OGH 6Ob533/92

OGH6Ob533/9224.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sparkasse *****, vertreten durch Dr.Janko Tischler jun, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei B***** Banka *****, ***** Jugoslawien, vertreten durch Dr.Werner Masser, Dr.Ernst Grossmann, Dr.Eduard Klingsbigl und Dr.Robert Lirsch, Rechtsanwälte in Wien, wegen 21,480.000 S sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 3.Jänner 1992, GZ 5 R 277/91-10, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 26.September 1991, GZ 30 Cg 131/91-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Streitanhängigkeit verworfen wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 47.500,80 S (darin 7.916,80 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Verhandlungstagsatzung vom 4.September 1991 und die mit 89.092,80 S (darin 14.848,80 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Straßentransportunternehmen I*****-Speditionsgesellschaft mbH & Co KG in M***** (folgend I***** KG) - deren Komplementärin die I***** Speditions-Gesellschaft mbH in M***** (folgend I***** GmbH) ist - und A***** Radna Organacija ***** "***** in Cuprija, (szt.) Jugoslawien (folgend V*****trans), schlossen am 9.Jänner 1985 den Vertrag Nr 933 samt - zum Teil erst in Folgejahren vereinbarten - Annexen über eine langfristige Zusammenarbeit beim (Güter-)Transport von Westeuropa in den Nahen Osten, wobei I***** die Zugmaschinen und Lkw-Fahrgestelle, V*****trans den "Überbau" und die Fahrer beizustellen hatte. Im Annex 1 wurde die Vermietung von 70 Lkw-Zugmaschinen an V*****trans vereinbart. Annex Nr 5 lautet, soweit hier interessierend:

"...

Artikel III

3.01. V*****trans verpflichtet sich gegenüber

I*****, die Garantie seiner

Geschäftsbank ..... zu präsentieren, mit der

ordentliche Mietzahlungen für die

40 Fahreinheiten garantiert werden, unter

(den) Bedingungen und in Übereinstimmung

mit der Dynamik, den Beträgen und Fristen aus

dem Vertrag und dem Annex.

Artikel V

5.01. ...

5.02. Im Falle der Nichterfüllung der Pflichten laut Vertrag

und Annexen, stimmen die Vertragsparteien

überein, daß den Rechtsstreit der

Schiedsrichterrat bei dem

Außenhandelsschiedsgericht der

Wirtschaftskammer von Jugoslawien, mit

Anwendung des jugoslawischen materiellen

Rechtes entscheiden wird.

5.03. Die Vertragsparteien stimmen überein, daß der Beschluß

des Schiedsrichterrates für sie verpflichtend sein

wird, und daß sie diesen ohne Widerrede

durchführen werden, und die Kosten wird die

Partei, die den Streit verliert, tragen."

Die beklagte Partei richtete am 10.Dezember 1985 folgendes Garantieschreiben Nr 112-7029 an die I***** KG: " .... Hiermit übernehmen wir, ***** B***** Banka, Beograd, die Garantie Ihrer Firma gegenüber und verpflichten uns unwiderruflich und bedingungslos - bis zum Höchstbetrag von 42,960.000 S und bis zum 31.Dezember 1990 - alle von V*****trans ungezahlten Mieten gemäß Vertrag und Annexen zum Vertrag selbst zu bezahlen. Unsere Zahlungsverpflichtung wollen wir auf Ihre erste schriftliche Anforderung und gegen Vorlage des überstimmten und bestätigten Protokolls über die Verpflichtung von V*****trans zur Zahlung bestimmten Betrages aufgrund der geleisteten Geschäftsrealisation und des Beweises über die Zahlung zu Gunsten V*****trans protokollgemäß erfüllen. ...."

Mit Schreiben vom 18.Dezember 1985 teilte V*****trans der A***** Bank Aktiengesellschaft in Wien mit, von der I***** KG 40 Lkw gemietet zu haben; gemäß dem bestehenden Vertrag Nr 933 habe sie sich ua verpflichtet, die monatlichen Mietraten von 716.000 S für die Mindestdauer von fünf Jahren zu bezahlen, das heißt, daß ein Rücktritt aus dem Mietverhältnis durch sie für die Dauer von fünf Jahren nicht zulässig sei. I***** KG und I***** GmbH zedierten mit Schreiben vom 27.April 1989 ihre Ansprüche aus dem Garantieschreiben der beklagten Partei Nr 112-7029 vom 10.Dezember 1985 im Betrag von 42,960.000 S mit einer Gültigkeit bis 31.Dezember 1990 zur Sicherstellung eingeräumter Kredite von 17,000.000 S an die klagende Partei. Am 23.Oktober 1990 unterfertigten V*****trans und die I***** KG ein Protokoll zur Bestandaufnahme der gegenseitigen Verpflichtungen und Forderungen, worin V*****trans unbezahlte "Pachtgelder für Fahrzeuge" in Höhe von 21,480.000 S und weitere unbezahlte Rechnungen im Gesamtbetrag von 9,516.497,65 S eingestand. Noch mit Schreiben vom selben Tag forderte die I***** KG die beklagte Partei auf, den Rückstand aus nicht bezahlten Monatsmieten für die 40 Lkw von 21,480.000 S im DM-Gegenwert von 3,068.572 DM bis 6.November 1990 aus dem Garantievertrag abzudecken und schloß eine von V*****trans bestätigte Rückstandsaufstellung, eine Bankbestätigung und eine Aufstellung über die Monatsabrechnungen bei.

Die klagende Partei teilte der beklagten Partei mit Schreiben vom 25. Oktober 1990 mit, daß die I***** KG ihr sämtliche Rechte und Ansprüche aus ihrer Garantieerklärung vom 10.Dezember 1985 abgetreten habe, erklärte sich als Zessionar mit der Inanspruchnahme dieser Garantie durch die I***** KG gemäß Schreiben vom 23.Oktober 1990 einverstanden; Zahlungen mit entlastender Wirkung könnten jedoch nur auf Konto Nr .... der I***** KG bei der klagenden Partei geleistet werden. Die Zahlungsaufforderung wiederholte die klagende Partei mit Schreiben vom 6. und 8.November 1990. Die beklagte Partei sicherte der klagenden Partei mit Telegramm vom 9.November 1990 die Zahlung zu, wenn der Garantiebegünstigte ein von V*****trans unterzeichnetes Garantieprotokoll präsentierte. Dementsprechend übermittelte die I***** KG der beklagten Partei mit Schreiben vom 13.November 1990 das Protokoll vom 23.Oktober 1990. Die klagende Partei ersuchte die beklagte Partei mit Schreiben vom 15.November 1990 unter Verweis, daß alle Voraussetzungen für die Einlösung der Garantie nun gegeben seien, um umgehende Überweisung des ausstehenden Betrages von 21,480.000 S und urgierte die Zahlung nochmals mit Schreiben vom 23. November 1990.

Die I***** GmbH brachte am 21.Dezember 1990 beim Außenhandelsschiedsgericht der Wirtschaftskammer Jugoslawiens in Belgrad zu AZ T-311/90 gegen V*****trans und die beklagte (dort zweitbeklagte) Partei eine Klage über 21,480.000 S ein, und zwar im wesentlichen mit dem Vorbringen, den Anspruch gegenüber V*****trans auf den Vertrag Nr 933 vom 9.Jänner 1985 und den Annex Nr 5 Art V und gegenüber der beklagten Partei auf die Bankgarantie zu stützen. Da V*****trans ihre Schulden nicht bezahlt habe, habe sich "der Kläger" an die (hier) beklagte Partei gewandt, die für die nicht beglichenen Schulden zu garantieren habe. Die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei habe nämlich die Garantie gegenüber "dem Kläger" abgegeben. Die Garantiesumme von 21,480.000 S betreffe die von V*****trans nicht eingehaltene Verpflichtung zur Zahlung der Monatsmieten laut Verrechnungsprotokoll vom 23.Oktober 1990 und Annex Nr 5 des Vertrages zwischen den beiden Seiten. Dieses Protokoll vom 23. Oktober 1990 sei von den Bevollmächtigten der V*****trans unterzeichnet worden. Die (dort) beklagten Parteien hätten ihre Verpflichtungen auch nie bestritten. Im schiedsgerichtlichen Verfahren bestritt die (hier) beklagte Partei in ihrem vorbereitenden Schriftsatz vom 21.Februar 1991 lediglich die Aktivlegitimation der I***** GmbH, weil diese am 23.Oktober 1990 ihre Ansprüche aus der Garantie an die klagende Partei zediert habe. Die I***** GmbH erwiderte am 20.März 1991, daß eine Rückabtretung stattgefunden habe. In ihrer "Klageerwiderungsschrift" vom 25.Februar 1991 bekämpfen im schiedsgerichtlichen Verfahren V*****trans und die (hier) beklagte Partei schließlich den Anspruch der I***** GmbH mit der Behauptung, den Verpflichtungen gegenüber "dem Kläger" nachgekommen zu sein. Im übrigen hätten unbefugte Personen auf Seiten von V*****trans das Protokoll vom 23.Oktober 1990 unterfertigt. Die I***** GmbH zog ihre schiedsgerichtliche Klage nicht zurück.

Die klagende Partei begehrt aus dem Garantievertrag von der beklagten Partei 21,480.000 S sA mit dem Vorbringen, per Ende September 1990 hafteten Monatsmieten in Höhe des Klagsbetrages aus; der Garantiefall sei eingetreten.

Die beklagte Partei wendet ua das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit ein, weil die Garantie der beklagten Partei auf den Mietvertrag zwischen I***** und V*****trans verweise und nach dessen Annex die Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes vereinbart worden sei. Die I***** hätte deshalb gegen V*****trans und die beklagte Partei beim Schiedsgericht am 21.Dezember 1990 Klage erhoben. Ein allfälliger Schiedspruch sei auch in Österreich vollstreckbar.

Das Erstgericht bejahte in den Gründen seiner Entscheidung die inländische Gerichtsbarkeit, den (Vermögens)Gerichtsstand der beklagten Partei und seine sachliche Zuständigkeit ungeachtet der Schiedsgerichtsvereinbarung mangels Erhebung der Einrede in der Klagebeantwortung, wies jedoch die Klage wegen Streitanhängigkeit zurück, weil die gültige Schiedsgerichtsvereinbarung auch die Rechtsnachfolger der Vertragsparteien binde. Das Ergebnis des in Jugoslawien durchgeführten Schiedsverfahrens sei in Österreich vollstreckbar. Identität des Anspruches und des Rechtsgrundes sei ebenso gegeben wie Identität der Parteien. Es bestünde zwischen den Parteien Einigkeit darüber, daß die I***** KG und nicht die I***** GmbH Vertragspartnerin der V*****trans sei; es liege somit eine unrichtige "Firmenbezeichnung" vor. An der Identität der richtigen Parteien bestehe für alle Beteiligten kein Zweifel, zumal die im Schiedsverfahren klagende I***** GmbH für sich Willensentscheidungen reklamiere, die eindeutig und durch Urkunden belegt der I***** KG zuzuschreiben seien. Die irrtümliche Falschbezeichnung der klagenden Partei im schiedsgerichtlichen Verfahren wäre somit als für beide Seiten offen daliegend jederzeit korrigierbar, weil das Klagsvorbringen im Schiedsverfahren genügend Differenzierungsmöglichkeiten biete, welche der beiden Rechtspersönlichkeiten ähnlicher Bezeichnung nun tatsächlich als klagende Partei auftrete; in diesem Fall sei eine Berichtigung selbst dann zulässig, wenn die ursprüngliche Bezeichnung für sich allein betrachtet ein anderes Rechtssubjekt bezeichnet hätte.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstrichters im wesentlichen aus dessen Gründen. Die beklagte Partei habe durch ihre Erklärung, alle von V*****trans ungezahlten Mieten gemäß Vertrag und Annexen zum Vertrag selbst zu bezahlen, auch die zwischen I***** KG und V*****trans vereinbarte Schiedklausel für sich übernommen. Die Vollstreckbarkeit eines Schiedsspruches des Schiedsgerichtes sei gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Der von der zweiten Instanz zugelassene Revisionsrekurs der klagenden Partei ist berechtigt.

Gemäß § 233 Abs 1 ZPO hat die Streitanhängigkeit die Wirkung, daß während ihrer Dauer über den geltend gemachten Anspruch weder bei demselben noch bei einem anderen Gerichte ein Rechtsstreit durchgeführt werden darf. Eine während der Streitanhängigkeit wegen des nämlichen Anspruches angebrachte Klage ist auf Antrag - wie hier - oder von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens (§ 240 Abs 3 ZPO) zurückzuweisen. Die Frage, ob auch ein im Ausland abgeführtes schiedsgerichtliches Verfahren, dessen Entscheidung in Österreich vollstreckbar ist, Streitanhängigkeit begründet, kann hier ebenso auf sich beruhen wie die nach der Nämlichkeit des Streitgegenstandes. Denn für die nach österreichischem Prozeßrecht zu beurteilende Streitanhängigkeit ist auch erforderlich, daß sich im früheren und im späteren Rechtsstreit dieselben Parteien, wenn auch nicht notwendig in derselben Parteirolle, oder auch ihre Einzelrechtsnachfolger (SZ 54/59; Fasching III 90 und Lehrbuch2 Rz 1186 mwN) wie hier die klagende Partei als Zessionarin der aus dem Garantieschreiben der beklagten Partei Nr 112-7029 vom 10.Dezember 1985 allein anspruchsberechtigten I***** KG gegenüberstehen. Das trifft im Verhältnis von Rechtsstreitigkeiten gegen eine offene Handelsgesellschaft und gegen ihren Gesellschafter nicht zu; trotz des Rechtsstreites mit der offenen Handelsgesellschaft kann daher derselbe Anspruch gegen einen oder mehrere ihrer Gesellschafter geltend gemacht werden (GesRZ 1975, 30). Gleiches hat zu gelten, wenn eine Kommanditgesellschaft, die nach §§ 124 Abs 1, 161 Abs 2 HGB vor Gericht klagen und geklagt werden kann und parteifähig ist, und ihre Komplementärin andererseits in zwei gerichtlichen (oder wie hier einem gerichtlichen und einem schiedsgerichtlichen) Verfahren als Parteien, und sei es auch in der Klägerrolle iS des formellen Parteibegriffes, auftreten. I***** GmbH und I***** KG sind zwei verschiedene Rechtssubjekte, sodaß der Hinweis der Vorinstanzen auf eine mögliche und unzutreffend nur auf hier nicht anzuwendendes österr. Prozeßrecht abstellende Berichtigung der Parteienbezeichnung im schiedsgerichtlichen Verfahren fehlgeht. Für den österreichischen Rechtsbereich wurde die Richtigstellung der Parteibezeichnung zugelassen von einer Scheingesellschaft auf die für sie Handelnden (SZ 53/64), von einer offenen Handelsgesellschaft auf den Gesellschafter, der sie mit allen Aktiven und Passiven übernommen hat (EvBl 1965, 288), oder von einer nicht mehr existierenden GmbH & Co KG auf deren ehemalige Komplementärin (GesRZ 1985, 196). Die in der Revisionsrekursbeantwortung vertretene Auffassung, die I***** GmbH mache im schiedsgerichtlichen Verfahren materiell einen Anspruch der Gesellschaft (I***** KG) geltend, übersieht, daß es bei Beurteilung der Streitanhängigkeit auf den formellen Parteibegriff und nicht auf die materielle Berechtigung oder Verpflichtung ankommt (Fasching Lehrbuch2 Rz 338, 1186). Die für die negative Prozeßvoraussetzung der Streitanhängigkeit erforderliche Identität der Parteien ist hier nicht gegeben. In Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen ist die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Streitanhängigkeit zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Da das Erstgericht die Verhandlung erst nach der Tagsatzung vom 20.Juni 1991 auch auf die Frage der Streitanhängigkeit einschränkte (ON 4 AS 28), gehören zu den Kosten des für die klagende Partei erfolgreichen Zwischenstreites neben dem Rechtsmittelverfahren, wobei das Gericht an den zu geringen Ansatz der klagenden Partei für ihren Rekurs ON 7 gebunden ist, nur die Kosten der Rechtshilfetagsatzung vor dem Bezirksgericht Wels vom 4.September 1991.

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