European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:E30531
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alexander R* von der Anklage
I. der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB, begangen Ende Juli 1990 in Salzburg an den Prostituierten Herta K* und Brigitte G*, mangels Nachweises der Äußerung von Drohungen durch den Angeklagten und
II. der vorsätzlichen schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB, begangen an der genannten Brigitte G* am 23. August 1990, infolge ebenfalls im Zweifel angenommener gerechtfertigter Notwehr gegen deren Messerangriff
freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Der Freispruch wird von der Anklagebehörde mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.
Entgegen den Ausführungen zur Mängelrüge (Z 5) liegt in Ansehung des Freispruches vom Erpressungsvorwurf keine unvollständige oder in sich widersprüchliche Begründung der Tatsachenfeststellungen vor. Vielmehr ist dem angefochtenen Urteil eindeutig zu entnehmen, daß das Erstgericht (im Zweifel) angenommen hat, die in der Anklage als Begehungsmittel der angeklagten mehrfachen Erpressungen angeführten Drohungen seien überhaupt nicht gefallen (S 4 und 7 der Urteilsausfertigung).
Hiezu kann auch aus der (überflüssigen) teilweisen Wiedergabe des Inhaltes der Zeugenaussage der Herta K* (S 5 f der Urteilsausfertigung) ein Widerspruch nicht abgeleitet werden; hat doch das Erstgericht lediglich zum Ausdruck gebracht, daß diese (für unglaubwürdig erachtete) Zeugin selbst die von ihr behaupteten Äußerungen nicht ernstgenommen habe. Daß es aber tatsächlich zu solchen Äußerungen gekommen ist, wurde nicht festgestellt.
Dem Beschwerdevorbringen zuwider hat sich das Schöffengericht auch mit dem wesentlichen Inhalt des Gutachtens des medizinischen Sachverständigen Univ.‑Prof. Dr. S* ausreichend auseinandergesetzt und (nur) die Möglichkeit einer Verletzung des Angeklagten am linken Oberarm durch ein von Brigitte G* geführtes Messer aus der in der Hauptverhandlung erstatteten mündlichen Erläuterung (S 23 ff iVm S 79/II) des schriftlichen Sachverständigengutachtens (ON 50) abgeleitet. Dabei übernahm es ohnedies die Feststellung des Gutachtens, daß der Stoffriß am linken Ärmel des vom Angeklagten getragenen Hemdes mit der ärztlich festgestellten Narbe am linken Oberarm des Angeklagten nicht in Übereinstimmung zu bringen ist, leitete die Tatsache der Stichverletzung am Oberarm aber aus den Aussagen des Zeugen Stefan N* vor dem Untersuchungsrichter (ON 24) und in der Hauptverhandlung am 3. Jänner 1991 (S 230/I iVm S 79/II) sowie des Zeugen Alois L* in der Hauptverhandlung vom 16.Mai 1991 (S 7 ff iVm S 79/II) und der Auskunftsperson Walter S* bei der polizeilichen Einvernahme (S 105 ff/I iVm S 79/II) ab. Aus der Unterlassung einer (mangels näheren Hinweises auch kaum möglichen) Erörterung von Zeitpunkt und Ursache der Hemdbeschädigung kann ein Begründungsmangel hingegen nicht abgeleitet werden. Unwesentlich und damit entbehrlich war auch ein Eingehen darauf, daß nach dem vorgenannten medizinischen Sachverständigengutachten eine vom Polizeiamtsarzt am 24. August 1990 festgestellte Verletzung an der Außenseite des linken Oberschenkels des Angeklagten (S 109/I) keine tiefgreifende, mit einer Narbenbildung abheilende Verletzung, sondern nur eine Kratzwunde gewesen sein konnte (S 24 f/II), weil auch eine derartige Verletzung mit einem Messer durch eine Stoffhose hindurch möglich ist.
Unzutreffend ist auch der Beschwerdeeinwand, das Urteil sei deshalb "widersprüchlich", weil das Erstgericht die Tatsache der (die Notwehr rechtfertigenden) Messerattacke der Brigitte G* zwar unter anderem auf die Angaben des Stefan N* stütze (S 8 der Urteilsausfertigung), diesem Zeugen aber im übrigen die Glaubwürdigkeit (zu ergänzen: insofern, als auf seine belastenden Angaben vor der Polizei, S 35 ff/I, ein Schuldspruch nicht gegründet werden konnte) abspreche. Es widerspricht nämlich weder den Denkgesetzen noch stellt es sonst einen formellen Begründungsmangel dar, wenn eine Aussage nur teilweise für richtig angesehen wird.
In diesem Sinne ebenfalls keineswegs ausgeschlossen und damit auch nicht unzureichend begründet ist die Annahme des Erstgerichtes, daß ein gegen die Hand der am Boden liegenden Brigitte G* geführter Tritt deren Gesicht traf, weil ‑ gerade bei ihrem (nach den Tatumständen anzunehmenden) Versuch, aufzustehen, nachdem sie niedergeschlagen worden war ‑ deren Hände sich eher im Gesichts‑, als im Oberschenkel‑ bzw. Bauchbereich befunden haben werden.
Eine nähere Erörterung der Zeugenaussage des Mario S* (S 18 ff iVm S 79/II) war nicht erforderlich, weil dahingestellt bleiben kann, ob Brigitte G* bereits am Boden liegend durch den gegen die messerführende Hand gezielten, aber ihren Kopf treffenden Fußtritt das Messer verlor (was, den Beschwerdebehauptungen zuwider, den bezüglichen Urteilsfeststellungen im übrigen gar nicht entnommen werden kann) oder ob ihr, wie dies Mario S* behauptet, das Messer entwunden werden mußte, weil in beiden Fällen eine Notwehrlage gegeben war und der Zeuge zudem die Möglichkeit einräumte, nicht alle Phasen der tätlichen Auseinandersetzung wahrgenommen zu haben.
Nicht entscheidungswesentlich ist schließlich auch die vom Erstgericht nicht getroffene Feststellung, welcher oder welchen der mehrfachen Angriffshandlungen des Angeklagten die Verletzungen der Brigitte G* zuzuordnen waren, weil bei sämtlichen Angriffen des Angeklagten, wie zur Rechtsrüge noch ausgeführt werden wird, der mit einem Messer geführte Angriff der Brigitte G* noch gegenwärtig war.
Auch Feststellungsmängel zum Vorliegen einer Notwehrlage seitens des Angeklagten, wie sie in der Rechtsrüge (Z 9 lit b) behauptet werden, liegen nicht vor. Der Angeklagte hat nach den Urteilsannahmen Brigitte G*, die zweimal mit einem Messer auf ihn einstach, jeweils ins Gesicht geschlagen, um ihren Angriff abzuwehren, wobei sie beim zweiten Angriff zu Boden fiel. Den Urteilskonstatierungen ist jedenfalls zu entnehmen, daß Brigitte G* danach weiter das Messer mit der Hand führte (S 7 der Urteilsausfertigung). Damit hatte Brigitte G*, obwohl sie niedergeschlagen worden war, den Angriff weder aufgegeben, noch war der Angriff endgültig bezwungen worden oder sonst mißlungen. Solange ein Angriff aber fortdauert, ohne abgeschlossen zu sein, ist er noch gegenwärtig (Leukauf‑Steininger 3, RN 71 a zu § 3 StGB).
Nach zweimaligen Messerattacken gegen den Körper des Angegriffenen ist ein Angriff jedenfalls auch dann noch nicht abgeschlossen, wenn der Angreifer zwar zu Boden geschlagen wurde, aber weiter angriffsfähig ist und auch nicht als Zeichen der Beendigung seines Angriffes beispielsweise sich des Messers entledigt. Konkrete Feststellungen darüber, ob und bejahendenfalls welche neuerlichen Angriffshandlungen Brigitte G*, nachdem sie niedergeschlagen worden war, versucht habe, waren somit nicht erforderlich. Die getroffenen Feststellungen reichen für die erforderliche rechtliche Beurteilung aus.
Schließlich stellt das bloße Fehlen von Rechtsausführungen überhaupt keinen Nichtigkeitsgrund dar (SSt. 20/70 ua).
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher nach Anhörung der Generalprokurtur schon in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 285 d Abs 1 StPO, teils aus dem Grunde der Z 1 iVm § 285 a StPO, teils aus dem Grunde der Z 2 zurückzuweisen.
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