Spruch:
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde wird verweigert.
Text
Gründe:
Gottfried M***** meldete in der Hauptverhandlung am 20.Dezember 1991 unmittelbar nach Verkündung des Urteils, mit dem er wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB und des Vergehens der Amtsanmaßung nach § 314 erster Fall StGB schuldig erkannt wurde, mündlich die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung an (S 210).
Nach zwei erfolglosen Zustellversuchen an die bevollmächtigte (ON 6) Verteidigerin am 9. und 10.März 1992 wurde die Urteilsausfertigung am 10. März 1992 beim Postamt 2230 Gänserndorf hinterlegt.
Mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 11.Juni 1992, GZ 12 Os 65/92-6, wurde die Nichtigkeitsbeschwerde, deren Ausführung verspätet am 25.März 1992 zur Post gegeben wurde, zurückgewiesen.
Mit undatiertem, am 9.Juli 1992 zur Post gegebenem Schriftsatz beantragte die Verteidigerin - unter gleichzeitiger Verweisung auf die Ausführung der zurückgewiesenen Nichtigkeitsbeschwerde - die Erteilung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der vierzehntägigen Rechtsmittel- (Ausführungs-)Frist. Der Antrag wurde im wesentlichen damit begründet, daß die von der Verteidigerin persönlich vorgenommene unrichtige Vormerkung des Ablaufes der Rechtsmittelfrist im Fristenbuch nur darauf zurückzuführen sei, daß die verläßliche Kanzleiangestellte Helga Z***** dem ihr erteilten Auftrag, bei postamtlich hinterlegten Sendungen als Datum des Einlangens den ersten Tag "der Hinterlegung" auf das Schriftstück zu setzen, hier nicht entsprach und die Urteilsausfertigung, wie im Falle einer postalisch zugestellten Sendung, mit dem Datumstempel 11. März 1992 versah.
Rechtliche Beurteilung
Das Wiedereinsetzungsbegehren ist nicht gerechtfertigt.
Gemäß dem § 364 Abs. 1 StPO hat die Bewilligung des vorliegenden Antrages unter anderem zur Voraussetzung, daß es dem Angeklagten durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Verteidigers Verschulden unmöglich gemacht wurde, die (versäumte) Frist einzuhalten. Davon kann aber nach den Umständen dieses Falles nicht gesprochen werden.
Auf Grund des Antragsvorbringens steht nämlich fest, daß sich die von der Verteidigerin regelmäßig persönlich vorgenommenen Vormerkungen der Rechtsmittelfristen ausschließlich am jeweiligen, von der Kanzleiangestellten - ohne Differenzierung nach der Art der Zustellung - als Tag des Einlangens vermerkten Datum orientierten, ohne daß bei Zustellung durch Hinterlegung - der Bestimmung des § 17 Abs. 3 ZustellG Rechnung tragend - durch entsprechende Anordnung der Verteidigerin vorgesorgt würde, daß in diesem Fall von der Kanzleiangestellten als Einlaufsdatum der modifiziert zu berechnende Beginn der Rechtsmittelfrist aufscheint.
Diese mangelhafte Organisation des Fristenvormerkes, die eine verläßliche Überprüfung von Rechtsmittelfristen partiell unmöglich macht und die Möglichkeit von Versehen der verfahrensgegenständlichen Art geradezu fördert, ist - schon in Anbetracht der unter Umständen schwerwiegenden Folgen verspäteter Rechtsmittelausführungen - als Vernachlässigung der pflichtgemäßen Sorgfalt und damit als Mitverschulden der Verteidigerin an der Fristversäumung zu beurteilen. Dafür hat aber der Angeklagte kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung einzustehen.
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