OGH 14Os95/92

OGH14Os95/921.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. September 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.‑Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Mag. Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schneider als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred H* wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 2. April 1992, GZ 20 e Vr 4729/91‑69, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Drexler zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:E30509

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred H* auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen der Verbrechen des (in zwei Fällen begangenen) Mordes nach §§ 75 StGB (Punkt A/I und II des Urteilssatzes), des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (Punkt B/I) und des (in einem weiteren Fall begangenen) Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (Punkt B/II) schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in Wien

A) Nachgenannte vorsätzlich getötet, und zwar

I. nachts zum 19. Mai 1988 Ismail I* durch Versetzen von fünf Messerstichen in Brust und Rücken;

II. nachts zum 14. August 1988 Leopold B* durch Versetzen mehrerer wuchtiger Schläge mit einem Zierstein gegen dessen Kopf; ferner

B) Nachgenannten mit Gewalt gegen ihre Person fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

I. nachts zum 14. August 1988 dem Leopold B* durch die zu Punkt A/II angeführten Tätlichkeiten, somit unter Verwendung einer Waffe, 270 S Bargeld und einen Goldring mit blauem Stein im Wert von 2.000 S, und

II. im Sommer 1990 dem Franz G* durch Versetzen eines Faustschlages in das Gesicht 400 S Bargeld.

Die Geschworenen hatten die vier anklagekonform gestellten Hauptfragen jeweils stimmeneinhellig bejaht; weitere Fragen waren nicht gestellt worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Sache nach nur die Schuldsprüche wegen Mordes (Punkt A/I und II) sowie wegen schweren Raubes (Punkt B/I) bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 6, 8, 10 a und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Mit Beziehung auf den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund (Z 6) erachtet sich der Angeklagte in Ansehung des Schuldspruchs wegen des an Ismail I* begangenen Mordes (Punkt A/I) durch die Unterlassung einer Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des Totschlages nach § 76 StGB für beschwert. Seiner Auffassung nach wäre die Stellung dieser Eventualfrage durch seine Angaben vor dem Sicherheitsbüro (S 65 bis 68/Bd II) ‑ die er noch am selben Tag (28. April 1991) und am 1. Mai 1991 gegenüber dem Untersuchungsrichter als richtig bestätigte (S 85, 96/Bd. II), bei allen weiteren gerichtlichen Einvernahmen einschließlich jener in der Hauptverhandlung jedoch als unrichtig bezeichnete (S 95 a, 167, 256, 261 f/Bd II) ‑ indiziert gewesen.

Bei Prüfung des Sachverhalts, ob eine für die Unterstellung der Tat unter ein anderes (nicht strengeres) Strafgesetz maßgebende Tatsache in der Hauptverhandlung vorgebracht worden ist und demzufolge nach § 314 Abs 1 StPO die Stellung einer entsprechenden Eventualfrage indiziert, ist auch ein im Vorverfahren abgelegtes, wenngleich in der Hauptverhandlung nicht aufrecht erhaltenes, jedoch durch Vorhalt oder Verlesung zum Verhandlungsgegenstand gemachtes (S 261 f, 296/Bd II) (Teil‑)Geständnis des Angeklagten mitzuberücksichtigen, sofern es durch die geänderte Darstellung der Tat seitens des Angeklagten in seiner Bedeutung nicht völlig überholt ist (SSt 51/29; SSt 28/19). Vorliegend blieben die Angaben des Angeklagten im Vorverfahren ungeachtet seines Widerrufes schon angesichts ihrer Verwertung zur Beweisführung durch den öffentlichen Ankläger (s. Anklagebegründung S 156 bis 158, 160 f/Bd II) bis zuletzt aktuell (vgl die Niederschrift der Geschworenen gemäß § 331 Abs 3 StPO, in welcher zu den bezüglichen Hauptfragen (1 und 2) auf die in den zuvor wiedergegebenen Angaben zutage getretenen genauen Tatkenntnisse des Angeklagten hingewiesen wurde). Entgegen den Beschwerdeausführungen ergibt jedoch die Tatschilderung des Angeklagten vor dem Sicherheitsbüro, wonach die Entdeckung eines von Ismail I* an ihm begangenen Diebstahls von einigen 100 S seine Gewalttätigkeiten gegen den Genannten (Würgen mit beiden Händen am Hals, Zu‑Boden‑Stoßen, möglicherweise Treten des auf dem Boden Liegenden mit den Füßen) ausgelöst und ihn das weitere Ableugnen des Diebstahls durch I* sogar nach diesen Tätlichkeiten derart in "Wut und Rage" versetzten, daß er ein Messer aus der Abwäsche holte, dem auf dem Boden liegenden I* die (zum Tod führenden) Messerstiche versetzte und den bereits Regungs‑ und Reaktionslosen noch aus Zorn über den Diebstahl mit einem Stromkabel strangulierte (S 66 f/Bd II), keinen Anhaltspunkt für eine allgemeine Begreiflichkeit des angeblichen hochgradigen Affekts. Eine solche wäre nur gegeben, wenn der psychische Ausnahmezustand (in seiner tatkausalen Heftigkeit) im Verhältnis zu seinem Anlaß auch einem durchschnittlich rechtstreuen Menschen von der geistigen und körperlichen Beschaffenheit des Täters in der spezifischen Tatsituation derart verständlich wäre, daß dieser sich vorstellen könnte, auch er geriete unter den gegebenen besonderen Umständen in eine solche Gemütsverfassung (Leukauf‑Steininger Komm3 RN 11 ff; Mayerhofer‑Rieder StGB3 E 8 ff je zu § 76). Ist hingegen dem Täter ein sittlicher Vorwurf daraus zu machen, daß er in einen psychischen Ausnahmezustand geriet, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die heftige Gemütsbewegung nicht auf einen adäquaten Anlaß, sondern auf eine abnorme charakterliche Beschaffenheit des Täters zurückzuführen ist (Leukauf‑Steininger aaO RN 12; Mayerhofer‑Rieder aaO E 8, 10 und 10 a), dann kann von einer allgemeinen Begreiflichkeit keine Rede sein.

Ein solcher für die Heftigkeit des Affektzustandes des Angeklagten zum Zeitpunkt der Tötungshandlung ursächlicher Charaktermangel geht aber aus seinem Geständnis vor dem Sicherheitsbüro hervor, wonach er nach dem Konsum von Alkohol (S 66/Bd II) zu aggressiven Handlungen neigt und seinen Zustand selbst "eventuell" auf diese Tendenz zurückführt (S 67/Bd II). Ein durchschnittlich rechtstreuer ‑ diesen Charaktermangel nicht aufweisender ‑ Mensch hätte zwar nach Entdeckung des an ihm verübten Diebstahls allenfalls in einen Affektzustand solcher Heftigkeit geraten können, wie er den einleitenden Mißhandlungen des I* durch den Angeklagten zugrunde lag. Das weitere Leugnen der Tat durch den regungslos und röchelnd am Boden liegenden Mißhandelten hätte aber bei einem Durchschnittsmenschen ‑ im Sinn der zuvor erwähnten Maßfigur ‑ die Gemütsbewegung keineswegs bis in eine Endphase jener Intensität gesteigert, die (nach den Angaben des Angeklagten) im Versetzen mehrerer Messerstiche in die Brust des wehrlos auf dem Boden Liegenden ihren Ausdruck fand. Spätestens zu jenem Zeitpunkt, in welchem die Widerstandsunfähigkeit des Opfers als Folge der vorangegangenen Mißhandlungen zutage trat, wäre bei einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen ein Abklingen, jedenfalls aber keine zusätzliche Steigerung des Affekts zu erwarten.

Die Stellung einer auf Totschlag abzielenden Eventualfrage war demnach hier schon mangels einer allgemeinen Begreiflichkeit der (behaupteten) heftigen Gemütsbewegung des Angeklagten nicht indiziert (Mayerhofer‑Rieder StPO3 E 36‑38 zu § 314).

Entgegen dem abermals einen Mangel der Fragestellung (Z 6) rügenden Beschwerdevorbringen bot die Verantwortung des Angeklagten vor dem Sicherheitsbüro am 28. April 1991 auch keinen Anlaß, zur Hauptfrage 2 lautend auf den an Leopold B* verübten Mord (Punkt A/II) eine Eventualfrage in Richtung des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 (Abs 2), 86 StGB zu stellen. Diesen Angaben (S 68‑70/Bd II), die ‑ gleichfalls der Anklage zugrunde gelegt (S 158 f/Bd II) ‑ in der Hauptverhandlung gegen den schon seit der untersuchungsrichterlichen Einvernahme vom 29. Mai 1991 (S 96 a/Bd II) die Täterschaft leugnenden Angeklagten verlesen (S 296/Bd II) und von den Geschworenen in ähnlicher Weise wie die Polizeiprotokolle zur Urteilstat Punkt A/I als Belastungsbeweis gewürdigt wurden (siehe die Erwägungen zur Hauptfrage 2 in der Niederschrift der Geschworenen), ist ein Hinweis auf ein Handeln in bloßer "Mißhandlungsabsicht" (gemeint: mit Mißhandlungsvorsatz) im Sinn des § 83 Abs 2 StGB nicht zu entnehmen. Vielmehr hat der Angeklagte damals behauptet, mit einem harten steinähnlichen Gegenstand heftig gegen den Schädel des (zunächst) stehenden Leopold B* geschlagen zu haben und so in Wut gewesen zu sein, daß er mit dem Stein auch auf den zu Sturz gekommenen, auf dem Boden liegenden und laut schreienden B* weiter eingeschlagen habe, bis dieser sich nicht mehr gerührt habe. Der schon aus dieser Vorgangsweise ableitbare Tötungsvorsatz wurde vom Angeklagten, der zudem schon in einer davor im Sicherheitsbüro aufgenommenen Niederschrift die von ihm an Leopold B* begangene Tat als Mord bezeichnet hatte (S 62/Bd II), vor dem Sicherheitsbüro ‑ anders als vor dem Bezirkspolizeikommissariat Schmelz am 27. April 1991 (siehe insbesondere S 57/Bd II) ‑ auch nicht mehr bestritten. Durch die Verlesung des Geständnisses vom 28.April 1991 in der Hauptverhandlung wurden sohin keine die Unterstellung der Tat unter §§ 83 Abs 2, 86 StGB indizierenden Tatsachen vorgebracht, weshalb auch insoweit die Stellung der reklamierten Eventualfrage zu Recht unterblieb. Eine Erörterung der in den bezüglichen Beschwerdeausführungen enthaltenen, mit diesen jedoch nicht in einem nachvollziehbaren Zusammenhang gebrachten Hinweise auf einen Notwehrexzeß, dem "das Privileg des § 3 Abs 2 StGB" zugute komme, erübrigt sich schon deshalb, weil der Beschwerdeführer dabei sein einen asthenischen Affekt im Sinn der zitierten Gesetzesstelle ausschließenden Geständnis, aus Wut gehandelt zu haben, übergeht.

Dem gleichfalls auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützten Beschwerdevorbringen zum Verbrechen des schweren Raubes (laut Punkt B/I des Urteilssatzes), wonach zur darauf Bezug habenden Hauptfrage (3) eine Eventualfrage nach Diebstahl (§ 127 StGB) zu stellen gewesen wäre, ist zu erwidern, daß das die Aneignung von Gegenständen aus dem Besitz des Leopold B* betreffenden Geständnis vor der Polizei (S 68‑70/Bd II) angesichts des Ablaufs der Ereignisse, insbesondere der sofortigen Wegnahme des Ringes und der Durchsuchung der Wohnung nach der Bluttat, Hinweise auf einen (wenigstens) schon in der letzten Phase der Tätlichkeiten gefaßten Vorsatz enthielt, die Gewalt auch als Mittel zur Sachwegnahme zum Zweck unrechtmäßiger Bereicherung einzusetzen; im übrigen hat der Angeklagte den bei dieser Gelegenheit weggenommenen Goldring des Leopold B* selbst ausdrücklich als "geraubt" bezeichnet (S 69/Bd II). Eine bloß als Diebstahlsgeständnis aufzufassende Verantwortung des Angeklagten liegt sohin nicht vor. Eine demzufolge bloß denkmögliche, vom Angeklagten indes selbst gar nicht vorgebrachte Verteidigungsvariante verpflichtete den Schwurgerichtshof jedenfalls nicht zur Stellung der relevierten Eventualfrage (Mayerhofer‑Rieder aaO E 19 zu § 314 StPO).

In der Instruktionsrüge (Z 8) behauptet der Angeklagte eine Unterlassung der Belehrung der Geschworenen "über den Begriff der Waffe und darüber, ob der in Rede stehende (gemeint bei der Tathandlung gegen Leopold B* laut Punkt B/I = A/II verwendete) Zierstein unter diesen Begriff einzureihen" sei. Eine Belehrung der zuletzt bezeichneten Art war dem Schwurgerichtshof nicht gestattet, weil Gegenstand der Rechtsbelehrung nach § 321 Abs 2 StPO nur Rechtsumstände sein können, nicht aber tatsächliche Umstände, die sich aus dem Beweisverfahren ergeben. Auf die konkreten Umstände des Falles ist nämlich nicht in der schriftlichen Rechtsbelehrung (§ 321 Abs 2 StPO), sondern in der im Anschluß daran erfolgenden Besprechung des Vorsitzenden mit den Geschworenen (§ 323 Abs 2 StPO) - die nicht Gegenstand der Anfechtung nach § 345 Abs 1 Z 8 StPO ist ‑ einzugehen (Mayerhofer‑Rieder aaO E 2, 14 ff zu § 345 Z 8). Entgegen dem Beschwerdevorbringen enthält aber die Rechtsbelehrung (vgl deren S 8) eine durchaus richtige Erläuterung des Waffenbegriffes im Sinn des § 143 StGB; hat doch der Schwurgerichtshof zutreffend darauf verwiesen, daß als Waffen nicht nur solche im technischen Sinn, sondern auch andere Mittel in Betracht kommen, die in Form und Wirkungsweise sowie Anwendbarkeit in einem Kampf den Waffen im Sinn des Waffengesetzes gleichzuhalten sind (Mayerhofer‑Rieder StGB3 § 143 E 4), sohin alle Gegenstände, die als zur Gewaltanwendung gegen eine Person oder zur Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben ad hoc geeignete Instrumente gebraucht werden (Mayerhofer‑Rieder aaO E 6). Die beispielsweise Anführung solcher Mittel, nämlich einer Holzlatte und eines Hammers war zwar in der schriftlichen Rechtsbelehrung unnötig, konnte jedoch ‑ entgegen den Beschwerdeeinwänden ‑ die Geschworenen weder in ihrer Beweiswürdigung beeinflussen (Mayerhofer‑Rieder StPO3 E 8 zu § 321) noch angesichts der vorangegangenen allgemeinen Ausführungen über die Voraussetzungen für die ‑ in den Beispielsfällen von der Judikatur bejahte (Leukauf‑Steininger aaO RN 12; Mayerhofer‑Rieder StGB3 E 9 je zu § 143) - Beurteilung eines Gegenstandes als Waffe im Sinn der bezüglichen Raubqualifikation in einen Irrtum über die hier aktuelle Rechtslage führen.

Da in der schriftlichen Rechtsbelehrung ‑ wie bereits dargelegt ‑ die konkreten Fallumstände nicht zu erörtern sind, stellt der ‑ zudem aktenwidrige (vgl ON 30 S 265, 267, 299) ‑ Hinweis des Beschwerdeführers auf die Dimensionen des als Tatwaffe sichergestellten Ziersteines (angeblich nur 13 cm Länge und 6,4 cm Breite) keine prozeßordnungsgemäß Ausführung einer Instruktionsrüge (Z 8) dar.

Soweit der Angeklagte die auf dieser aktenwidrigen Annahme beruhende Rüge unter dem Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 12 StPO wiederholt, um die Qualifikation der Urteilstat laut Punkt B/I als schweren Raub gemäß § 143 zweiter Fall StGB in Frage zu stellen, führt er (auch) die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig aus, weil er von (angeblichen) Tatumständen ausgeht, die im Wahrspruch der Geschworenen nicht festgestellt wurden.

In seiner Tatsachenrüge (Z 10 a) schließlich vermag der Angeklagte erhebliche sich aus dem Akteninhalt ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen nicht aufzuzeigen. Seine Hinweise auf Parallelen zwischen seinem Geständnis und den geständigen Angaben des ursprünglich des Mordes an Ismail I* (Punkt A/I) verdächtigten Robert L* (S 373 f/Bd I), deren Unrichtigkeit sich herausgestellt hat, lassen die Tasache, daß der Angeklagte ‑ im Gegensatz zu L*, der das Geständnis nach Vorhalt der darin enthaltenen Ungereimtheiten noch im Sicherheitsbüro widerrief (S 363 ff/Bd I) ‑ sein Geständnis auch noch vor dem Untersuchungsrichter aufrecht erhalten und erst nach etwa einem Monat widerrufen hat (S 95 ff/Bd II), ebenso außer acht wie den Umstand, daß er vom psychiatrischen Sachverständigen als keineswegs primär zu falschen Geständnissen neigend bezeichnet wurde (S 273 und verso iVm S 239/Bd II). Die Ergebnislosigkeit der polizeilichen Nachforschungen nach einem am vermutlichen Tattag ‑ jedoch nicht am Tatort ‑ in Begleitung des Mordopfers I* beobachteten Mann (S 149/Bd I) und das Fehlen von Fingerabdruckspuren des Angeklagten unter den in der Wohnung des Mordopfers Leopold B* gesicherten Tatortspuren (S 75/Bd II) schließen die Täterschaft des Angeklagten in den (beiden) Mordfällen nicht aus. Gleiches gilt für die nicht verifizierte Behauptung des Angeklagten (S 267/Bd II), schon vor dem 29. Mai 1991 sein Geständnis in einem an den Leiter der Staatsanwaltschaft Wien gerichteten Brief widerrufen zu haben, sowie für das Fehlen von Anzeichen für eine Durchsuchung der Wohnung des Leopold B* und von Kampfspuren in den Wohnungen beider Mordopfer, zumal sich aus den geständigen Angaben des Angeklagten vor der Polizei nicht ergibt, daß er derartige Spuren hinterlassen haben müßte. Da der Angeklagte vor dem Sicherheitsbüro weder die Endlage der Leiche des Ismail I* genau bezeichnet (S 67/Bd II) noch den Verbleib der Wohnungsschlüssel des Leopold B* nach seinem letzten Besuch in dessen Wohnung aufgeklärt hat (S 69/Bd. II), liegen die in der Tatsachenrüge behaupteten Diskrepanzen zu den polizeilichen Ermittlungsergebnissen (S 68/Bd. II bzw. ON 30 S 35) in Wahrheit nicht vor. Im übrigen könnten aus der unrichtigen Angabe solcher Details vor dem Sicherheitsbüro angesichts des beträchtlichen Zeitraumes zwischen den Tathandlungen und der polizeilichen Einvernahme nicht die vom Angeklagten erhofften Schlußfolgerungen auf die grundsätzliche Unrichtigkeit oder zumindest Fragwürdikeit der Geständnisse gezogen werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 75 StGB zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen und die jeweilige Tatwiederholung, ferner die besonders brutale und grausame Ausführung der Mordtaten und die Verleumdung der vernehmenden Polizeibeamten als erschwerend, hingegen das Faktengeständnis sowie die soziale Verwahrlosung des Angeklagten als mildernd.

Mit seiner Berufung ‑ auf deren schriftliche Ausführung in der Rechtsmittelschrift verzichtet wurde (S 331/Bd II) ‑ strebt der Angeklagte die Verhängung einer zeitlichen Freiheitsstrafe an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Soweit der (ua wegen des mittlerweile durch Art I BGBl 1989/243 mit Wirksamkeit vom 1. Juli 1989 aufgehobenen Vergehens der gewerbsmäßigen gleichgeschlechtlichen Unzucht nach § 210 StGB aF vorbestrafte) Berufungswerber das Milieu, in welchem die Straftaten begangen wurden, ins Treffen zu führen sucht, genügt der Hinweis, daß diesem Umstand durch die vom Geschworenengericht als Milderungsgrund gewertete soziale Verwahrlosung ohnedies Rechnung getragen wurde. Die hinsichtlich der beiden Mordtaten als Milderungsgrund reklamierte heftige Gemütsbewegung hinwieder kann (auch) nicht als Berufungsgrund zum Tragen kommen; denn der insoweit in Betracht kommende Milderungsgrund nach § 34 Z 8 StGB liegt ‑ ebenso wie der privilegierende Tatbestand des Totschlags nach § 76 StGB nur dann vor, wenn der Täter sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tat hat hinreißen lassen (9 Os 23/87). Daß dies vorliegend nicht der Fall war, wurde bereits bei Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde dargelegt.

Schließlich versagt auch der Hinweis auf eine Tatbegehung mit dolus eventualis. Abgesehen davon, daß diese Behauptung durch den Wahrspruch der Geschworenen nicht gedeckt ist, sind die verschiedenen Vorsazformen des § 5 StGB an sich zunächst grundsätzlich als gleichwertig zu behandeln. Unterschiede im Vorsatz können jedenfalls unbeschadet besonderer Gegebenheiten im Einzelfall, welche entsprechend § 32 Abs 3 StGB Berücksichtigung zu finden haben, für sich allein nicht strafmildernd wirken (ÖJZ‑LSK 1979/136).

Die vom Berufungswerber behaupteten (weiteren) Milderungsgründe liegen demnach in Wahrheit nicht vor. Demgegenüber bedürfen jedoch die vom Erstgericht herangezogenen Strafzumessungsgründe insofern einer Ergänzung, als dem Angeklagten eine einschlägige Vorstrafe wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB als zusätzlicher Erschwerungsgrund anzulasten ist.

Ausgehend von den sohin gegebenen besonderen Strafzumessungsgründen und unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung zeigt sich, daß angesichts der besonderen Schwere der personalen Täterschuld (§ 32 StGB) die Verhängung einer (bloß) zeitlichen Freiheitsstrafe hier nicht in Betracht gezogen werden kann.

Über die Rechtsmittel des Angeklagten war sohin insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

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