OGH 13Os101/92

OGH13Os101/9216.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.September 1992 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Markel und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Schützenhofer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josip Ra***** und Milan Ras***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143, 2.Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 19.Mai 1992, GZ 20 z Vr 12.521/91-52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschwornen zu den Hauptfragen 1 und 2 sowie das darauf beruhende Urteil aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die beiden Angeklagten und die Staatsanwaltschaft hierauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Josip R***** und Milos R***** des Verbrechens des schweren

Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie am 23.November 1991 in Wien in Gesellschaft eines unbekannt gebliebenen Mannes als Mittäter (§ 12 StGB) durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer gezückten Waffe durch den unbekannten Täter Liljana S***** fremde bewegliche Sachen, nämlich 22.000 S Bargeld, eine goldene Halskette im Wert von ca 8.000 S, ein goldes Armband im Wert von ca 1.500 S und drei Ketten im Gesamtwert von ca 13.000 S mit dem Vorsatz weggenommen bzw abgenötigt, durch diese Sachzueignung den unbekannten Täter unrechtmäßig zu bereichern.

Die Geschworenen hatten - jeweils mit einer Einschränkung gemäß dem § 330 Abs. 2 StPO - die Hauptfrage 1 bezüglich Josip R***** im Stimmenverhältnis 8 : 0 bejaht, die Milos R***** betreffende Hauptfrage 2 mit sieben Ja- und einer Nein-Stimme (im Urteil unrichtig: sieben Ja-0-Nein) beantwortet. Weitere Fragen waren den Laienrichtern nicht gestellt worden.

Rechtliche Beurteilung

Die sie betreffenden Schuldsprüche bekämpfen die beiden Angeklagten mit getrennt ausgeführten, dem Inhalt aber nach nahezu gleichlautenden Nichtigkeitsbeschwerden, die auf die Z 6, 8, 9, 10 a, 11 lit a und 12 des § 345 Abs. 1 StGB gestützt werden; die Strafaussprüche fechten beide Angeklagten und die Staatsanwaltschaft mit Berufung an.

Berechtigt ist die behauptete Verletzung der im § 312 StPO enthaltenen Vorschrift (Z 6). Darnach sind in die Hauptfrage alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung aufzunehmen und die besonderen Umstände der Tat soweit beizufügen, als es zur deutlichen Bezeichnung der Tat notwendig ist. Bezieht sich die Hauptfrage auf einen Mittäter, so sind jene Umstände der Tat in die Frage aufzunehmen, aus denen die Mittäterschaft abzuleiten ist. Mittäterschaft verlangt, daß jede der mehreren im bewußten und gewollten Zusammenwirken agierenden Personen Ausführungshandlungen setzt, also selbst an der Tatausführung mitwirkt (Leukauf-Steininger, Komm3 § 12 RN 2). Den beiden verfahrensgegenständlichen Hauptfragen, die allerdings der Formulierung der Anklageschrift folgten, ist in der Tat nicht zu entnehmen, welche konkrete Ausführungshandlung der Angeklagte R***** und welche der Angeklagte Ra***** gesetzt haben. Eine - die Mittäterschaft begründende, vgl.Leukauf-Steininger aaO § 143 RN 19 - Mitwirkung an der Drohung oder Wegnahme bzw Abnötigung wird nicht näher substantiiert; die bloße Anwesenheit am Tatort als solche ist noch keine Mitwirkung an der Tatausführung, auch wenn der Betreffende um die deliktische Absicht seiner Begleiter weiß; ein solches Wissen reicht für sich allein auch nicht zur Annahme eines sonstigen Tatbeitrages aus, sondern kann gegebenenfalls Haftung nach § 286 StGB indizieren (abermals Leukauf-Steininger aaO, § 12 RN 22). Schon dieser Verstoß gegen den § 312 StPO begründet Urteilsnichtigkeit in der Bedeutung des § 345 Abs. 1 Z 6 StPO (vgl EvBl 1971/66).

Begründet ist aber auch der unter der Z 8 relevierte Einwand, der Rechtsbelehrung sei nicht zu entnehmen, "unter welchen Umständen ein Mittäter für die Verwendung einer Waffe durch einen anderen Täter (mit-)verantwortlich gemacht werden kann". Die beiden Beschwerdeführer haben in der Hauptverhandlung stets vorgebracht, nicht gewußt zu haben, daß der unbekannt gebliebene Täter eine Waffe bei sich hatte, die beim Raub verwendet wurde. Demnach war in der den Geschworenen erteilten schriftlichen Rechtsbelehrung der Hinweis geboten, daß ein Beteiligter, der die Waffe nicht selbst verwendet, die Qualifikation nach dem § 143 zweiter Fall StGB nur dann verantwortet, wenn deren Einsatz zumindest von seinem bedingten Vorsatz mitumfaßt war (Leukauf-Steininger, Komm3, § 143, RZ 15). Sohin erweist sich auch die Instruktionsrüge als berechtigt.

Die aufgezeigten Mängel im erstinstanzlichen Verfahren lassen die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich erscheinen. Den zum Vorteil der Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden war daher schon in nichtöffentlicher Sitzung Folge zu geben (§§ 285 e, 344 StPO), ohne daß es eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdepunkte bedurfte.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf die Urteilsaufhebung zu verweisen.

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