssen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der von der Beklagten gegen das Zwischenurteil des Erstgerichtes erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen und einwandfreien Beweiswürdigung und legte diese seiner Entscheidung zugrunde. Zu der in der Berufung erhobenen Rechtsrüge nahm es - soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist - wie folgt Stellung:

Zu den vom Schädiger zu ersetzenden Heilungskosten gehörten auch die Kosten einer kosmetischen Operation, soweit sie zur gänzlichen oder teilweisen Beseitigung einer durch die Verletzung hervorgerufenen Verunstaltung als zweckmäßig anzusehen seien (ZVR 1987/45, ZVR 1976/264 ua). Diese Kosten könnten schon vor der künftigen Operation gefordert werden, ohne daß es des Beweises einer Wahrscheinlichkeit ihrer Vornahme bedürfte (ZVR 1987/45; ZVR 1976/264; JBl 1955, 305 uva). Der durch die Körperverletzung entstandene Schaden bewirke zwar an sich keine Vermögensminderung. Er sei aber insoweit in Geld meßbar, als die Wiederherstellung der Gesundheit Vermögensaufwendungen erfordere. Eine objektiv-abstrakte Berechnung dieses Schadens, der sich am jedenfalls erforderlichen Minimum der zur Leidensbehebung zweckmäßigen Kosten zu orientieren habe, sei zulässig (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht, II2 127 f; ZVR 1987/45; ÖRZ 1985/14 ua). Die Frage, ob und inwieweit der Anspruch auf Ersatz der Kosten der kosmetischen Operationen im Wege der Legalzession auf den Versicherungsträger übergegangen sei, habe das Erstgericht zu Recht als zum Grunde des Anspruches gehörend erkannt.

Schadenersatzansprüche sozialversicherter Personen aus einem Versicherungsfall gingen gemäß § 332 Abs 1 ASVG auf den Versicherungsträger insoweit über, als dieser Leistungen nach ASVG zu erbringen habe. Der Forderungsübergang vollziehe sich von Gesetzes wegen unabhängig davon, ob der Verletzte die Leistungen des Sozialversicherungsträgers in Anspruch nimmt; maßgeblich sei allein, daß die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers eingetreten sei (ZVR 1966/67; ZAS 1964, 59; ZVR 1987/45 ua). Der Forderungsübergang erfolge grundsätzlich sofort mit der Entstehung des Schadenersatzanspruches (ZVR 1980/241; ZVR 1984/231;ZVR 1987/45 ua). Während der Legalzessionar im Rahmen des Deckungsfonds Regreßansprüche gegen den Schädiger erwerbe, verliere der Geschädigte in demselben Ausmaß, in dem sein Schaden durch die Leistungspflicht des Legalzessionars gedeckt sei, die Aktivlegitimation gegenüber dem Schädiger (ZVR 1972/204; ZVR 1977/239; ZVR 1987/45 ua). Die im § 332 Abs 1 ASVG normierte Legalzession trete nicht ein, soweit es sich um freiwillige Leistungen des Sozialversicherungsträgers handelt (ZVR 1975/221; ZVR 1977/9; SZ 56/44; ZVR 1987/45 ua).

Gemäß § 133 Abs 3 ASVG gelte eine kosmetische Behandlung als vom Sozialversicherungsträger zu leistende Krankenbehandlung, wenn sie zur Beseitigung anatomischer oder funktioneller Krankheitszustände diene. Der Begriff "anatomischer Krankheitszustand" scheine auf einen sehr weiten Anwendungsbereich des § 133 Abs 3 1.Satz ASVG hinzudeuten. Unter "Anatomie" werde die Lehre von der Form und dem Aufbau des Körpers verstanden (Zetkin-Schaldach, Wörterbuch der Medizin in 2 Bänden); "anatomisch" bedeute daher die Form und den Bau des Körpers betreffend. Demnach wäre als anatomischer Krankheitszustand jegliche nach außen in Erscheinung tretende (arg "kosmetische Behandlung"), Krankenbehandlung im Sinne des § 120 Abs 1 Z 1 ASVG nicht erforderlich machende (arg: "gelten"), durch kosmetische Behandlung beseitigbare Regelwidrigkeit im Aufbau und der Erscheinungsform eines Organes anzusehen. In diesem Sinne müßten aber unfallsbedingte Einwirkungen mit entstellenden Folgen, soweit sie nur beseitigbar seien, unter den Anwendungsbereich des § 133 Abs 3 1.Satz ASVG fallen.

Gegen diese aus dem Wortlaut des § 133 Abs 3 1.Satz ASVG abgeleitete Normhypothese spreche jedoch schon § 133 Abs 3 2.Satz ASVG. Nach dieser Bestimmung könnten andere kosmetische Behandlungen als freiwillige Leistungen gewährt werden, wenn sie der vollen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit förderlich oder aus Berufsgründen notwendig seien. Daraus folge, daß Verunstaltungen, selbst wenn sie den Beeinträchtigten in seinem Erwerbsleben behinderten, nicht ohne weiteres unter den Begriff des "anatomischen oder funktionellen Krankheitszustandes" fielen. Kosmetische Behandlungen zur Beseitigung bloßer Verunstaltungen, die auch keine Beeinträchtigungen im Berufsleben mit sich brächten, könnten nicht einmal als freiwillige Leistungen erbracht werden. "Krankheit" im Sinne des § 120 Abs 1 Z 1 ASVG sei nicht identisch mit dem "Krankheitszustand" im Sinne des § 133 Abs 3 1.Satz ASVG. Während der Begriff "Körper- oder Geisteszustand" im Sinne des § 120 Z 1 ASVG in erster Linie eine augenblickliche regelwidrige Verfassung beinhalte, stelle "Krankheitszustand" im Sinne des § 133 Abs 3 ASVG eine nicht bloß vorübergehende Regelwidrigkeit dar, die aber der Beseitigung zugänglich sei, im Gegensatz zum Gebrechen, das in seinem Wesen medizinisch nicht mehr beeinflußt werden könne (SSV VI/143). Der "Krankheitszustand" im Sinne des § 133 Abs 3 ASVG stehe jedoch insofern dem Gebrechen im Sinne des § 154 ASVG gleich, als in beiden Fällen ein im medizinischen Sinn nicht mehr als Krankheit zu beurteilender Dauerzustand eingetreten sei. Auch der Beseitigung zugängliche Verunstaltungen könnten in dem Sinn nicht mehr geheilt werden, als eine Besserung des Zustandes nicht durch Anregung zur Selbstheilung, sondern lediglich durch einen operativen, den zerstörten oder beschädigten Körperteil ersetzenden Eingriff erwirkt werden könne. Ein Zustand im medizinischen Sinn sei aber in beiden Fällen dann Krankheit im Sinne des § 120 Abs 1 Z 1 ASVG, wenn durch die Beseitigung dieses Zustandes, für den Versicherten gesundheitliche Nachteile vermieden werden könnten (SSV VI/143; Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialversicherungsrechtes4 S 50). Alle anderen "Zustände" seien dagegen nicht als Krankheit zu werten (Tomandl, aaO). Aus den "anatomischen und funktionellen Krankheitszuständen" des § 133 Abs 3 1.Satz ASVG schieden daher jene Zustände als schon unter den Begriff der Krankheit im Sinne des § 120 Abs 1 Z 1 ASVG fallend aus, die eine Behandlung zur Vermeidung weitergehender gesundheitlicher Beeinträchtigungen erforderten. Da sich der Krankheitszustand im Sinne des § 133 Abs 3 1.Satz ASVG und Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 154 ASVG lediglich dadurch unterschieden, daß ersterer beseitigbar sei, liege ein "anatomischer oder funktioneller Krankheitszustand" dann vor, wenn auch die Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 154 ASVG gegeben seien. Verunstaltungen seien daher nur dann als anatomischer oder funktioneller Krankheitszustand zu werten, wenn der mit der Verunstaltung verbundene Funktionsverlust eines Körperteiles, die in der Verunstaltung liegende körperliche Beeinträchtigung selbst und die mit der Verunstaltung verbundene psychische Beeinträchtigung die Arbeitsfähigkeit oder die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, wesentlich beeinträchtigen und diese Beeinträchtigung durch eine kosmetische Behandlung beseitigbar ist. Lege man diese Kriterien dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt zugrunde, so ergäbe sich, daß das Erstgericht zu Recht vom Nichteintritt der Legalzession ausgegangen sei. Nach den Feststellungen habe der Erstkläger die mit den Verunstaltungen ursprünglich verbundenen psychischen Beeinträchtigungen bereits überwunden. Das beseitigbare Fehlen eines Ohrteiles beeinträchtige die Hörfähigkeit nicht. Durch die Verletzungen an der Hand sei eine Funktionseinbuße eingetreten, die den Erstkläger auch bei Arbeiten hindere; durch eine Operation könne die Hand verschönert und allenfalls eine geringfügige Funktionsverbesserung erzielt werden. An der Bauchhaut könne nur eine Narbenverbesserung vorgenommen werden. Da somit lediglich in Hinsicht auf die Verletzungen der Hand von einer wesentlichen Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit und damit einem anatomischen oder funktionellen Krankheitszustand ausgegangen werden könne, die Funktionseinbuße der Hand aber durch die Operation allenfalls nur geringfügig zu verbessern sei, eine wesentliche Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit aber nicht beseitigt werden könnte, gelte die in Aussicht genommene kosmetische Behandlung gemäß § 133 Abs 3 ASVG nicht als Krankenbehandlung. Der Versicherungsträger habe keine Pflichtleistungen zu erbringen. Die Legalzession des § 332 Abs 1 ASVG sei daher nicht eingetreten. Der Berufung sei somit ein Erfolg zu versagen gewesen. Den Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Berufungsgericht mit dem Fehlen einer gesicherten Rechtsprechung zu der Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen kosmetische Behandlungen gemäß § 133 Abs 3 ASVG als Krankenbehandlungen zu gelten hätten.

Gegen dieses Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen hinsichtlich des Begehrens auf Zuspruch von kosmetischen Operationskosten aus dem gegenständlichen Unfall im Sinne der Abweisung dieses Begehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagenden Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, daß zu den vom Schädiger zu ersetzenden Heilungskosten auch die Kosten einer kosmetischen Operation gehören, soweit diese zur gänzlichen oder teilweisen Beseitigung einer durch die Verletzung hervorgerufenen Verunstaltung als zweckmäßig anzusehen ist, und diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall auch gegeben sind, sowie weiters, daß der Geschädigte zur Geltendmachung eines solchen Ersatzanspruches insoweit aktiv nicht legitimiert ist, als eine Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers dem Geschädigten gegenüber besteht. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die Frage, ob die hier indizierten kosmetischen Maßnahmen als Krankenbehandlung im Sinne des § 133 ASVG gelten.

Insoweit sich die Revisionswerberin vorerst gegen die vom Berufungsgericht im Rahmen der Erledigung der in der Berufung erhobenen Verfahrensrüge - das Erstgericht habe ein Schreiben der Kärntner Gebietskrankenkasse, wonach die kosmetischen Korrekturen als Krankenbehandlung im Sinne des § 133 Abs 3 ASVG anzusehen seien, in seiner Urteilsbegründung unberücksichtigt gelassen - vertretenen Ansicht, es handle sich bei der Frage, ob der Tatbestand des § 133 Abs 3 1.Satz ASVG erfüllt sei und demnach der Erstkläger Anspruch auf entsprechende Pflichtleistungen der Sozialversicherung habe, um eine allein vom Gericht zu beurteilende Rechtsfrage, wendet, und dagegen ins Treffen führt, immer dann, wenn der Sozialversicherungsträger dem Geschädigten Leistungen im Hinblick auf einen positiven Bescheid erbracht habe oder weiterhin erbringe, seien die konkreten Forderungen des Geschädigten gegen den Schädiger, selbst dann auf den Sozialversicherungsträger übergegangen, wenn keine Legalzession stattgefunden haben sollte, kann ihr nicht gefolgt werden. Sie übersieht nämlich, daß die Kärntner Gebietskrankenkasse hinsichtlich der zu beurteilenden kosmetischen Korrekturen noch gar keine Leistungen erbracht hat. Es liegen daher auch nicht die Voraussetzungen für die in der Revision erwähnte, von der Rechtsprechung in Fällen der Erbringung von Leistungen durch den Sozialversicherungsträger ohne Vorliegen einer Leistungspflicht angenommene stillschweigende gewillkürte Zession vor (vgl SZ 42/174; ZVR 1976/112; SZ 56/44 ua). Im übrigen stellt sich das vom Erstgericht nicht berücksichtigte Schreiben der Kärntner Gebietskrankenkasse vom 18.4.1990 (ON 67 dA) lediglich als eine dem Erstgericht gegenüber erstattete Mitteilung über eine von der genannten Gebietskrankenkasse vertretene Ansicht dar, ihm kommt jedoch kein die Gerichte allenfalls bindender Bescheidcharakter zu. Der Oberste Gerichtshof billigt daher die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Frage, ob die hier in Rede stehenden kosmetischen Korrekturen als Krankenbehandlung im Sinne des § 133 Abs 3 ASVG anzusehen sind, vom Gericht unabhängig von der von der zuständigen Gebietskrankenkasse vertretenen und dem Erstgericht mitgeteilten Rechtsmeinung zu beurteilen ist.

Das Schwergewicht der Rechtsrüge der Beklagten liegt jedoch in der Bekämpfung der Ablehnung der Qualifikation der in Rede stehenden kosmetischen Behandlungen als Krankenbehandlung im Sinne des § 133 Abs 3 ASVG durch die Vorinstanzen.

Die Übernahme der operativen Maßnahmen in die Leistungspflicht der Sozialversicherung sei nach Ansicht der Revisionswerberin verständlich und richtig, weil durch die Art der vorgesehenen operativen Eingriffe - sowohl hinsichtlich der Haut als auch im Hinblick auf die Ohrenoperation - eine schwere körperliche Beeinträchtigung erfolge, sodaß die Grundsätze einer Krankenbehandlung im Sinne des § 133 Abs 3 ASVG gegeben seien. Dem kann nicht gefolgt werden. Es geht nämlich nicht an, körperliche Beeinträchtigungen die erst die Folge kosmetisch-chirurgischer Eingriffe darstellen, zur Begründung dafür heranzuziehen, daß diese Eingriffe und die Behandlung deren Folgen notwendig sind. Die Feststellungen der Vorinstanzen über den Behandlungsverlauf des Erstklägers zeigen, daß dieser ohnedies plastisch-chirurgisch versorgt worden ist (vgl Ersturteil S 8 f). Wenn die Beklagte zur Stützung ihrer Rechtsmeinung ausführt, die Verbesserung des Hautzustandes sei nicht nur ein ästhetisches Problem, weil die Haut eine überragende Bedeutung für die Gesundheit habe, weshalb derartige Operationen nicht allein vom Standpunkt der Ästhetik beurteilt werden dürften - was der beigezogene, als Schönheitschirurg wohl anerkannte Sachverständige aber in den Vordergrund gestellt habe - dabei vielmehr dem Gesichtspunkt der Verbesserung des Hautorganes besondere Bedeutung beigemessen werden müsse, so geht sie nicht von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, sie versucht damit in Wahrheit nur in einer im Revisionsverfahren unzulässigen Weise die Ergebnisse des Sachverständigenbeweises hinsichtlich des Erfolges der plastischen Operation im Bereich der Finger und der Hand sowie der mit weiteren Operationen erreichbaren Verbesserung des Zustandes der Haut zu bekämpfen. Mangels Notwendigkeit einer ärztlichen Hilfe in diesem Bereich kann in der hier zu beurteilenden operativen Behandlung keine Krankenbehandlung im Sinne des § 133 Abs 2 ASVG erblickt werden. Ob die kosmetische Beseitigung einer erworbenen Verunstaltung und die damit verbundene medizinische Versorgung als Krankenbehandlung im Sinne der Krankenversicherung gelten, ist allein auf Grund der Bestimmung des § 133 Abs 3 ASVG zu beurteilen.

Nach dem ersten Satz des § 133 Abs 3 ASVG gelten kosmetische Behandlungen nur dann als Krankenbehandlung, wenn sie zur Beseitigung anatomischer oder funktioneller Krankheitszustände dienen. Andere kosmetische Behandlungen können - im Sinne des zweiten Satzes der genannten Bestimmung - als freiwillige Leistungen gewährt werden, dies aber auch nur unter der Voraussetzung, daß sie der vollen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit förderlich oder aus Berufsgründen notwendig sind. Eine Definition des Begriffes des "Krankheitszustandes" enthält das Gesetz nicht. Dieses definiert im Zusammenhang mit - im medizinischen Sinn gesehen - krankhaften Erscheinungen und deren Behandlung nur den Begriff der "Krankheit". "Krankheit" im Sinne des § 120 Abs 1 ASVG liegt dann vor, wenn ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand entsteht, also regelwidrige Erscheinungen solcher Art auftreten, der bzw die eine Krankenbehandlung, d.i. die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe, von Heilmittel oder Heilbehelfen (§ 133 Abs 1 ASVG) notwendig macht bzw erforderlich machen. Aus dem Umstand, daß von Krankheit im Sinne dieser Bestimmung nur dann gesprochen werden kann, wenn der regelwidrige Zustand eine Behandlung erforderlich macht, läßt sich im Zusammenhalt mit dem vom Gesetz der Krankenbehandlung zugedachten Ziel, nämlich die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederherzustellen, zu festigen oder zu bessern, ableiten, daß als Krankheit im Sinne der Krankenversicherung jeder regelwidrige Körper- oder Geisteszustand gilt, der durch therapeutische Mittel noch positiv beeinflußbar ist (vgl Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechtes4, 48). Von den von der Medizin noch als "Zustände" im Sinne von bleibenden Folgen nach Unfällen oder Operationen erfaßten Erscheinungen körperlicher (oder geistiger) Veränderungen stellt Abs 3 des § 133 ASVG gewisse "Krankheitszustände" der Krankheit im Sinne des Abs 2 der genannten Norm gleich, Zustände, die zwar keine Krankenbehandlung erfordern, wohl aber einer kosmetischen Behandlung zugänglich sind. Eine Gleichstellung kosmetischer Behandlung mit einer Krankenbehandlung als sozialversicherungsrechtliche Pflichtleistung nimmt das Gesetz allerdings nur in Ansehung solcher "Krankheitszustände" (anatomischer oder funktioneller Art) vor, die beseitigbar sind (vgl Tomandl, aaO, 91).

Nach den für die rechtliche Beurteilung dieser Rechtssache maßgeblichen Feststellungen könnte durch die - auch rein medizinische nur in Grenzen - indizierte Operation der rechten Hand des Erstklägers im wesentlichen nur die Hand verschönert, und allenfalls eine faktisch nicht ins Gewicht fallende Funktionsverbesserung erzielt werden. An der Bauchhaut könnte nur eine Narbenverbesserung erreicht werden. Da eine Beseitigung der beiden "Zustände" durch die Operationen somit nicht erlangt werden könnte und auch nicht gesagt werden kann, es läge eine der Beseitigung des nun vorhandenen Zustandes gleichzusetzende wesentliche Zustandsverbesserung vor, gelten die bloß der Verschönerung der Bauchhaut sowie der Verschönerung und allenfalls auch nur unwesentlichen Funktionsverbesserung der Hand dienenden, in Aussicht genommenen kosmetischen Behandlungen nicht als Krankenbehandlung iS des ersten Satzes des § 133 Abs 3 ASVG.

Was nun das - die Hörfähigkeit des Erstklägers nicht beeinträchtigende, operativ beseitigbare - Fehlen eines Teiles des rechten Ohres des Erstklägers anlangt, so ist darin auch keine "Beseitigung eines anatomischen Krankheitszustandes" zu erblicken; denn die hier vorgesehene Operation könnte nur den durch den teilweisen Ohrmuschelverlust bewirkten Schönheitsfehler in seiner äußeren Erscheinung mildern. Die hier in zwei Teiloperationen in Erwägung gezogene kosmetisch-chirurgische Behandlung des Erstklägers zum Zwecke des Ersatzes eines Ohrmuschelteiles kann daher dem Begriff der Krankenbehandlung nach § 133 Abs 3 erster Satz ASVG nicht zugeordnet werden.

Können die hier in Aussicht genommenen kosmetischen Behandlungen somit nicht als Krankenbehandlung im Sinne der Krankenversicherung angesehen werden, so besteht auch kein Anspruch des Erstklägers auf eine der im Katalog des § 133 Abs 1 ASVG genannten Leistungen. Besteht aber keine Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers aus der Krankenversicherng, so ist es auch zu keinem Forderungsübergang gemäß § 332 Abs 1 ASVG gekommen. Die Vorinstanzen haben daher die Aktivlegitimation des Zweitklägers als Zessionar des Erstklägers mit Recht bejaht.

Der Revision konnte damit kein Erfolg beschieden sein.

Da der Erstkläger infolge Abtretung seiner Schadenersatzansprüche an den Zweitkläger an dem den Gegenstand der Revision bildenden Verfahren nicht mehr beteiligt ist, ist die Revisionsbeantwortung, insoweit sie auch in seinem Namen erstattet wurde, unzulässig. Sie war somit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, sodaß insoweit kein Anspruch auf Kostenersatz besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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