OGH 12Os90/92

OGH12Os90/9217.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.September 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak, Dr.Rzeszut, Dr.Markel und Dr.Schindler als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Held als Schriftführer in der Strafsache gegen Manfred M***** und andere wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1, Abs. 2 erster Deliktsfall und Abs. 3 Z 3 SuchtgiftG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Otto N***** sowie über die Berufung des Angeklagten Manfred M***** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wr.Neustadt als Schöffengericht vom 15.April 1992, GZ 12 b Vr 1096/91-110, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Otto N***** wird zurückgewiesen.

2. Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, auch die Angeklagte Dagmar P***** habe die ihr zu AA/A/I/3 angelastete Tat mit Beziehung auf Suchtgifte begangen, deren Menge zumindest das Fünfundzwangzigfache der in § 12 Abs. 1 SuchtgiftG angeführten Menge ausmacht, in der Unterstellung der Urteilstat AA/A/I/4 (richtig: AA/A/I/3) auch in Ansehung dieser Angeklagten unter die Qualifikation nach § 12 Abs. 3 Z 3 SuchtgiftG sowie in dem die Angeklagte Dagmar P***** betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

3. Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Otto N***** und Manfred M***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

4. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Otto N***** die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 23.Februar 1968 geborene Otto N***** wurde neben weiteren Angeklagten unter anderem des Verbrechens nach § 12 Abs. 1, Abs. 2, erster Deliktsfall und Abs. 3 Z 3 SuchtgiftG schuldig erkannt, weil er - zusammengefaßt wiedergegeben - gewerbsmäßig in mehreren Angriffen zwischen März 1991 und Mitte August 1991 insgesamt 590 Gramm Kokain und 190 Gramm Heroin aus den Niederlanden aus- und über die Bundesrepublik Deutschland nach Österreich eingeführt sowie in der Zeit von März 1991 bis September 1991 zumindest 70 Gramm Kokain und 20 Gramm Heroin durch Verkauf und Weitergabe an im Urteil näher bezeichnete Personen in Verkehr gesetzt hat, wobei er die Taten mit Beziehung auf Suchtgifte beging, deren Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der im § 12 Abs. 1 SuchtgiftG angeführten Menge ausmachte.

Rechtliche Beurteilung

Die von Otto N***** dagegen aus § 281 Abs. 1 Z 5 und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider ist die tatrichterliche Begründung für die Annahme, der Reinheitsgrad des Suchtgiftes habe jeweils mindestens 30 Prozent betragen, durchaus hinreichend, weil es in der Tat völlig unwahrscheinlich und mit der Lebenserfahrung unvereinbar wäre, daß im Suchtgiftkonsum versierte Personen wie der Beschwerdeführer (und der mitverurteilte Manfred M*****) Suchtgifte (noch) minderer Qualität käuflich erworben hätten. Hinzu tritt, daß der Reinheitsgrad der vom Beschwerdeführer importierten und in Verkehr gesetzten Drogen auf der Basis der konstatierten Rohquantitäten für den anzuwendenden Strafsatz des § 12 Abs. 3 SuchtgiftG erst unterhalb eines Reinheitsgrades von 15 Prozent relevant würde, was bei der gegebenen Sachlage nicht nur wegen der notorischen Marktsituation, sondern vor allem im Hinblick auf die bezahlten und erlösten Preise (Band III S 239 f) mit Sicherheit ausscheidet. Soweit die Beschwerde jedoch die Bedeutsamkeit des Reinheitsgrades für die Strafbemessung reklamiert, wird damit der Sache nach ein (weiterer) Milderungsgrund reklamiert, jedoch weder der angezogene noch ein anderer Nichtigkeitsgrund (Z 11) zur gesetzmäßigen Ausführung gebracht.

Dieser Mangel haftet der Beschwerde auch insoweit an, als sie unter der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO die Subsumtion des festgestellten Verhaltens des Angeklagten N***** unter § 12 Abs. 2 und Abs. 3 SuchtgiftG rügt.

Denn in Ansehung der erstgenannten Qualifikation (§ 12 Abs. 2) übergeht sie mit der Behauptung, die Tat sei ausschließlich deshalb begangen worden, um für den eigenen Gebrauch des Beschwerdeführers Suchtgift oder die Mittel zu dessen Erwerb zu verschaffen, in prozeßordnungswidriger Weise den Umstand, daß nach den Urteilsfeststellungen Import und Verkauf der Drogen von Anfang an der Erzielung eines Gewinnes dienen sollten (Band III S 239) und daß in der Folge der beim Verkauf erzielte Gewinn tatsächlich auch für den Lebensunterhalt verwendet wurde (Band III S 243).

Mit den Ausführungen zu § 12 Abs. 3 SuchtgiftG verläßt die Beschwerde jedoch überhaupt den Boden des gegebenen Sachverhalts, weil sich die Rechtsmittelausführungen inhaltlich auf die Behauptung beschränken, daß vorliegend die Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 der genannten Gesetzesstelle nicht vorlägen; diese Qualifikationen sind aber gar nicht Gegenstand des Schuldspruchs, nach welchem dem Beschwerdeführer lediglich die übergroße Menge nach der Z 3 der genannten Gesetzesstelle zum Vorwurf gemacht wird.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten N***** war mithin teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285 d Abs. 1 Z 1 und 2, 285 a Z 2 StPO).

Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt, daß das Urteil in Ansehung der Angeklagten Dagmar P***** mit einer von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit (Z 10) behaftet ist.

Wird doch auch dieser Angeklagten zur Last gelegt, sie habe die ihr zu AA/A/I/3 angelastete Tat mit Beziehung auf Suchtgifte begangen, deren Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der im § 12 Abs. 1 SuchtgiftG angeführten Menge ausmacht, obwohl die ihr zur Last liegende Rohquantität (ca 150 Gramm Kokain und ca 50 Gramm Heroin) bei dem vom Schöffengericht angenommenen Reinheitsgrad von mindestens 30 Prozent (siehe oben) lediglich zu einem Reinsubstanzanteil von ca 45 Gramm an Kokain und ca 15 Gramm an Heroin führt, welcher Mindestgehalt nur dem Dreifachen einer großen Menge Kokain (EvBl 1988/4) bzw dem Zehnfachen einer großen Menge Heroin (EvBl 1988/3 uva) entspricht.

Das Erstgericht ließ auf Grund seiner rechtlich nicht haltbaren Auffassung, daß bereits bei dem von ihm global angenommenen Mindestreinheitsgehalt die bei der Urteilstat AA/A/I/3 eingeführten Mengen als übergroß zu beurteilen seien, letztlich die Frage offen, ob diese Importmengen allenfalls einen wesentlich höheren Reinheitsgehalt als 30 Prozent aufgewiesen haben könnten. Angesichts der Unterlassung von zur Klärung jener Frage (insbesondere hinsichtlich der konkreten Heroinmengen) dienlichen Beweisaufnahmen im bisherigen Verfahren ist nicht auszuschließen, daß in einem weiteren Rechtsgang ein Reinsubstanzgehalt festgestellt werden könnte, der die importierten ca 150 Gramm Kokain und rund 50 Gramm Heroin als insgesamt übergroße Suchtgiftmenge qualifizieren würde (vgl in diesem Zusammenhang die Angaben des Suchtgiftkonsumenten Wolfgang T*****, Band II S 115, über die sehr gute Qualität des vom Angeklagten M***** erworbenen Kokains, mit welchen die Verantwortung dieses Angeklagten [Band III S 205] insoweit vereinbar ist, als dieser die - immerhin laut Band I S 455 zum "Strecken" des Suchtgifts vor dem Weiterverkauf hinreichende - Qualität nur wegen der Feuchtigkeit der Drogen, nicht aber im Hinblick auf deren Konzentration, als "nicht besonders gut" bezeichnet hat).

Da die aufgezeigten Mängel vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden können, die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung mithin unumgänglich ist, war bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung mit einer Kassierung der betreffenden Qualifikation (und des Strafausspruchs bezüglich der Angeklagten P*****) vorzugehen (§ 285 e StPO).

Über die Berufung des Angeklagten N***** wird infolge der Zurückweisung seiner Nichtigkeitsbeschwerde der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz ebenso abzusprechen haben wie über die Berufung des Angeklagten Manfred M*****, der unter späterer Rückziehung seiner Nichtigkeitsbeschwerde (Band III Seite 293) nur jenes Rechtsmittel (ON 112) ausgeführt hat (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung bezüglich des Angeklagten N***** fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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