OGH 11Os81/92

OGH11Os81/923.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.September 1992 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta, Dr.Kuch, Dr.Rzeszut und Dr.Hager als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Götsch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Muammer A***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach den §§ 15, 201 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 30.April 1992, GZ 32 Vr 556/92-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der türkische Staatsbürger Muammer A***** des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach den §§ 15, 201 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, "weil er in der Nacht vom 26. auf den 27.Juni 1991 in Mauthausen dadurch, daß er Adolf K***** zum Bett zerrte, auf das Bett warf, ihm ein Messer an die Kehle und an die Brust ansetzte, danach das Messer mit der Schneide am Penis ansetzte und drohte, er werde ihm den Penis abschneiden, wenn er nicht gefügig sei und in der Folge einen Analverkehr an ihm durchzuführen versuchte, diesen mit schwerer Gewalt und durch eine Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versuchte."

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 9 lit b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welcher Berechtigung zukommt:

Zutreffend weist der Beschwerdeführer darauf hin, daß die Tatrichter im Hinblick auf diesbezügliche Verfahrensergebnisse bei richtiger Rechtsanwendung verpflichtet gewesen wären, sich - entgegen ihrer nicht näher begründeten Ansicht (S 156) - substantiiert mit der Frage zu befassen, ob der Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs. 1 StGB) vorliegt.

Das Schöffengericht geht - allerdings ohne eine für die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung ausreichende nähere Konkretisierung der (im Vorverfahren noch deutlicher beschriebenen; vgl u.a. die S 33, 38) Tathandlung (s u.a. Leukauf-Steininger Komm3 § 201 RN 7, 8, 24; Pallin im Ergänzungsheft zur 4.Lieferung des Wiener Komm zu § 201 StGB, Rz 21 b) - davon aus, daß der Angeklagte lediglich "versucht" (?) habe, mit seinem gesteiften Penis in den After des Adolf K***** einzudringen (S 147, 150, 156); es läßt jedoch jede Auseinandersetzung mit diversen Aussagen des Adolf K***** vermissen, wonach es diesem "letztendlich" gelungen sei, Muammer A***** zu "überreden" (S 38) bzw davon zu "überzeugen" (S 33), daß er ihn "in Ruhe lassen solle" (S 139). War aber dem bewaffneten Angeklagten - wie nach der derzeitigen Aktenlage nicht ausgeschlossen werden kann - die Deliktsvollendung nach seiner Vorstellung allenfalls noch möglich, so könnte die Aufgabe der weiteren Tatausführung unter Umständen als freiwillig iS des § 16 Abs. 1 StGB zu beurteilen sein, auch wenn hiefür nicht ausschließlich innere Erwägungen maßgebend gewesen sein mögen, sondern ein Zureden oder Bitten des Opfers mitbestimmend war (s Leukauf-Steininger Komm3 § 16 RN 2).

Da sich die vorliegende Strafsache im aufgezeigten Umfang wegen gravierender Feststellungsmängel somit als nicht spruchreif erweist, war der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schon in nichtöffentlicher Sitzung Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen.

Bei der Neudurchführung des Verfahrens wird gegebenenfalls der Rechtsfigur des qualifizierten Versuches (siehe u.a. Leukauf-Steininger Komm3 § 16 RN 13; § 201 RN 25) und der Prüfung des von der Anklagebehörde u.a. inkriminierten Tatbildmerkmals der "schweren Gewalt" (vgl hiezu grundsätzlich EvBl 1992/79) Beachtung zu schenken sein.

Mit seiner durch die Urteilsaufhebung gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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