OGH 8Ob511/91

OGH8Ob511/9124.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Lütfü Ö*, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Rudolf J*, vertreten durch Dr. Max Villgrattner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Unwirksamkeit eines Vergleiches infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 3. Oktober 1990, GZ 41 R 473/90‑29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28. April 1989, GZ 42 C 627/88y‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00511.91.0924.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 2.175,36 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 362,56 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Der Kläger begehrt die Unwirksamkeitserklärung des zwischen den Streitteilen am 14. 8. 1987 vor dem Bezirksgericht Döbling zu 5 C 1892/87 geschlossenen Räumungsvergleiches betreffend die Mietwohnung *, K*gasse, mit der Begründung, er habe sich hierin noch vor der am 14. 8. 1987 erfolgten Übergabe des Mietgegenstandes verpflichtet, diesen bis spätestens 14. 8. 1988 geräumt zurückzustellen. Dieser Vergleich habe dem Beklagten zur Umgehung der Kündigungsschutzbestimmungen und der dem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte, insbesondere jener nach § 10 MRG, gedient. Nach den zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarungen sollte das Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit verlängert werden, soferne der Kläger den Mietzins regelmäßig bezahle. Diese Vereinbarung sei vom Beklagten aber nicht zugehalten worden. Ihm fehle auch die aktive Klagelegitimation, da er selbst der Hauptmieter sei.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil der Kläger keinesfalls zum Abschluß des Räumungsvergleiches genötigt worden sei, vielmehr habe dieser nur der Abkürzung des Räumungsverfahrens gedient. Ob der Kläger Haupt‑ oder Untermieter sei, erscheine unerheblich.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte fest:

Der Beklagte ist Hauptmieter der klagegegenständlichen Wohnung, aber nicht Liegenschaftseigentümer. Mit Mietvertrag vom 12. 8. 1987 mietete der Kläger das Bestandobjekt für die Dauer eines Jahres bis zum 14. 8. 1988. Da der Beklagte einen Exekutionstitel wünschte wurde für den 14. 8. 1987 ein gerichtlicher Vergleichstermin und weiters vereinbart, daß der Kläger sich zur Räumung bei Vertragsende verpflichtet und die Wohnungsschlüssel nach Abschluß dieses Räumungsvergleiches erhält. Es wurde ihm vom Beklagten auch zugesagt, daß das befristete Bestandverhältnis in ein unbefristetes umgewandelt würde, soferne er den Mietzins immer pünktlich bezahle. Dabei war aber noch nicht klar, ob ein solcher Vertrag auf den Kläger oder dessen Freundin lauten sollte. Am 14. 8. 1987 schlossen die Streitteile folgenden gerichtlichen Räumungsvergleich: "Die beklagte Partei verpflichtet sich, der klagenden Partei die Wohnung top * bis spätestens 14. 8. 1988 geräumt von eigenen Fahrnissen unter Verzicht auf jeglichen Räumungsaufschub zu übergeben." Dem Kläger war klar, daß er durch diesen Vergleich dazu verpflichtet war, das Bestandobjekt per 14. 8. 1988 zu räumen und daß es sich diesbezüglich um einen vollstreckbaren Exekutionstitel handle. Er war jedoch zuversichtlich, daß er mit dem Beklagten nach Ablauf des 14. 8. 1988 einen neuen Mietvertrag lautend auf seinen Namen oder den seiner Freundin abschließen würde, da es ihm als sicher schien, daß er den Mietzins während der Dauer des einen Jahres immer pünktlich bezahlen würde. Der Kläger spricht sehr gut deutsch, der Hergang und der Inhalt des Vergleiches wurde vor dessen Abschluß mit seiner Freundin auch besprochen. Das Wesentliche des Vergleiches, nämlich die Verpflichtung zur Räumung der gegenständlichen Wohnung, wurde ihm schließlich durch die zuständige Richterin deutlich auseinandergesetzt. Der Kläger verstand diese Erklärung. Er hat in der Folge die gegenständliche Wohnung relativ aufwendig renoviert.

In seiner rechtlichen Beurteilung verneinte das Erstgericht einen Irrtum des Beklagten über die Vergleichsgrundlage und erklärte, die Nichtzuhaltung der Zusage über den anschließenden Abschluß eines unbefristeten Bestandverhältnisses durch den Beklagten berechtige ihn nur zur Klage auf Vertragszuhaltung. Ein Verzicht auf Ansprüche nach § 10 MRG sei nicht Gegenstand des Vergleiches gewesen, der Verlust von Ansprüchen nach dieser Gesetzesstelle stelle sich bloß als Folge, nicht aber als Inhalt des abgeschlossenen Vergleiches dar und rechtfertige die Vergleichsanfechtung daher ebenfalls nicht. Ob das dem Vergleichsabschluß zugrundeliegende Bestandverhältnis nicht als Untermiet‑ sondern als Hauptmietverhältnis anzusehen sei, müsse als bedeutungslos erkannt werden, weil auch das allfällige Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes den Kläger nicht zur Vergleichsanfechtung berechtigen könnte.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es verwies auf die dem Kläger bewilligte Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Berufungsfrist und führte in der Sache selbst aus:

Die Feststellung, daß der Beklagte Hauptmieter der gegenständlichen Wohnung sei, werde nicht übernommen, weil hiefür keinerlei erstgerichtliche Begründung vorliege. Sämtliche übrigen erstgerichtlichen Feststellungen erschienen aber unbedenklich. Rechtlich treffe es zwar zu, daß ein vor Übergabe des Bestandobjekts abgeschlossener Räumungsvergleich in der Rechtsprechung unter dem Aspekt der Beeinträchtigung der Abschlußfreiheit des Mieters wegen unzulässigen wirtschaftlichen Druckes als unwirksam erkannt wurde, doch sei diesen Fällen allesamt zugrundegelegen, daß der Vermieter mit Hilfe eines solchen Räumungsvergleiches sich eine Rechtsposition zu verschaffen versuchte, die ihm mehr Rechte hinsichtlich der Beendigungsmöglichkeit des Bestandvertrages einräumte als sie ihm nach den zwingenden sondergesetzlichen Bestimmungen zugestanden wären, sei es, daß der gesetzliche Kündigungsschutz umgangen werden sollte oder gesetzlich nicht durchsetzbare Befristungen auf dem Umweg erwirkter Exekutionstitel paktiert wurden. Gerade diese Voraussetzungen, die den Räumungsvergleich unter dem Gesichtspunkt seines Rechtscharakters als Umgehungsgeschäft unwirksam machten, lägen hier aber nicht vor. Die vereinbarte Befristung des Bestandverhältnisses auf ein Jahr sei im Falle der Qualifikation dieses Bestandverhältnisses als Untermietvertrag nach § 29 Abs. 1 Z 3 lit.d MRG ebenso wirksam wie im Falle der Qualifizierung des Bestandverhältnisses als Hauptmietvertrag nach § 29 Abs. 1 Z 3 lit. c MRG. Zwingende "Endigungsschutzbestimmungen" des Mietrechtsgesetzes würden demnach mit dem als unwirksam bekämpften Vergleich nicht umgangen, sodaß kein Umgehungsgeschäft vorliege. Eine Zusage des allfälligen Abschlusses eines anschließenden unbefristeten Mietverhältnisses sei für die Wirksamkeit des Räumungsvergleiches ohne Bedeutung und als vertragliche Vereinbarung durchsetzbar. Die Behauptung, auf einen Räumungsaufschub könne frühestens bei Auflösung des Bestandverhältnisses verzichtet werden, sei unrichtig. Vom Schutzzweck des § 35 MRG würden Fälle befristeter Mietverhältnisse nicht erfaßt, weil keine einseitige Auflösung derselben vorliege, sondern der Mieter die Beendigung selbst vereinbart habe und sich daher bewußt sein habe müssen, daß das Bestandverhältnis zu einem konkreten Zeitpunkt enden würde. Wäre der Beklagte nicht Hauptmieter des gegenständlichen Bestandobjektes und läge insoweit ein Umgehungsgeschäft zwischen ihm und dem Hauseigentümer vor, dann wäre er zwar gemäß § 2 Abs. 3 MRG nicht Bestandgeber des Klägers und dieser hätte die Rechtsstellung eines Hauptmieters, sämtliche vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Streitteilen stünden aber dem Hauseigentümer zu und dieser könnte gemäß § 9 EO auf Grund des Räumungsvergleiches Exekution führen. Der Einwand der Umgehung der in § 10 MRG normierten Rechte werde in der Berufung zwar nicht mehr releviert, er sei aber ebenfalls nicht stichhältig, denn die Verfristung von Ansprüchen gemäß § 10 Abs. 4 Z 1 MRG gelte keinesfalls für schon vor Übergabe des Bestandobjektes geschlossene Auflösungsvereinbarungen, die eine gesetzlich zulässig vereinbarte Befristung unter Schaffung eines Exekutionstitels in Form eines Räumungsvergleiches bekräftigen sollten. Ein zur Bekräftigung eines wirksam vereinbarten Räumungstermins abgeschlossener Räumungsvergleich erfülle seinem Vertragszweck nach nicht den Tatbestand der Auflösung des Mietverhältnisses im Sinne des § 10 Abs. 4 Z 1 MRG. Selbst wenn der Kläger die Rechtsstellung eines Hauptmieters hätte würden daher ihm nach § 10 MRG zustehende Rechte durch den Räumungsvergleich nicht berührt, sodaß auch insoweit ein Umgehungscharakter jedenfalls fehle.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt der Kläger eine auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Revisionswerber vertritt den Standpunkt, bei Vorliegen eines Hauptmietvertrages stünden zwar dem Hauseigentümer die Rechte aus der auch für einen Hauptmietvertrag wirksam vereinbarten Befristung zu, nicht aber die Rechte aus dem Räumungsvergleich. Hinsichtlich von Ersatzansprüchen werde im Falle der Auflösung des Mietverhältnisses nach § 10 Abs. 4 Z 1 MRG die Präklusionswirkung an die Versäumung der Anzeige des Ersatzanspruches im Zeitpunkt der Auflösungserklärung geknüpft. Dies gelte auch für eine bereits bei Mietvertragsabschluß getroffene Räumungsvereinbarung. Eine solche Räumungsvereinbarung sei daher zur Umgehung der Rechte nach § 10 MRG geschlossen worden. Schließlich stelle § 35 MRG nicht darauf ab, ob ein befristetes oder unbefristetes Mietverhältnisses vorliege, zudem könnten auch befristete Bestandverhältnisse vor dem vereinbarten Ende des Bestandverhältnisses einseitig aufgelöst werden, sodaß auch eine Umgehung dieser Gesetzesbestimmung gegeben sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht gerechtfertigt.

Das zwischen den Streitteilen vereinbarte Mietverhältnis begann laut Punkt 3 des Mietvertrages Beilage ./B mit dem 15. 8. 1987 und endete mit dem 14. 8. 1988. Dieser Vertrag war daher mit einer ein Jahr nicht übersteigenden Bestanddauer auch unter dem Gesichtspunkt der Kündigungsschutzbestimmungen als befristeter Untermietvertrag gemäß § 29 Abs. 1 Z 3 lit d MRG und gegebenenfalls als befristeter Hauptmietvertrag gemäß § 29 Abs. 1 Z 3 lit c MRG jedenfalls zulässig. In dem zwischen den Streitteilen am 14. 8. 1987 geschlossenen Räumungsvergleich verpflichtete sich der Kläger zur Räumung des Bestandgegenstandes spätestens mit 14. 8. 1988. Auch durch diesen Räumungsvergleich wurden gesetzliche Kündigungsbeschränkungen nicht umgangen. Dies behauptet der Revisionswerber auch gar nicht mehr, sondern begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleiches mit der Begründung, daß er in Wahrheit Hauptmieter sei und daß entgegen der berufungsgerichtlichen Ansicht aus diesem von ihm mit dem Beklagten als bloßem Strohmann des Hauseigentümers geschlossenen Räumungsvergleich dem Hauseigentümer keine Rechte zustünden. Dem ist folgendes zu erwidern:

Gemäß § 2 Abs. 3 MRG kann der Mieter, mit dem der Untermietvertrag geschlossen worden ist, begehren, als Hauptmieter des Mietgegenstandes anerkannt zu werden, wenn bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln besteht, daß ein Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach diesem Bundesgesetz zustehenden Rechte geschlossen worden ist. Eine diesbezügliche, gemäß § 37 Abs. 1 Z 1 MRG im Außerstreitverfahren auszusprechende Anerkennung bewirkt ex tunc (vgl. Würth in Rummel ABGB2 Rz 9 zu § 2 MRG) die Stellung des Bestandnehmers als Hauptmieters mit den aus dem Gesetz folgenden Rechten. Die Bestimmung des § 2 Abs. 3 MRG unterstellt damit aber, daß das vom "Strohmann" geschlossene Vertragsverhältnis mit dem Hauseigentümer grundsätzlich aufrecht bleibt. Es behalten also alle den gesetzlichen Rechten eines Hauptmieters nicht widersprechenden Absprachen ihre Wirksamkeit. Wurde in Zusammenhang mit dem Abschluß des Untermiet‑, in Wahrheit Hauptmietvertrages eine gesetzlich zulässige Räumungsvereinbarung getroffen, so bleibt diese demnach grundsätzlich aufrecht mit der Wirkung, daß der Hauseigentümer auf Grund dieser und einer mit dem bisherigen Berechtigten aus dem Räumungsvergleich geschlossenen Rechtsnachfolgevereinbarung gemäß § 9 EO gegen den Hauptmieter Räumungsexekution führen kann.

Demgemäß kann im vorliegenden Falle im Sinne der berufungsgerichtlichen Ansicht aber die Prüfung der Vorfrage unterbleiben, ob der Kläger Haupt‑ oder Untermieter ist. Der zwischen den Streitteilen geschlossene Räumungsvergleich steht der Stellung des Klägers auch als Hauptmieter nicht entgegen und er ist daher auch als Hauptmieter an diesen insoweit gebunden, als der Hauseigentümer als sein Vertragspartner die Rechte aus diesem geltend zu machen grundsätzlich in der Lage ist.

Als allfälliger Hauptmieter wurde der Revisionswerber entgegen seinen Ausführungen auch nicht im Sinne des § 10 Abs. 4 Z 1 MRG in seinen Rechten verletzt, weil bei einem von vornherein befristeten Mietverhältnis in der durch einen entsprechenden Räumungsvergleich gegebenen zusätzlichen Absicherung der vertragsgemäßen Beendigung keine einvernehmliche Auflösung desselben gemäß dieser Gesetzesstelle liegt. Schließlich versagen auch die nicht ganz verständlichen, auf § 35 MRG bezogenen Revisionsausführungen. Diese Bestimmung steht dem offenkundigen Gesetzeszweck nach einem bei Abschluß eines zulässigerweise befristeten Mietverhältnisses abgegebenen Verzicht auf Räumungsaufschub nicht entgegen.

Der insgesamt ungerechtfertigten Revision war demnach ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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