OGH 6Ob569/92

OGH6Ob569/9227.8.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr. Zehetner, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Barbara B***** *****, vertreten durch Dr. Robert Amhof und Dr. Heinz Damian, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Mathilde B*****, vertreten durch Dr. Hartmut Ramsauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 23. April 1992, GZ 21 R 79/92-14 , womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 13.1.1992 , GZ 10 C 1115/91-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

3.264 (darin S 544 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Alleineigentümerin des Hauses S***** gasse 4 a in S*****. Die Beklagte mietete zusammen mit ihrem 1967 verstorbenen Ehemann von der Rechtsvorgängerin der Klägerin ein in diesem Haus gelegenes Geschäftslokal und betrieb darin ab dem Jahr 1932 ein Foto- und Souvenirgeschäft. Neben Filmen wurden Fotoapparate und Fotozubehör sowie Souvenirartikel geführt. Mit Notariatsakt vom 4.9.1975 übertrug die Beklagte das Unternehmen an ihren Nachbarn Helmut M*****. Zu diesem Zeitpunkt bestand das Sortiment des Unternehmens aus etwa 50 % Fotoartikeln und 50 % Souvenirs. Helmut M***** übernahm das Warenlager, die Einrichtung, den Kundenstock und nach dem Vertrag auch die Mietrechte am Geschäftslokal und führte das Unternehmen ohne Unterbrechung fort. Die Klägerin wurde sowohl vor als auch nach der Übertragung des Unternehmens kontaktiert, war jedoch mit der Übertragung der Mietrechte nicht einverstanden.

Wegen der im Laufe der Jahre zunehmenden Konkurrenz durch Neueröffnung in unmittelbarer Nähe des Unternehmens eines Foto Quelle-Geschäf- tes und eines Drogeriemarktes, die sowohl Fotoartikel preisgünstiger als auch die Fotoentwicklung wesentlich günstiger anboten, wurde die Warenpalette dahin verändert, daß nur noch ca. 10 % Fotoartikel und 90 % Souvenirs, zum Großteil bedruckte Textilien, angeboten wurden. Fotoapparate wurden nicht mehr verkauft. Seit mehr als 10 Jahren hat Helmut M***** das Unternehmen an seine Schwägerin verpachtet, die das Unternehmen in der beschriebenen Art mit den beschriebenen Artikeln fortführt.

Mit gerichtlicher Aufkündigung vom 30.4.1991 kündigte die Klägerin der Beklagten das Geschäftslokal zum 31.12.1991 unter Heranziehung des Kündigungsgrundes der gänzlichen Weitergabe des Mietgegenstandes gemäß § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG auf. Die Mieterin habe das in den Mieträumlichkeiten betriebene Unternehmen (Fotogeschäft) vor Inkrafttreten des MRG weitergegeben, dadurch sei dem Unternehmenserwerber die Rechtsstellung eines Untermieters zugekommen. Dieser führe das Unternehmen nicht mehr fort, er habe den Unternehmensgegenstand gänzlich verändert. Damit sei der Kündigungsgrund nunmehr gegeben.

Die Beklagte brachte in ihren Einwendungen vor, die Unternehmensidentität sei erhalten geblieben. Auf Grund wirtschaftlicher Notwendigkeiten habe sich nur im Laufe mehrerer Jahre der Schwerpunkt des Warenangebotes von Fotoartikeln zu Souvenirs verlagert. Die Klägerin habe der Abtretung der Mietrechte zugestimmt.

Das Erstgericht hob mit seinem Urteil die Kündigung auf. Rechtlich sei davon auszugehen, daß die Unternehmensveräußerung zu keinem Mieterwechsel geführt habe. Da die Übertragung des Unternehmens vor dem 31.12.1981 erfolgt sei, sei § 12 Abs. 3 MRG nicht anzuwenden, vielmehr ein gespaltenes Mietverhältnis entstanden. Die Beklagte sei daher weiterhin als Mieterin passiv legitimiert. Eine Weitergabe der Mietrechte liege nur vor, wenn die selbständige Verwertung des Bestandrechtes im Vordergrund stehe. Der Erwerber habe das lebende Unternehmen der Beklagten übernommen und den Betrieb ohne Unterbrechung mit Waren im wesentlichen gleicher Art fortgeführt. Durch wirtschaftliche Entwicklungen, die eine Änderung des Sortiments erforderten, werde die Identität zwischen dem veräußerten und fortgeführten Unternehmen nicht aufgehoben. Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG liege daher nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Zum Zeitpunkt der Übertragung des Unternehmens habe die Produktpalette etwa je zur Hälfte aus Fotoartikeln und aus Souvenirs bestanden. Die Änderung des Sortiments sei nicht plötzlich, sondern im Lauf der Jahre durch geänderte Konkurrenzverhältnisse erfolgt und wirtschaftlich notwendig geworden. Der Erwerber des Unternehmens habe keineswegs den Zweck verfolgt, die Ausnützung der Bestandrechte zu ermöglichen und danach den Unternehmensgegenstand zu verändern. Die Identität des übertragenen und ohne Unterbrechung fortgeführten Unternehmens in der nunmehr vorliegenden Form sei nach wie vor gegeben.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision wegen der Bedeutung der hier zu entscheidenden Frage zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof - soweit überblickbar - zur Veränderung des Unternehmensgegenstandes wie im vorliegenden Fall bisher noch nicht Stellung genommen habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß die Veräußerung des im Mietgegenstand betriebenen Unternehmens und die damit verbundene Überlassung der Benützung der Räumlichkeiten an einen Dritten den Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG nicht herstellt, wenn nicht die Veräußerung vorwiegend den Zweck verfolgt, dem Erwerber die Ausnützung der Bestandrechte zu ermöglichen, die selbständige Verwertung der Bestandrechte somit im Vordergrund steht (RdW 1991, 176 uva). Es steht fest, daß die Beklagte ein lebendes Unternehmen mit allem, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und zu seinem wirtschaftlichen Fortbestand gehörte, übertragen hat und der Erwerber das Unternehmen zunächst auch in unveränderter Form - je zur Hälfte Foto- und Souvenirartikel - fortgeführt hat. Da diese Unternehmensver-äußerung vor Inkrafttreten des § 12 Abs. 3 MRG erfolgte, ist ein gespaltenes Mietverhältnis entstanden. Wie der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkannt hat, muß es dem Übernehmer schon anläßlich der Übergabe des Unternehmens freigestellt bleiben, gewisse Veränderungen, wie etwa Schwerpunktsetzung im Warenlager, Wechsel der Lieferanten oder andere Ausgestaltung des Geschäftslokales vorzunehmen, so lange er im Rahmen der erteilten Gewerbeberechtigung verbleibt und von einer Kontinuität des Geschäftsbetriebes ausgegangen werden kann (MietSlg. 39100 mwN).

Durch die entwickelte Judikatur zum gespaltenen Mietverhältnis, die eine teleologische Reduktion des Kündigungstatbestandes des § 19 Abs. 2 Z 10 MG (nunmehr § 30 Abs. 2 Z 4 MRG) darstellt, sollte dem Mieter die Verwertung seines Unternehmen ermöglicht werden, wenn dessen Erwerber oder Pächter im Geschäftslokal das Unternehmen des Mieters weiter betreibt. Der Schutzzweck fällt dann weg, wenn der Unternehmenserwerber mit der Unternehmensfortführung im Bestandobjekt aufhört, denn ab diesem Zeitpunkt benützt der Mieter das Bestandobjekt nicht mehr vertragsgemäß (MietSlg. 39434 mwN).

Im vorliegenden Fall kann aber keineswegs davon gesprochen werden, daß die Unternehmensfortführung aufgehört hätte. Das Unternehmen wird nach wie vor im Rahmen der selben Gewerbeberechtigung mit dem selben Unternehmensgegenstand (Handel mit Fotoartikeln und Souvenirs) geführt, nur war, wie dies wohl bei jedem wirtschaftlich geführten Unternehmen der Fall sein muß, eine allmäliche Anpassung an die im Laufe der Jahre veränderten wirtschaftlichen Gegebenheiten und Konkurrenzverhältnisse erforderlich, die zu einer Schwerpunktverlagerung der bisherigen Produktpalette, nicht aber zu einem Verlust der Unternehmensidentität geführt hat.

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin sind auch mehrfache Weiterveräußerungen des Unternehmens nicht anders zu beurteilen, gleichgültig ob der Mieter daran noch mitwirkt (MietSlg. 31393/25; Würth in Rummel Rz 23 zu § 30 MRG). Auch die Tatsache, daß der Erwerber des Unternehmens dieses verpachtet hat, vermag daher den geltend gemachten Kündigungsgrund nicht herzustellen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte