Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschwornen sowie das darauf beruhende Urteil werden aufgehoben und die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Geschwornengericht beim Landesgericht St.Pölten verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurde Peter P***** im zweiten Rechtsgang des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 15.November 1980 auf dem Parkplatz bei Kilometer 19,5 der Bundesautobahn München-Salzburg in Bayern Wilhelm S***** (richtig: S*****) vorsätzlich durch drei Messerstiche getötet hatte.
Die Geschwornen bejahten die Hauptfrage nach Mord einstimmig mit der Einschränkung, daß die Tötung (nicht - im Sinn der Anklage - auch durch fünf Pistolenschüsse, sondern - wie erwähnt - nur) durch drei Messerstiche geschah. Die alternativ gestellte Zusatzfrage I wurde in ihrem ersten nach allfälliger Ausübung gerechter Notwehr iSd § 3 Abs. 1 StGB gerichteten Teil (a) einstimmig verneint, in ihrem zweiten, nach allfälliger Notwehrüberschreitung iSd § 3 Abs. 2 StGB gerichteten Teil (b) aber, ebenso wie die (einzige) Eventualffrage nach fahrlässiger Tötung (§ 80 StGB) unbeantwortet gelassen. Weitere Fragen wurden an die Geschwornen nicht gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft seinen Schuldspruch mit einer ausdrücklich auf die Z 6, 8, 9 und 10 a des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Der Beschwerdeführer sieht zunächst (in Punkt A I des Rechtsmittels) die Vorschriften über die Fragestellung an die Geschwornen (Z 6) insoweit verletzt, als trotz seiner den Tötungsvorsatz leugnenden Verantwortung keine Eventualfrage nach Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§ 86 StGB) oder absichtlicher schwerer Körperverletzung (§ 87 Abs. 2, zweiter Fall,StGB) gestellt wurde.
Schon dieser Beschwerdeeinwand ist begründet:
Gemäß dem § 314 Abs. 1 StPO ist an die Geschwornen unter anderem dann eine entsprechende Schuldfrage (Eventualfrage) zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht wurden, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist, als das in der Anklageschrift angeführte. Ein Vorbringen im Sinn dieser Gesetzesstelle liegt dann vor, wenn in der Hauptverhandlung, obschon nur im Rahmen der Verantwortung des Angeklagten, Umstände hervorkamen, welche die Annahme eines von der Anklagebegründung abweichenden rechtlich relevanten Tatsachensubstrats in den Bereich der Möglichkeit rücken. Diese Beweisergebnisse müssen soweit konkretisiert sein, daß sie - wäre ein Schöffengericht zuständig - der Begründungspflicht des § 270 Abs. 2 Z 5 StPO unterlägen.
Peter P***** verantwortete sich im bisherigen Verfahren und insbesondere auch in der Hauptverhandlung vom 9. und 10.Juni 1992 - sinngemäß zusammengefaßt - im wesentlichen damit, daß er - in Lebensgefahr befindlich - Wilhelm S***** nicht töten, sondern durch die Schüsse und Messerstiche nur soweit verletzen wollte, daß er kampfunfähig werde und sein aggressives Vorgehen gegen ihn aufgebe (vgl. ua die S 55 ff, 61, 73 in Band VI).
Mit dieser - in der Beschwerde unter Anführung entsprechender Belegstellen (vgl. S 207/VI) aktengetreu wiedergegebenen - Verantwortung, der die Geschwornen - vor allem gestützt auf die Sachverständigengutachten (Verlauf von Schußkanälen etc) - hinsichtlich der abgegebenen Pistolenschüsse auch gefolgt sind, lagen dem Erstgericht Tatsachen vor, vermöge derer - ihre Richtigkeit vorausgesetzt - die dem Angeklagten angelastete Tat unter Umständen unter ein milderes, nicht Tötungsvorsatz verlangendes Strafgesetz fiele, worunter auch die in der Beschwerde angeführten Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach den §§ 83 (Abs. 1 und 2), 86 StGB bzw. der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 2, zweiter Fall, StGB zu zählen sind.
Der Schwurgerichtshof wäre somit gemäß dem § 314 StPO - wie bereits im ersten Rechtsgang - jedenfalls verpflichtet gewesen, neben der im Sinn der Anklage gestellten Hauptfrage, auch die der Verantwortung des Angeklagten entsprechenden - in der Beschwerde reklamierten - Eventualfragen in Richtung der beiden angeführten Verletzungsdelikte mit tödlichem Ausgang (§§ 86, 87 StGB) zu stellen, weil die Geschwornen nur hiedurch in die Lage versetzt werden konnten, die Tat auch nach diesen Gesichtspunkten unter Abwägung der verschiedenen Beweisergebnisse zu prüfen.
Da nach der Aktenlage nicht unzweifelhaft erkennbar ist, daß die aufgezeigte gravierende Formverletzung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 345 Abs. 3 StPO), erweisen sich die Kassation des Wahrspruchs und des darauf beruhenden Urteils sowie die Anordnung der Verfahrenserneuerung vor einem anderen Geschwornengericht als unumgänglich, ohne daß es noch des Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedürfte (§ 349 Abs. 1 StPO).
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