OGH 10ObS186/92

OGH10ObS186/9229.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Friedrich Weinke (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag.Wilhelm Patzold (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Anna Z*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr.Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr.Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Witwenpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30.März 1992, GZ 34 Rs 188/91-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30.April 1991, GZ 16 Cgs 2/90-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Klägerin mit ihrem bei der beklagten Partei pensionsversicherten Ehegatten Ing.Adolf Z***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15.Dezember 1981 gemäß § 55 Abs. 3 EheG geschieden, wobei das Gericht aussprach, daß das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Ehegatten trifft. Am 22. Oktober 1982 brachte die Klägerin gegen ihren geschiedenen Ehegatten beim Bezirksgericht Döbling eine Klage auf rückständigen Unterhalt von monatlich S 2.472 für die Zeit vom 1.Dezember 1981 bis einschließlich Oktober 1982 (insgesamt S 32.136,--) sowie auf laufende Unterhaltsbeiträge ab November 1982 in monatlicher Höhe von 20 % des jeweiligen monatlichen Nettoeinkommens aus einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis des geschiedenen Ehegatten ein. Dieser Klage wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 2.Dezember 1983, 3 C 25/82-22, vollinhaltlich stattgegeben. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien gab mit Urteil vom 8.März 1984, 43 R 2032/84, der Berufung des beklagten Ehemannes Folge und änderte das Urteil im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung ab. Zu den Unterhaltsansprüchen der Klägerin führte das Berufungsgericht damals unter anderem aus, die Ehegatten hätten schon im Jahr 1964 einen (außergerichtlichen) Unterhaltsvergleich geschlossen, auf dessen Wirksamkeit die Ehescheidung ohne Einfluß geblieben sei. Die grundsätzlich bestehende Unterhaltspflicht des geschiedenen Mannes sei nunmehr nach § 94 ABGB zu interpretieren. Da das nunmehrige Einkommen der Klägerin 40 % des gemeinsamen Einkommens - entsprechend den von der Judikatur zu § 94 ABGB entwickelten Berechnungsregeln - überstiegen habe, reduziere sich ihr Unterhaltsanspruch auf Null. Nach den Feststellungen bezog die Klägerin eine Pension von S 12.150 netto, 14mal jährlich, während der geschiedene Ehegatte im Jahr 1983 als Vertragsbediensteter des Landes Niederösterreich einen monatlichen Nettobezug von ca. 13.600 S erreichte. Dieses Urteil wurde im Mai 1984 rechtskräftig.

Der geschiedene Ehegatte der Klägerin verstarb am 15.September 1989.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 10.Oktober 1989 wurde der Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Witwenpension gemäß § 270 ASVG iVm § 258 Abs. 4 ASVG abgewiesen, weil eine Unterhaltspflicht des Versicherten im Zeitpunkt seines Todes gegenüber der Klägerin nicht bestanden habe.

Mit der Behauptung, sie habe im Zuge der Abwicklung der Verlassenschaft Unterlagen des Versicherten gefunden, welche zusätzliche Einkünfte aus dem Verfassen technischer Zeichnungen und Pläne in den Jahren 1982 und 1983 belegten, brachte die Klägerin am 9. März 1990 beim Bezirksgericht Döbling eine Wiederaufnahmsklage ein, mit der sie die Aufhebung der im Unterhaltsverfahren ergangenen Urteile und in der Sache selbst rückständige Unterhaltsbeträge von S

32.136 und S 150.000 für die Zeit vom 1.April 1987 bis einschließlich März 1990 begehrte. Dazu führte die Klägerin aus, die genannten Einkünfte seien vom Versicherten im Unterhaltsverfahren verschwiegen worden. Wären diese Einkünfte damals bekannt gewesen, hätte die Klägerin im Unterhaltsprozeß obsiegt.

Diese Wiederaufnahmsklage wurde gegen die Verlassenschaft nach dem Versicherten, vertreten durch die mit der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses betraute Erbin (eheliche Tochter) erhoben.

Das Bezirksgericht Döbling bewilligte die Wiederaufnahme des Verfahrens 3 C 25/82, hob die Urteile der ersten und zweiten Instanz auf und erkannte in der Sache selbst zu Recht, daß die beklagte Verlassenschaft schuldig sei, der Klägerin S 32.136 samt Staffelzinsen sowie an rückständigen Unterhalt für die Zeit vom 1. April 1987 bis einschließlich März 1990 S 150.000 samt 4 % Zinsen ab dem Klagstag zu zahlen. Eine Begründung dieser Entscheidung ist den Akten des Bezirksgerichtes Döbling nicht zu entnehmen; die Übertragung des Protokolls entfiel gemäß § 417a Abs. 2 ZPO.

Daraufhin erkannte das Erstgericht die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 1.Oktober 1989 die Witwenpension "im gesetzlichen Ausmaß unter Berücksichtigung eines Unterhaltsanspruches gegen den Versicherten Ing.Adolf Z***** von S 4.167 monatlich zu gewähren". In rechtlicher Hinsicht führte es aus, daß zur Zeit des Todes des Versicherten zwar kein entsprechender gerichtlicher Unterhaltstitel bestanden habe, weil die Unterhaltsklage vom Berufungsgericht infolge eigenen Einkommens der Klägerin abgewiesen worden war. Fraglich sei, ob die Zusprechung von Unterhalt nach dem Tode des Versicherten im wiederaufgenommenen Verfahren als gerichtlicher Unterhaltstitel im Sinn des § 258 Abs. 4 ASVG anzusehen sei. Da der ursprüngliche Rechtsstreit nach Aufhebung der vorangegangenen Urteile neu verhandelt und entschieden worden sei, habe der Versicherte zum Zeitpunkt seines Todes sehr wohl auf Grund eines gerichtlichen Urteiles Unterhaltspflichten der Klägerin gegenüber gehabt, weil ein gerichtliches Urteil die Sach- und Rechtslage 1983 betreffend vorliege. Der Entscheidung im wiederaufgenommenen Verfahren müsse insoweit Rückwirkung zugestanden werden. Ob der Unterhalt zum Zeitpunkt des Todes tatsächlich gewährt worden oder ob dessen Leistung, aus welchen Gründen immer, unterblieben sei, sei unerheblich. Da für den Zeitraum April 1987 bis Mai 1990 (36 Monate) S 150.000 zugesprochen worden seien, entspreche dies einer monatlichen Unterhaltsverpflichtung des Versicherten von S 4.167.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte dieses Urteil im abweislichen Sinne ab. Unterhaltstitel, die erst nach dem Tod des Versicherten zustandekämen, seien ausnahmslos keine, die die Voraussetzungen des § 258 Abs. 4 ASVG erfüllen könnten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache gestützte Revision der Klägerin.

Die beklagte Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach § 258 Abs. 4 ASVG in der hier anzuwendenden, seit 1.Jänner 1988 geltenden Fassung der 44.ASVG-Novelle gebührt die Witwenpension unter anderem der Frau, deren Ehe mit dem Versicherten geschieden worden ist, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor Auflösung der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte, und zwar sofern und solange die Frau nicht eine neue Ehe geschlossen hat. Die Revisionswerberin meint, das im wiederaufgenommenen Unterhaltsverfahren gefällte Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 11. Mai 1990 wäre ein gerichtliches Urteil, auf Grund dessen ihr der geschiedene Ehegatte zur Zeit seines Todes, also am 15.September 1989, einen Unterhaltsbeitrag zu leisten hatte.

Diese Frage wurde vom Berufungsgericht zutreffend verneint. Nach den oben wiedergegebenen Feststellungen hatte der Versicherte zur Zeit seines Todes keinerlei Unterhaltsleistungen zu erbringen, also weder auf Grund eines Urteils noch eines Vergleiches oder einer vertraglichen Verpflichtung. Die im Jahr 1982 erhobene Unterhaltsklage war nämlich mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 8.März 1984 rechtskräftig abgewiesen worden. Erst rund acht Monate nach dem Todestag erhob die Klägerin eine Wiederaufnahmsklage gegen die (noch nicht eingeantwortete) Verlassenschaft, auf Grund welcher diese Verlassenschaft verurteilt wurde, der Klägerin Unterhaltsrückstände von insgesamt 182.136 S samt Zinsen und Kosten zu zahlen. Da diese Unterhaltsansprüche im Zeitpunkt des Todes des Versicherten im Umfang von S 32.136,-- rechtskräftig abgewiesen und im übrigen (S 150.000,--) weder außergerichtlich noch gerichtlich geltend gemacht waren, muß daher auch im vorliegenden Fall zur Frage, ob im Zeitpunkt des Todes des Versicherten bereits ein Urteil, allenfalls sogar ein rechtskräftiges Urteil, vorliegen muß oder ob für den Fall der späteren Stattgebung des Klagebegehrens bereits die Einbringung der Klage bei Lebzeiten des Versicherten genügt, nicht Stellung genommen werden (vgl. SSV-NF 5/98). Im wiederaufgenommenen (erneuerten) Verfahren ist zwar über den Gegenstand der im Aufhebungsverfahren beseitigten Entscheidung zu verhandeln und zu erkennen, wobei das Verfahren durch die Aufhebung in den Stand des erstinstanzlichen Verfahrens vor Schluß der mündlichen Verhandlung zurücktritt und die Entscheidung im wiederaufgenommenen Verfahren die aufgehobene Entscheidung ersetzt (Fasching ZPR2 Rz 2090). Dies ändert aber nichts daran, daß dem nunmehr ergangenen Urteil in Ansehung der Unterhaltspflicht des Versicherten zur Zeit seines Todes ein Verhandlungsstoff zugrundelag, der zu Lebzeiten des Versicherten nicht geltend gemacht worden war. Insgesamt ist daher der vorliegende Fall im Ergebnis nicht anders zu beurteilen als der der Entscheidung SSV-NF 5/98 zugrundeliegende. Dies ergibt sich schon aus der Erwägung, daß auch hier nicht etwa der verstorbene Versicherte auf Grund des Urteiles im wiederaufgenommenen Verfahren, sondern die Verlassenschaft zur Zahlung verurteilt wurde, wogegen der Versicherte im Zeitpunkt seines Todes der Klägerin keinen laufenden Unterhaltsbeitrag zu leisten hatte und auch nicht geleistet hat. Jede andere Auslegung würde auch nachträglichen Manipulationen etwa durch Anerkenntnis Tür und Tor öffnen. Die vorliegende Wiederaufnahmsklage muß daher hinsichtlich ihres Begehrens in der Hauptsache auf Zahlung eines Unterhaltsrückstandes von pauschal S 150.000,-- einer nach dem Tod des Versicherten erstmals eingebrachten Unterhaltsklage gleichgehalten werden.

Aus diesen Erwägungen war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch aus Billigkeit wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.

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