Spruch:
In der Strafsache des Bezirksgerichtes Salzburg, AZ 29 U 509/91, ist das Gesetz verletzt.
1. Durch das Urteil vom 13.Februar 1992 insofern, als es eine Individualisierung der als Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 StGB qualifizierten Tat durch Abgabe eines Anfangs- und Endzeitpunktes unterläßt, in den Bestimmungen der §§ 260 Abs. 1 Z 1, 270 Abs. 2 Z 4, 458 Abs. 3 Z 1 StPO;
2. durch den Beschluß vom 13.Februar 1992 auf Absehen vom Widerruf der mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 24.März 1988, AZ 20 b
U 523/87, gewährten bedingten Strafnachsicht und auf Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre in den Bestimmungen der §§ 494 a Abs. 1 Z 2, Abs. 7 StPO, 56 StGB.
Das Urteil und der Beschluß werden aufgehoben und es wird dem Bezirksgericht Salzburg die neuerliche Verhandlung und Entscheidung über den Strafantrag des öffentlichen Anklägers gegen Roland T***** wegen § 198 Abs. 1 StGB aufgetragen.
Text
Gründe:
Mit dem im Spruch bezeichneten Urteil wurde der am 9.Jänner 1935 geborene freiberufliche Journalist Roland T***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt, deren Vollzug gemäß § 43 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Protokoll und Urteil wurden gemäß § 458 Abs. 3 StPO in gekürzter Form ausgefertigt, wobei der Sachverhalt mit den Worten "Roland T***** hat dadurch, daß er seiner minderjährigen Tochter Micha Theresia T*****, geboren am 6.Februar 1976, auch nach dem Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 20.Februar 1990, P 533/82-101, den Unterhalt gegenüber seiner Tochter auf S 600,-- monatlich ab 1.August 1979 herabzusetzen, nur durch drei Zahlungen vom Dezember 1990, 8. April 1991 und 28.Oktober 1991, von jeweils S 600,-- Unterhalt leistete und sich nunmehr der Gesamtunterhaltsrückstand auf S 94.750,-- beläuft, seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflichten gröblich verletzt und dadurch bewirkt, daß der Unterhalt oder die Erziehung des Unterhaltsberechtigten gefährdet wird oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet wäre" angegeben wurde.
Zugleich faßte das Gericht gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2, Abs. 7 StPO den Beschluß, vom Widerruf der mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 24.März 1988 gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen und die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern.
Das genannte Urteil und der zitierte Beschluß stehen mit den im Spruch bezeichneten Gesetzesstellen nicht im Einklang, wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 StPO erhobenen Beschwerde zutreffend aufzeigt:
Rechtliche Beurteilung
Wird nämlich ein Urteil in gekürzter Form ausgefertigt, so hat diese Ausfertigung gemäß § 458 Abs. 3 Z 1 StPO die im § 270 Abs. 2 StPO erwähnten Angaben mit Ausnahme der Entscheidungsgründe zu enthalten. Handelt es sich um ein Strafurteil, so muß gemäß § 270 Abs. 2 Z 4 StPO iVm § 260 Abs. 1 Z 1 StPO aus der gekürzten Urteilsausfertigung hervorgehen, welcher Tat der (die) Beschuldigte schuldig befunden worden ist, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Umstände, Zeit, Ort und Gegenstand der Tat sind mit einer hinreichenden Kennzeichnung anzugeben, um Verwechslungen mit anderen Straftaten oder eine Doppelbestrafung auszuschließen. Diese Individualisierung der strafbaren Handlung ist bei einer Ausfertigung des Urteils in gekürzter Form von besonderer Bedeutung, weil sich in einem solchen Fall die dem Schuldspruch zugrunde gelegten Feststellungen allein aus dem Urteilsspruch ergeben.
Das Urteil wird jedoch diesen Erfordernissen nicht gerecht. Die Individualisierung der Unterhaltspflichtverletzung erfordert jedenfalls eine zeitliche Umgrenzung mit Anfangs- und Endzeitpunkt. Das Bezirksgericht Salzburg hat jedoch weder den Beginn noch das Ende des strafbaren Verhaltens eindeutig bezeichnet. Eine zeitliche Begrenzung des strafbaren Verhaltens wäre aber im gegebenen Fall vor allem auch deshalb erforderlich gewesen, weil das Gericht im Urteilsspruch den Gesamtunterhaltsrückstand mit S 94.750 angegeben hat, ohne jedoch dabei anzuführen, in welchem Ausmaß diese Gesamtschuld durch die nunmehr geahndete Unterhaltsverletzung erhöht wurde. Da ein Teil des Unterhaltsrückstandes offenbar bereits vom Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 24.März 1986, GZ 20 b U 523/87-7, umfaßt war, fehlt der gegenständlichen Entscheidung insbesondere auch eine eindeutige Abgrenzung zu dieser Vorverurteilung. Ob als Endzeitpunkt der Tat der Tag der Stellung des Strafantrages angenommen wurde und ob allenfalls eine Ausdehnung der Anklage in der Hauptverhandlung erfolgte, geht aus der gekürzten Urteilsausfertigung und dem Protokollsvermerk nicht hervor.
Eine weitere Gesetzesverletzung ist dem Bezirksgericht Salzburg auch dadurch unterlaufen, daß es den Beschluß faßte, vom Widerruf der mit dem zitierten Urteil des Jugendgerichtshofes Wien gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen und die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern. Die Befugnis zu einem solchen Vorgehen steht dem erkennenden Gericht gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2, Abs. 7 StPO nämlich nur dann zu, wenn die materiellrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Nach § 56 StGB kann das Gericht die in den §§ 53 bis 55 StGB vorgesehenen Verfügungen nur in der Probezeit wegen einer während dieser Zeit begangenen strafbaren Handlung jedoch auch innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Probezeit oder nach Beendigung eines bei deren Ablauf gegen den Rechtsbrecher anhängigen Strafverfahrens treffen. Im gegebenen Fall war die Probezeit aus der Vorverurteilung am 24.März 1991 abgelaufen, womit der von der Nachverurteilung umfaßte Tatzeitraum (dessen Abgrenzung nicht klar zu erkennen ist) dem Anschein nach zum Teil wohl in diese Probezeit fiel. Die Beschlußfassung durch das Bezirksgericht erfolgte jedoch später als sechs Monate nach Ablauf der Probezeit, nämlich am 13.Februar 1992. Zum Zeitpunkt des Ablaufes der Probezeit war das neue Strafverfahren gegen T***** auch noch nicht anhängig, zumal die erstrichterliche Verfolgungshandlung erst am 2.Juli 1991 gesetzt wurde. Die materiellen Voraussetzungen des § 56 StGB für eine Beschlußfassung des erkennenden Gerichtes gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2, Abs. 7 StPO waren daher nicht gegeben.
Da dieser gesetzwidrige Beschluß dem Angeklagten zum Nachteil gereicht und seine Benachteiligung auch durch die mangelnde Individualisierung der Tat im Urteilsspruch nicht ausgeschlossen werden kann, waren beide Entscheidungen des Bezirksgerichtes Salzburg aufzuheben und diesem die neuerliche Verhandlung und Entscheidung über den Strafantrag aufzutragen.
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