OGH 5Ob1554/92

OGH5Ob1554/9222.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Waltraud S*****, ***** L*****, N***** 15, vertreten durch Dr.Tassilo Neuwirth, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mag.Johannes S*****, Vermögensberater, ***** L*****, R*****straße 61, vertreten durch Dr.Otto Schubert sen. und Dr.Otto Schubert jun., Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterhalts (Streitwert S 506.100 s.A.) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Berufungsgerichtes vom 12. November 1991, GZ 5 R 273/91-19, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

An sich trifft es zu, daß noch keine gefestigte höchstgerichtliche Judikatur zu den unterhaltsrechtlichen Konsequenzen eines Auslandsstudiums vorliegt. Daß die Wahl eines ausländischen Studienortes für sich allein kein Grund ist, einem Maturanten aus vermögendem Elternhaus die gesetzlichen Unterhaltsansprüche streitig zu machen, läßt sich jedoch schon aus der vorhandenen Judikatur völlig eindeutig herauslesen (EFSlg 56.559) und wird offensichtlich auch vom Revisionswerber gar nicht in Frage gestellt. Damit reduzieren sich die Streitpunkte auf Rechtsfragen, die nur mehr für den konkreten Fall von Bedeutung sind. Von der aufgeworfenen Frage, ob es denn wirklich Rechtens sei, daß die Wahl eines ausländischen Studienortes ohne jeden Einfluß auf die Unterhaltspflicht ist, hängt die Entscheidung des Rechtsstreites in Wahrheit gar nicht ab.

Es entspricht der ständigen Judikatur, daß ein den Lebensverhältnissen der Eltern sowie den Anlagen und Fähigkeiten des Kindes entsprechendes Studium den Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit hinausschiebt. Die Unterhaltspflicht der Eltern bleibt also bestehen, wenn das Kind ein seinen Fähigkeiten entsprechendes Studium aufnimmt, dieses Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt und den Eltern bzw. dem geldunterhaltspflichtigen Elternteil nach ihren (seinen) Einkommens- und Vermögensverhältnissen eine Beteiligung an den Kosten des Studiums möglich und zumutbar ist (SZ 51/90 u.a.; vgl. zuletzt 3 Ob 4-8/92). Eine weitere Voraussetzung des Fortbestehens der Unterhaltspflicht wird darin erblickt, daß die Weiterbildung verwertbar ist, also eine Berufsqualifikation verspricht, die der Selbstverwirklichung des Kindes und der Schaffung einer soliden Existenzgrundlage dient (vgl. Eypeltauer, Die Kriterien zur Bestimmung der dem Kind zustehenden Ausbildung, ÖA 1988, 91 mit dem Hinweis auf EFSlg.45.661 auf S.97; in diesem Sinn auch 3 Ob 4-8/92). Alle diese Kriterien können grundsätzlich auch auf ein Auslandsstudium zutreffen. Der von den Vorinstanzen keineswegs in Abrede gestellte Einfluß der Wahl eines ausländischen Studienortes auf die Unterhaltspflicht der Eltern reduziert sich also auf die Fragen, ob die Eltern für die Mehrkosten eines Auslandsstudiums aufkommen müssen, ob im Ausland eine den Anlagen, Fähigkeiten und Neigungen des Kindes entsprechende Berufsausbildung gewährleistet ist, die auch verwertet werden kann, und ob die äußeren Bedingungen für ein ernsthaftes und zielstrebiges Studium bestehen.

Die einzige Frage, deren Beantwortung nicht von den Besonderheiten des konkreten Falls abhängt und deshalb von erheblicher Bedeutung für die Rechtsentwicklung wäre, ist jene der Mehrkosten des Auslandsstudiums. Gerade sie interessiert jedoch den Revisionswerber nicht, weil es ihm - wegen seiner guten finanziellen Position - nicht um diese Mehrkosten geht (S.5 der Revisionsschrift). Er argumentiert mit Befürchtungen einer längeren Studiendauer, mit einer trotz fortschreitender europäischer Integration nicht gewährleisteten Anerkennung des ausländischen Diploms im Inland vor allem damit, daß die Zielstrebigkeit des Studiums seiner Tochter nicht ausreichend verläßlich beurteilt werden könne.

Alle diese Fragen lassen einen Beurteilungsspielraum, der vom Berufungsgericht nicht überschritten wurde und vom Obersten Gerichtshof bei der Behandlung eines außerordentlichen Rechtsmittels daher auch nicht überprüfbar ist. Die Klägerin hat nämlich ein Studium (Betriebswirtschaftlehre) und einen Studienort (die Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt) gewählt, die in keinem der angesprochenen Streitpunkte zu Bedenken Anlaß geben. Der Revisionswerber sagt selbst, daß die Universität Frankfurt den österreichischen Universitäten (die dieselbe Studienrichtung anbieten) sicherlich gleichzustellen ist. Allfällige Schwierigkeiten bei der Anerkennung des ausländischen Diploms im Inland werden vordergründig (so lange also keine konkreten Bedenken geltend gemacht werden) dadurch aufgewogen, daß gerade im Fach Betriebswirtschaftslehre, das Berufschancen in der freien Wirtschaft eröffnet, das an einer renommierten Universität erworbene Diplom zählt und Auslandserfahrung von großem Nutzen sein kann. Es sind auch keine plausiblen Gründe zu finden, warum der Studienort an sich (und nur um den geht es) einem zielstrebigen Studium der Klägerin hinderlich sein sollte. Die vermeintlich schlechteren Kontrollmöglichkeiten lassen sich - wenn nötig - durch keineswegs unzumutbare Beweisaufnahmen (allenfalls durch Sachverständige) ausgleichen und können im jetzigen Stadium gar nicht ausschlaggebend sein, weil die Anfangsphase eines Studiums auch im Inland schwer kontrollierbar ist. Die Judikatur trägt dem Rechnung, indem sie keine allzu strengen Anforderungen an den Nachweis des Studienerfolgs in den ersten Semestern der Eingewöhnung und Erprobung stellt (vgl. 3 Ob 4-8/92).

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