OGH 13Os89/92-5

OGH13Os89/92-516.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.September 1992 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Reisenleitner, Dr.Markel und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Schützenhofer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter H***** wegen des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem § 288 Abs. 2 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil und den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10.Mai 1990, GZ 2 a E Vr 11.678/89-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Strafverfahren gegen Peter H*****, AZ 2 a E Vr 11.678/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurde das Gesetz verletzt

1.) durch die Durchführung der Hauptverhandlung ohne Zuziehung eines Verteidigers in der Bestimmung des § 41 Abs. 4 StPO;

2.) durch die Weisung, nach Kräften für die Schadensgutmachung zu sorgen und in Abständen von 3 Monaten dem Gericht hierüber zu berichten, in der Bestimmung des § 51 Abs. 2 StGB.

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10.Mai 1990 (ON 16) und alle darauf beruhenden weiteren Beschlüsse, Anordnungen und Verfügungen, insbesondere auch der Beschluß auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht gemäß dem § 53 Abs. 3 StGB vom 7.Oktober 1991 (ON 27), werden aufgehoben und es wird dem Landesgericht für Strafsachen Wien die Erneuerung des Verfahrens aufgetragen.

Text

Gründe:

I./1./ Im Strafverfahren gegen den am 12.Mai 1954 geborenen Taxilenker Peter H*****, AZ 2 a E Vr 11.678/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, stellte die Staatsanwaltschaft Strafantrag wegen des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem § 288 Abs. 2 StGB (ON 3). Der Einzelrichter schrieb die Hauptverhandlung aus, unterließ es aber, den Beschuldigten zur Namhaftmachung eines Verteidigers aufzufordern (ON 4). Entgegen dem § 41 Abs. 4 StPO wurde die Hauptverhandlung ohne Zuziehung eines Verteidigers durchgeführt (ON 10 und 16).

2./ Mit dem gemäß den §§ 488 Z 7, 458 Abs. 3 StPO in gekürzter Form ausgefertigten Urteil des Einzelrichters vom 10.Mai 1990, ON 16, wurde der Beschuldigte des Verbrechens der falschen Beweisaussage (zu ergänzen: vor Gericht) nach dem § 288 Abs. 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 14.November 1988 in Wien vor dem Exekutionsgericht Wien anläßlich der Ablegung des Offenbarungseides (§ 47 Abs. 2 EO - in der damals geltenden Fassung) zu AZ 2 E Vr 9990/88 durch die eidliche Angabe, keinen PKW zu besitzen, obwohl er noch im Besitz eines PKW's Marke Mercedes 280 SEL, Baujahr 1977 gewesen ist, einen in den Gesetzen vorgesehenen Eid vor Gericht falsch geschworen hat. Er wurde zu fünf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollzug unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit nach dem § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehen wurde. Mit - unbegründet gebliebenem - Beschluß wurde ihm die Weisung erteilt, "nach seinen Kräften für die Schadensgutmachung zu sorgen und in Abständen von drei Monaten dem Gericht darüber Bericht zu erstatten".

Das Urteil erwuchs nach ungenütztem Verstreichen der Anmeldungsfrist mit Ablauf des 14.Mai 1990 (und nicht, wie in der Endverfügung festgehalten, am 10.Mai 1990) in Rechtskraft. Die Weisung wurde in die Urkunde über die bedingte Strafnachsicht aufgenommen (ON 19 und dem Verurteilten zugestellt.

Als die seinerzeitige betreibende Partei dem Gericht mitteilte, es sei der Weisung zur Schadensgutmachung nicht entsprochen worden (ON 20), und auch eine dem Verurteilten erteilte förmliche Mahnung, in er als letzte Frist zur Berichterstattung der 10.April 1991 genannt wurde (ON 21), wirkungslos blieb, lud das Gericht den Verurteilten zur Anhörung vor (S 100). Er leistete aber der ihm zugestellten Ladung nicht Folge. Nach weiteren Erhebungen wurde über Antrag der Staatsanwaltschaft (S 111) mit Beschluß vom 7.Oktober 1991, ON 27, die bedingte Strafnachsicht (ersichtlich gemäß dem § 53 Abs. 3 StGB) widerrufen. Die dagegen verspätet eingelegte Beschwerde des Verurteilten wurde vom Oberlandesgericht Wien zurückgewiesen (ON 30).

Rechtliche Beurteilung

II./1./ Das zitierte Urteil war gemäß den §§ 489 Abs. 1, 468 Abs. 1 Z 3, 281 Abs. 1 Z 1 a StPO nichtig. Dabei handelt es sich zwar um einen formellen und daher an sich nicht von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund, doch kann nach ständiger Rechtsprechung eine Benachteiligung des Beschuldigten durch die zufolge dieser Gesetzesverletzung trotz obligatorischer Verteidigung ohne Anwesenheit eines Verteidigers durchgeführte Hauptverhandlung nicht ausgeschlossen werden. Ein auf solcherart mangelhaftem Verfahren beruhendes Urteil kann daher mit einer Maßnahme nach dem § 292 StPO aufgehoben werden (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 28a-31, 126 zu § 292).

2./ Die mit Beschluß vom 10.Mai 1990 dem Verurteilten erteilte Weisung verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 51 Abs. 2 StGB.

"Weisungen müssen klar und bestimmt sein; nur dann kann ihre Nichtbefolgung den Widerruf der bedingten Nachsicht oder Entlassung begründen" (Leukauf-Steininger, StGB3, RN 8 zu § 51). Ihrem Inhalt nach kann sich die Gutmachung des Schadens nach Kräften nur auf jenen Schaden beziehen, der aus der Tat des Verurteilten entstanden ist (§ 51 Abs. 2 zweiter Satz StGB). Zwar muß Grundlage der Weisung nicht ein Adhäsionserkenntnis nach § 369 StPO sein, es kommt aber ausschließlich der aus der im betreffenden Strafurteil erfaßten Taten entstandene Schaden in Betracht. Im Regelfall ist dieser schon aus dem Schuldspruch ableitbar. Überdies bewirkt die Einschränkung des Gesetzes auf Schadensgutmachung nach Kräften, daß nach einer auch in der Judikatur vertretenen Ansicht (EvBl. 1979/89; anders noch EvBl. 1975/284 = RZ 1975/78) die Weisung zur Schadensgutmachung weder die Auferlegung einer ziffernmäßig bestimmten oder bestimmbaren Zahlungsverpflichtung enthalten noch die Schadensgutmachung binnen bestimmter Frist verlangen muß (Leukauf-Steininger aaO RN 16; teilweise aM Kunst WK Rz 20 und Foregger-Serini-Kodek StGB5 Anm. III jeweils zu § 51). Damit wird aber ersichtlich nicht etwa eine Ausnahme von dem Grundsatz der Klarheit und Bestimmtheit der Weisung im Falle der Schadensgutmachung gemacht, sondern nur den angeführten Besonderheiten (der die Obergrenze der Verpflichtung bildende Schaden aus Urteilsspruch ableitbar; Ausmaß der Gutmachung nicht von vornherein bestimmbar) Rechnung getragen.

Im vorliegenden Falle fehlt dieser dem Verurteilten erteilten Weisung, "nach seinen Kräften für die Schadensgutmachung zu sorgen", mangels Begründung (vgl. Foregger-Serini, StPO5, § 270, Erl. X) die erforderliche Klarheit und Bestimmtheit im oben dargestellten Sinne. Denn es kann damit einerseits die Gutmachung des aus der Tat des Verurteilten enstandenen Schadens gemeint sein. Hätte dieser am 14. November 1988 keinen Falscheid geschworen, dann wäre es dem Gläubiger (Fa. S***** Bank AG) schon im November 1988 möglich gewesen, das Fahrzeug sicherzustellen. Da anzunehmen ist, daß das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt mehr als 4.000 S wert war (Verkaufserlös am 7.September 1989), könnte der Gläubiger einen Schaden in der Höhe des Zeitwertes abzüglich des Verkaufserlöses erlitten haben. Für die ziffernmäßige Höhe eines solchen Schadens gibt der Akteninhalt zwar keine genauen Anhaltspunkte; die Auferlegung einer ziffernmäßig bestimmten oder bestimmbaren Zahlungsverpflichtung ist wie oben dargestellt nach dem Gesetz aber nicht erforderlich. Andererseits kann die Weisung aber auch die Rückzahlung der Kreditschuld an die Fa. S***** Bank AG bezweckt haben (vgl. Sachverhaltsbekanntgabe S 9 ff), wofür die Mitteilungen des Vertreters des Kreditgebers sprächen (vgl. S 97 und 111). Damit war aber diese Weisung angesichts ihrer Abfassung für den Weisungsempfänger nicht nachvollziehbar und daher nicht befolgbar, womit dahingestellt bleiben kann, ob im letzteren Falle überhaupt ein aus der Tat des Verurteilten entstandener Schaden iS des § 51 Abs. 2 StGB vorliegt.

Die sohin gegen den § 51 Abs. 2 StGB verstoßende Weisung wirkte sich zum Nachteil des Verurteilten aus. Ihre Aufhebung und die des Widerrufsbeschlusses hatte freilich nicht aus diesem Grunde, sondern deshalb zu erfolgen, weil beiden Gerichtsbeschlüssen durch die Aufhebung des Urteils die Grundlage entzogen wird.

Zu dem ergangenen Widerrufsbeschluß sei der Vollständigkeit halber bemerkt, daß ihm durch die nicht erfolgte Äußerung des Verurteilten zum Widerruf der Strafnachsicht an sich kein (weiterer) Mangel anhaftet. Nach dem § 495 Abs. 3 StPO kann nämlich von der Anhörung des Verurteilten abgesehen werden, wenn sie ohne unverhältnismäßigen Aufwand nicht durchführbar ist. Eine Vorführung des Verurteilten zur Anhörung ist (entgegen der in Mayerhofer-Rieder aaO E 10 a zu § 495 angeführten Entscheidung eines Oberlandesgerichtes) nicht geboten. Dem in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommenden Gebot des beiderseitigen Gehörs ist vielmehr schon mit der Ladung des Verurteilten, dem damit Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt wird, entsprochen. Ein Zwang, vor Gericht zu erscheinen und das Anhörungsrecht auszunützen, sohin eine zum Schutz des Verurteilten eingeführte Verteidigungsmöglichkeit wahrzunehmen, erscheint als vermeidbarer Eingriff in die persönliche Freiheit nicht vertretbar. Das Gericht hat daher mit der zwecks Anhörung des Verurteilten zugestellten Ladung (und dem darin angeführten im Zusammenhang mit der vom Verurteilten persönlich übernommenen "Weisung" des Gerichtes - S 99 dA - zu betrachtenden Vernehmungsthema), nach Lage des Falles der ihm auferlegten Anhörungspflicht entsprochen.

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