OGH 3Ob540/92

OGH3Ob540/9226.8.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Richard Sch***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Norbert Kosch ua, Rechtsanwält in Wr. Neustadt, wider die beklagten Parteien Josef und Johanna M*****, beide vertreten durch Dr.Herwig Ernst, Rechtsanwalt in Korneuburg, wegen S 475.834,78 sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13. Feber 1992, GZ 14 R 186/91-22, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt vom 25. Mai 1991, GZ 2 Cg 122/90-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 20.225,70 (darin S 3.370,95 Ust.) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrt den Zuspruch von S 475.834,78 sA teils als Kaufpreis für 6.000 Legehühner, die sie aufgrund einer Bestellung der Beklagten geliefert habe, teils deswegen, weil die Beklagte die Bezahlung einer Fütterungsanlage verspätet geleistet haben, sodaß der klagenden Partei durch Verzugszinsen ein Schaden entstanden sei. Nach Punkt 8 der "Allgemeinen Liefer- und Verkaufsbedingungen der österreichischen Geflügelwirtschaft", die auf der Rückseite der Bestellscheine abgedruckt und den Bestellungen der Beklagten zugrunde gelegen seien, sei die Zurückzahlung von Zahlungen durch den Käufer oder die Aufrechnung mit Ersatzansprüchen des Käufers ausgeschlossen bzw. unzulässig. Die Beklagten hätten auch keine dem Punkt 12 dieser Bedingungen entsprechende Mängelrüge erhoben.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die klagende Partei habe die von den Beklagten bestellten Legehühner entgegen dem ihr erteilten Auftrag nicht auf einmal geliefert, sondern in zwei Teillieferungen. Die von der klagenden Partei installierte Fütterungsanlage sei zur Wasserversorgung der Hühner nicht ausreichend gewesen. Wegen der unterschiedlichen Liefertermine, des Altersunterschiedes der gelieferten Hühner und der nicht ausreichenden Wasserversorgung hätten die Hühner die zugesicherte Legeleistung nicht erbracht. Die Beklagten hätten deshalb unverzüglich Mängelrüge erhoben. Der Kaufpreis sei daher noch nicht fällig. Durch die verminderte Legeleistung der Hühner hätten die Beklagten einen Verdienstausfall von S 500.000,-- erlitten; die Kosten für die Sanierung einer ordnungsgemäßen Wasserversorgungsanlage betrügen zumindest S 300.000,--. Die Beklagten wendeten beide Beträge als Gegenforderungen aufrechnungsweise ein. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien den Beklagten nicht bekannt und von einer Willenseinigung der Streitteile nicht umfaßt gewesen. Die Bestimmungen der Punkte 8 und 12 dieser Bestimmungen seien überdies sittenwidrig, weil sie die Besteller gröblich benachteiligten.

Das Erstgericht gab der Klage mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens statt und sprach aus, daß die Aufrechnung mit den von den Beklagten erhobenen Gegenforderungen nicht stattfinde. Es traf folgende Feststellungen:

Zwischen den Beklagten, die eine Hühnerfarm betreiben, und der klagenden Partei besteht seit 1989 eine Geschäftsbeziehung. Nach einem Umbau der bestehenden Stallanlagen bestellten die Beklagten bei der klagenden Partei 6.000 Legehühner für Bodenhaltung. Auf der Rückseite des Auftragsformulars sind die "Allgemeinen Liefer- und Verkaufsbedingungen der österreichischen Geflügelwirtschaft" aus dem Jahre 1980 abgedruckt. Nach Punkt 8 dieser Bedingungen ist die Zurückhaltung von Zahlungen durch den Käufer oder die Aufrechnung mit Ersatzansprüchen des Käufers ausgeschlossen bzw. unzulässig. Den Beklagten war bekannt, daß die "Liefer- und Verkaufsbedingungen" auf der Rückseite des Auftragsformulars abgedruckt sind, sie maßen ihnen jedoch keine bzw. nur geringe Aufmerksamkeit bei und setzten sich nicht in Kenntnis dieser Bedingungen.

Einwendungen gegen die "Allgemeinen Liefer- und Verkaufsbedingungen" wurden von den Beklagten die erhoben, obwohl sich auf der Vorderseite des Auftragsformulars ein deutlicher Hinweis darauf findet, daß "im übrigen die umseitig angeführten Allgemeinen Liefer- und Verkaufsbedingungen der österreichischen Geflügelwirtschaft (1980)" gelten.

Aufgrund ihrer Bestellung wurden den Beklagten 6.007 Junghühner geliefert, jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Dies war mit ein Grund dafür, daß die von den Beklagten gewünschte Legeleistung nicht erreicht wurde.

Von der klagenden Partei wurde über "die Lieferung" mit Datum 19.10.1989 Rechnung über S 470.674,78 gelegt. Die Rechnung, die den erbrachten und vertraglich bedungenen Leistungen der klagenden Partei entspricht, wurde von den Beklagten wegen der Nichterbringung der geforderten Legeleistung nicht bezahlt.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, daß eine Aufrechnung mit den von den Beklagten erhobenen Gegenforderungen nicht stattfind. Der vertragliche Ausschluß einer Kompensation sei wirksam und nicht sittenwidrig. Dem Auftraggeber stehe eine gesonderte Geltendmachung von Gegenansprüchen, allenfalls auch im Wege einer Widerklage, frei. Die Beklagten hätten allfällige Gewährleistungsansprüche auch nicht entsprechend den Liefer- und Verkaufsbedingungen geltend gemacht.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Ausgehend von den unbestritten gebliebenen Feststellungen teilte es die Rechtsansicht der ersten Instanz. Der Einwendung der mangelnden Fälligkeit wegen bestehender Gewährleitungsansprüche stehe der vereinbarte Ausschluß einer Zahlungszurückhaltung entgegen. Einer derartigen Vertragsbestimmung könne die Bedeutung einer Fälligkeitsvereinbarung zugemessen werden, wenn die Zahlung selbst bei mangelhafter Leistung zu erbringen sei.

Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Es entspricht, worauf bereits von den Vorinstanzen hingewiesen wurde, ständiger Lehre (Gschnitzer inKlang2, VI 511; Koziol - Welser, Grundriß I8 267; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 29 zu § 1440) und Rechtsprechung (SZ 27/197, SZ 41/68, SZ 43/7, RZ 1974/23, JBl 1978, 266 ua), daß ein vertragliches Aufrechnungsverbot zulässig ist. Ein derartiger vertragsmäßiger Ausschluß der Kompensation liegt auch in Punkt 8 der "Allgemeinen Lieferbedingungen", es sei die Zurückhaltung von Zahlungen durch den Käufer oder die Aufrechung mit Ersatzansprüchen des Käufers ausgeschlossen bzw unzulässig. Auch die Zurückhaltung von Zahlungen wegen Gewährleistungsansprüche oder sonstiger, vom Lieferer nicht anerkannter Gegenansprüche des Bestellers ist danach nicht statthaft (Rummel aaO; SZ 41/68; JBl 1984, 147). Unbestriten ist auch, daß ein vertragsmäßiger Ausschluß der Aufrechnung nicht sittenwidrig ist (SZ 27/197; SZ 41/68; JBl 1985, 547; SZ 60/15 ua).

In vereinzelten Fällen wurde allerdings die Aufrechnung ungeachtet eines vereinbarten Kompensationsverbotes als zulässig angesehen. Dies etwa dann, wenn sich der Kläger erst unmittelbar vor Schluß der Verhandlung erster Instanz und nach Vorliegen eines Sachverständigensgutachtens, wonach Gewährleistungsansprüche begründet erscheinen, auf diese Ausschlußklausel beruft (vgl hiezu die von den Beklagten im Rechtsmittelverfahren genannte Entscheidung JBl 1984, 147), oder wenn dem Käufer durch einen derartigen vertraglichen Ausschluß oder eine Beschränkung des Gewährleistungsanspruches und allfälliger Schadensersatzansprüche das Recht genommen würde, Preisminderung oder Schadenersatz zu begehren, wiewohl arglistig verschwiegene Mängel vorliegen (5 Ob 84/73). Arglistiges Verschweigen von Mängeln aber haben die Beklagten nicht behauptet; und den in der Klagebeantwortung vom 18.4.1990 aufrechnungsweise eingewendeten Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüchen hat die klagende Partei bereits mit Schriftsatz vom 16.5.1990 die Bestimmung des Punkt 8 der Liefer- und Verkaufsbedingungen entgegengehalten. Das Sachverständigengutachten ON 9 aber langte erst am 19.12.1990 beim Erstgericht ein. Die gegenteilige Revisionsausführungen entsprechen nicht der Aktenlage.

Wurde in demnach zulässiger und beachtlicher Weise ein Kompensationsausschluß vereinbart, so ist die Gegenforderung im Verfahren nicht zu prüfen, sondern, wie es das Erstgericht auch getan hat, im Urteil auszusprechen, daß eine Aufrechnung der Klageforderung mit der Gegenforderung nicht stattfindet.

Das Berufungsgericht hat ungeachtet der auch von ihm aufgezeigten einheitlichen Rechtsprechung zur hier wesentlichen Rechtsfrage die Revision als zulässig angesehen, weil die Frage erörterungsbedürftig sei, weshalb unter den gegebenen Voraussetzungen eine prozessuale Aufrechungseinrede zur Geltendmachung von Gegenforderungen nach der Judikatur nicht zulässig sei, allfällige Gegenansprüche aber mit einer Widerklage geltend gemacht werden können; dies widerspreche prozeßökonomischen Grundsätzen.

Gerade der Umstand, daß der vertragsmäßige Ausschluß einer Aufrechnung der abgesonderten Geltendmachung von Gegenansprüchen, allenfalls im Wege einer Widerklage, nicht entgegensteht, wurde aber auch als Begründung dafür angeführt, daß ein derartiger Ausschluß keinen Verstoß gegen die guten Sitten bildet (JBl 1978, 266; 1 Ob 707/77; 5 Ob 575/82 ua)

Eine Widerklage ist nach § 96 Abs 1 JN für den Fall vorgesehen, daß der mit dieser geltend gemachte Anspruch mit dem Anspruch der Klage im Zusammenhang steht oder sich sonst zur Kompensation eignen würde (vgl auch Fasching, LB2 Rz 1299 und 1301 ff). Dennoch widerspricht es nicht prozeßökonomischen Grundsätzen, daß eine Aufrechnungseinrede, wie hier, im Fall eines bestehenden Aufrechungsverbotes zwar mittels Widerklage, nicht aber mit einer prozessuale Aufrechnungseinrede geltend gemacht werden kann. Im Verfahren über die Widerklage wird eine Gegenforderung unabhängig vom Bestand der Hauptforderung und dem Verfahren über diese festgestellt (Fasching aaO Rz 1299). Darin aber, daß auch über die Hauptforderung ebenso unabhängig von dem Bestand der Gegenforderung und dem Stand des Verfahrens über diese entschieden wird, liegt der wesentliche Sinn des vertraglichen Kompensationsausschlusses, weil dadurch das Verfahren über die Hauptforderung im allgemeinen beschleunigt und ohne Rücksicht auf allenfalls nur in einem aufwendigen und langwirigen Verfahren festzustellende Gegenforderungen durchgeführt und beendet werden kann, während über eine konnexe Gegenforderung gemäß § 391 Abs 3 ZPO auch nicht mit Teilurteil entschieden werden dürfte. Bei Zulassung einer prozessualen Aufrechnungseinrede ungeachtet eines vertraglichen Kompensationsverbotes würde die im Rahmen nach der Privatautonomie erlaubte Vereinbarung eines derartigen Verbotes zwecklos.

Es besteht daher kein Anlaß, von der bestehenden Rechtsprechung abzugehen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

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