Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 7 (sieben) Jahre herabgesetzt wird.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 20.November 1918 geborene Dimitre T***** wurde auf Grund des (anklagekonformen) Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 19.August 1991 in St.Andrä am Zicksee versucht, nachgenannte Personen durch Abgabe von insgesamt acht gezielten Schüssen gegen jeweils Kopf und Oberkörper aus nächster Nähe mit einem Kleinkalibergewehr Marke "Marocchi-Explorer", Kaliber 22 l.r., vorsätzlich zu töten, indem er
(1.) einen Schuß aus drei Meter Entfernung gegen Alexandre B***** abgab, wobei das Projektil zunächst die Windschutzscheibe des Lastkraftwagens des Vesselin N*****, Kennzeichen BN 399 S, durchschlug und sodann eine Streifschußverletzung am rechten Oberarm des Erstgenannten verursachte;
(2.) einen Schuß aus drei Meter Entfernung gegen Dimitre P***** abgab, wobei das Projektil zunächst die Scheibe der Beifahrertür des bezeichneten Lastkraftwagens durchschlug und sodann in der Nackenmuskulatur des Genannten steckenblieb;
(3.) sechs Schüsse aus geringer Entfernung gegen Vessin (richtig: Vesselin) N***** abgab, wobei das erste Projektil die Scheibe der Fahrertür des bezeichneten Lastkraftwagens durchschlug und im Rücken des Genannten steckenblieb, das zweite Projektil einen Durchschuß in dessen linker Achselfaltenregion verursachte, das dritte einen Durchschuß in der linken Achselfaltenregion verursachte (richtig: einen Durchschuß des linken Oberarmes bewirkte) und das vierte, fünfte und sechste Geschoß die linke Tür des Lastkraftwagens durchschlugen und Steckschußverletzungen im Bereich der rechten Brusthöhle mit Streifung des oberen Leberrandes, des Oberbauches und des rechten Unterbauches des Genannten verursachten.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft seinen Schuldspruch mit einer auf § 345 Abs. 1 Z 6, 8, 9 und 10 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, überdies den Strafausspruch mit Berufung.
Entgegen der Auffassung des Nichtigkeitswerbers stellt der Umstand, daß den Geschwornen neben den Hauptfragen zum Tatbestand des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB Eventual- und nicht ("uneigentliche") Zusatzfragen zum Tatbestand des versuchten Totschlags nach §§ 15, 76 StGB vorgelegt wurden, keinen Nichtigkeit begründenden Verstoß gegen die Bestimmung des § 316 StPO dar (Z 6).
§ 76 StGB regelt zwar eine begünstigte Form der an sich nach § 75 StGB strafbaren vorsätzlichen Tötung eines Menschen, aber nicht etwa im Rahmen einer gemilderten Strafbestimmung des § 75 StGB, sondern als eigenes Tatbild. Somit kann nicht davon gesprochen werden, daß im § 76 StGB nur ein namentlich angeführter Milderungsgrund (nämlich die allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung( enthalten wäre, der für das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB die Anwendung eines anderen Strafsatzes (jenes des § 76 StGB) bedingen würde. Dem eigenständigen Tatbestand des Totschlags wurde gemäß § 314 Abs. 1 StPO vorliegendenfalls durch Stellung entsprechender Eventualfragen rechtsrichtig Rechnung getragen (Mayerhofer-Rieder3 EGr 10 zu § 314 StPO).
Der zu § 345 Abs. 1 Z 8 StPO vertretenen Beschwerdeauffassung zuwider enthält die Rechtsbelehrung keine Ausführungen, wonach bei Annahme eines Tötungsvorsatzes die Frage, ob dieser in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung gefaßt worden sei, nicht mehr beantwortet werden könne. Sie enthält vielmehr unter Anführung der Privilegierungskriterien des § 76 StGB den jedwede Beirrung der Geschwornen ausschließenden Hinweis, daß Totschlag - wie Mord - eine vorsätzliche Tötungshandlung voraussetzt. Die Instruktionsrüge erweist sich somit als nicht zielführend.
Auch die aus der Z 9 des § 345 Abs. 1 StPO (subsidiär) geltend gemachte Unvollständigkeit des Wahrspruchs liegt nicht vor, weil die Geschwornen nach Bejahung der zum Verbrechen des versuchten Mordes gestellten Hauptfragen die ihnen zum Verbrechen des versuchten Totschlags vorgelegten Eventualfragen nicht mehr zu beantworten hatten.
Der Tatsachenrüge (Z 10 a), mit der sich der Angeklagte unter Wiederholung und Interpretierung seiner bisherigen Verantwortung gegen die Annahme des Tötungsvorsatzes wendet, genügt es zusammenfassend zu erwidern, daß die darin ins Treffen geführten Argumente - soweit sie sich nicht überhaupt bloß in unzulässiger Weise gegen die gemäß Art. 91 Abs. 2 B-VG ausschließlich den Geschwornen zugewiesene Beweiswürdigung zur Schuldfrage wenden - weder einzeln noch im Zusammenhalt geeignet waren, Bedenken, geschweige denn solche erheblicher Qualität, gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen zu den Hauptfragen 1 bis 3 festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken, zumal allein schon die Anzahl der vom Beschwerdeführer aus kurzer Distanz abgefeuerten Schüsse nach den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung die Annahme eines Tötungsvorsatzes zu tragen vermag.
Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 75 StGB unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung des § 41 (Abs. 1 Z 1) StGB eine Freiheitsstrafe von acht Jahren. Dabei wertete es sein reumütiges Geständnis, seinen bisher ordentlichen Lebenswandel und den Umstand, daß die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht, sein hohes Alter, die Provokation durch die Verletzten sowie den Umstand, daß es beim Versuch blieb, als mildernd, als erschwerend hingegen, daß sich die Tathandlungen gegen mehrere Personen richteten.
Die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Reduzierung der Freiheitsstrafe anstrebt, ist begründet. Das Erstgericht hat zwar die Strafzumessungsgründe vollständig erfaßt, aber den Milderungsgründen bei der Gewichtung des Tatunrechts sowie der Täterpersönlichkeit nicht ausreichend Rechnung getragen.
Unter Berücksichtigung der tatauslösenden Beweggründe (massive Provokation durch die Verletzten) und des fortgeschrittenen Alters des Angeklagten, das eine Bezugnahme bei der Festsetzung der Strafhöhe zur naturgemäß reduzierten Lebenserwartung nahelegt, erweist sich eine mäßige, indes auch an dieser Lebensexspektanz zu messende und daher nicht gering zu achtende Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe um ein Jahr als angebracht.
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