Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin war seit 15.April 1991 in der Wäscherei des Beklagten als gewerbliche Hilfskraft beschäftigt. Ihr letzter Stundenlohn betrug S 58,--. Nach ihrem vom Beklagten verfaßten schriftlichen "Arbeiterdienstvertrag" konnte das Arbeitsverhältnis beiderseitig nur jeweils zum Ende einer Arbeitswoche gekündigt werden. Die "Kündigungszeit" sollte für beide Teile abweichend vom Kollektivvertrag 3 Wochen betragen. Mit Schreiben vom 16.August 1991 kündigte die Klägerin unter Bezugnahme auf die 1-wöchige kollektivvertragliche Kündigungsfrist ihr Arbeitsverhältnis zum 23. August 1991.
Mit der vorliegenden Klage begehrt sie den der Höhe nach außer Streit gestellten Betrag von S 4.235,50 brutto sA als Urlaubsabfindung. Die vom Kollektivvertrag abweichende Vereinbarung über die Verlängerung der Kündigungsfrist auf 3 Wochen sei als für sie ungünstiger wirkungslos.
Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Durch das Nichteinhalten der zulässigerweise vereinbarten längeren Kündigungsfrist habe die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis im Ergebnis ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes vorzeitig aufgelöst. Ihr stehe daher keine Urlaubsabfindung zu. In eventu werde ein Betrag von S 2.119,-- brutto aufrechnungsweise als Gegenforderung eingewendet, da die Klägerin bereits einen Urlaubszuschuß erhalten habe, dessen aliquoten Teil sie zurückzahlen müsse.
Zur Aufrechnungseinrede des Beklagten brachte die Klägerin ergänzend vor, daß sie keine Weihnachtsremuneration erhalten habe, obwohl ihr eine solche auch bei Selbstkündigung zustehe. Daraus ergebe sich noch eine Differenz von rund S 235,-- zu ihren Gunsten, die allerdings aus ökonomischen Gründen nicht geltend gemacht werde.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Vereinbarung einer 3-wöchigen Kündigungsfrist iS des § 3 ArbVG für die Klägerin günstiger gewesen sei als die kollektivvertragliche Kündigungsfrist von 1 Woche. Die vereinbarte Frist habe die Klägerin nicht unzumutbar lang gebunden und habe andererseits auch für den Beklagten gegolten, sodaß dadurch die "soziale Stellung" der Klägerin verbessert worden sei. Die Nichteinhaltung der zulässigerweise vereinbarten längeren Kündigungsfrist sei einem vorzeitigen Austritt ohne wichtigen Grund gleichzuhalten, so daß gemäß § 10 Abs 2 UrlG kein Anspruch auf Urlaubsabfindung bestehe.
Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß eine Kündigungsvereinbarung für einen Arbeitnehmer dann günstiger sei, wenn seine vertragliche Bindung gegenüber der gesetzlichen lockerer sei. Darauf weise auch die Möglichkeit der Verkürzung der im Angestelltengesetz vorgesehenen Kündigungsfrist hin. Da sich die Kollektivvertragsparteien des anzuwendenden Kollektivvertrages durch Festlegung einer kurzen Kündigungsfrist für möglichste Freizügigkeit des Arbeitnehmers entschieden haben, bewirke die einzelvertragliche Verlängerung der Kündigungsfrist keine Begünstigung des Arbeitnehmers. Darauf, ob die Verlängerung der Kündigungsfrist eine unzumutbare Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis mit sich bringe, komme es im Rahmen der Günstigkeitsüberlegungen nicht an. Die Klägerin habe daher zufolge Unwirksamkeit der Vereinbarung einer längeren Kündigungsfrist fristgerecht gekündigt, so daß ihr die begehrte Urlaubsabfindung zustehe. Die Arbeitsrechtssache sei jedoch noch nicht spruchreif, da sich das Erstgericht noch nicht mit der Berechtigung der eingewendeten Gegenforderung (§ 9 Abs 8 des Kollektivvertrages) befaßt habe.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung iS einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern.
Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 77 GewO 1859, welche Bestimmung gemäß § 376 Z 47 Abs 1 GewO 1973 weiterhin gilt, wird, wenn über die Zeit der Entlohnung des Hilfsarbeiters und über die Kündigungsfrist nichts anderes vereinbart ist, die Bedingung wöchentlicher Entlohnung und eine 14tägige Kündigungsfrist vorausgesetzt. Diese gesetzliche Regelung der Kündigungsfrist ist dispositiv und wurde bereits im Kollektivvertrag für die Chemischputzer, Wäscher und Färber vom 13.August 1948 dahin eingeschränkt, daß das Arbeitsverhältnis beiderseits ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gelöst werden kann (vgl dazu RdW 1992, 118 = infas 1992 A 60 zum Kollektivvertrag der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger). Mit der am 1.Februar 1980 wirksam gewordenen Änderung dieses Kollektivvertrages wurde die Kündigungsmöglichkeit dahin beschränkt, daß das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit (4 Wochen) nur unter Einhaltung einer 1-wöchigen Kündigungsfrist zum letzten Werktag einer Woche gelöst werden kann. Diese Regelung wurde auch im § 17 Abs 2 des seit 1.Jänner 1989 gültigen Kollektivvertrages der Chemischreiniger (nunmehr Textilreiniger), Wäscher und Färber (im folgenden kurz Kollektivvertrag) im wesentlichen übernommen. Nach Ablauf der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen und unter Einhaltung einer 1-wöchigen Kündigungsfrist zum Ende der Arbeitswoche gelöst werden. Nach § 17 Abs 3 des Kollektivvertrages ist dem Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist eine angemessene Freizeit zur Suche eines anderen Arbeitsplatzes zu gewähren. Hiebei ist vom Grundsatz auszugehen, daß im Normalfall ein Arbeitstag ausreichend ist. Eine Verlängerung der Kündigungsfrist bei längerer Betriebszugehörigkeit kennt dieser Kollektivvertrag nicht.
Nach § 3 Abs 1 ArbVG können die Bestimmungen in Kollektivverträgen durch einen Arbeitsvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden. Sondervereinbarungen sind, sofern sie der Kollektivvertrag nicht ausschließt, nur gültig, soweit sie für den Arbeitnehmer günstiger sind oder Angelegenheiten betreffen, die im Kollektivvertrag nicht geregelt sind (auch wiedergegeben in § 21 Abs 2 und 3 des Kollektivvertrages). Prüft man bei Durchführung des Günstigkeitsvergleiches vorerst die Wertungen, von denen die als besonders branchenkundig anzusehenden Kollektivvertragsparteien selbst ausgegangen sind (vgl Steininger, Zur Frage der Günstigkeit, ZAS 1973, 218 f), fällt auf, daß die Kollektivvertragsparteien die Kündigungsfrist von einer Woche schon deshalb für ausreichend halten, weil im Normalfall ein Arbeitstag zur Postensuche ausreichend sei. Sie haben damit entgegen der Ansicht des Beklagten der Mobilität Vorrang gegenüber einem befristeten "Zeitschutz" eingeräumt. Dadurch unterscheidet sich die vorliegende kollektivvertragliche Regelung von jener, auf der die Entscheidung Arb 8880 (= ZAS 1973/27 [Steininger]) beruht, da in dieser Entscheidung eine Günstigkeitsprüfung zwischen einer kollektivvertraglich zulässigen fristlosen Lösung und einer längeren Betriebszugehörigkeit entsprechenden vertraglichen Kündigungsfrist anzustellen war.
Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß es für den kündigungswilligen Arbeitnehmer in der Regel günstiger ist, wenn seine vertragliche Bindung gegenüber der gesetzlichen Regelung lockerer ist (Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AngG7 416; vgl auch Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 266; Resch, Grenzen privatautonomer Dispositionen über das Auflösungsrecht des Arbeitnehmers, ZAS 1991, 4 ff, 12 ua). Soweit der Klägerin im Arbeitsvertrag eine längere Kündigungsfrist überbunden wurde, entspricht die korrespondierende Verlängerung auf Arbeitgeberseite lediglich zwingenden gesetzlichen Bestimmungen (§ 1159 c ABGB; Krejci in Rummel2 ABGB §§ 1158-1159 c, Rz 86; Jud 30 neu ua). Es ist daher darin kein Entgegenkommen des Beklagten zu erblicken. Da die kollektivvertragliche Regelung der Kündigungsfrist die Klägerin ohnehin davor bewahrte, überraschend ihren Arbeitsplatz zu verlieren, kommt einem weiteren Bestandschutz um lediglich 2 Wochen keine so entscheidende Bedeutung zu, daß die vereinbarte Kündigungsfrist im Hinblick auf die Kündigungsbeschränkung für die Klägerin als günstiger angesehen werden könnte als die kollektivvertraglich vorgesehene. Darauf, daß die vereinbarte Kündigungsfrist nicht unbillig gewesen sei oder die Klägerin nicht benachteiligt habe, kommt es - wie das Berufungsgericht richtig erkannte - nicht an.
Stellt man weiters auf den konkreten Fall ab (vgl Strasser in ArbVG - Handkomm. 37), ist ferner beachtlich, daß die vereinbarte Verlängerung der kollektivvertraglichen Kündigungsfrist sowohl im Interesse des Beklagten erfolgte als auch von ihm ausging. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen konnte die Klägerin den ihr vorgelegten schriftlichen Dienstvertrag lediglich durchlesen und unterfertigen. Daß die einzelnen Vertragspunkte vorher ausgehandelt worden wären, wurde weder behauptet noch festgestellt. Nun beinhaltet gerade jener Absatz des Dienstvertrages über die Verlängerung der Kündigungsfrist noch die Einschränkung, daß während der Kündigungszeit ein noch offener Urlaubsanspruch nicht konsumiert werden könne. Daraus folgt aber wiederum, daß es dem Beklagten bei der Vereinbarung der längeren Kündigungsfrist nicht um einen Bestandschutz für die Klägerin ging, sondern um die Erhaltung ihrer Arbeitskraft bei den gegebenen Arbeits- und Lohnbedingungen während der gesamten Kündigungsfrist.
Insgesamt liegen im vorliegenden Fall sohin keine so erheblichen Gründe vor, welche die vertragliche Vereinbarung einer längeren Kündigungsfrist bei Abwägen aller Umstände günstiger erscheinen ließe als die kollektivvertragliche. Zufolge Unwirksamkeit der Vereinbarung einer längeren Kündigungsfrist stehen der Klägerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche zu. Ob und inwieweit sich diese durch die im rechtlichen Zusammenhang stehende Gegenforderung vermindern, kann zufolge der Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung durch das Berufungsgericht noch nicht beurteilt werden.
Die Kostenentscheidung ist im § 52 ZPO begründet.
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