OGH 14Os61/92

OGH14Os61/924.8.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.August 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof. Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Götsch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Claudio Franz F***** und Caroline Melanie W***** wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen beider Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 20.Dezember 1991, GZ 26 Vr 1442/91-54, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Claudio F***** und Caroline W***** des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und der Unterschlagung nach § 134 Abs. 2 StGB und Caroline W***** alleine des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127 und 15 StGB (in welchem Umfang das Urteil unangefochten blieb) schuldig erkannt.

Den Angeklagten liegt zur Last, am 25.April 1991 in Innsbruck im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter Andreas F***** durch Niederreißen zu Boden und Versetzen von Schlägen zur Herausgabe seiner Geldtasche genötigt (Punkt 1.a des Urteilsspruchs) und sich dabei ca 1.200 S, die sie ohne Zueignungsvorsatz in ihre Gewahrsame gebracht hatten, mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern (1.b).

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagten bekämpfen diesen Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerden, die Claudio F***** auf § 281 Abs. 1 Z 5 StPO, Caroline W***** darüber hinaus auch auf § 281 Abs. 1 Z 5 a und 9 lit a StPO stützen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Claudio F*****:

Die Mängelrüge (Z 5) wirft dem Urteil vor, die Feststellung, die Angeklagten hätten dem Tatopfer seine Geldbörse im bewußten und gewollten Zusammenwirken abgenötigt, sei ebenso mangelhaft begründet wie jene, beide Angeklagten hätten erfaßt, daß sie diesem nicht nur 500 S sondern zumindest 1.700 S abgenommen hatten und sich dazu entschlossen, durch die Zueignung des Differenzbetrages von 1.200 S unrechtmäßig zu bereichern. Dies finde in der Zeugenaussage des F***** keine Deckung.

Demgegenüber hat das Erstgericht den Tatablauf aus der zum wesentlichen Geschehen wiederholt und widerspruchsfrei gegebenen Darstellung des als glaubwürdig erachteten Zeugen Andreas F***** festgestellt. Darnach hat der Beschwerdeführer F***** am Boden niedergehalten und geschlagen, während ihm W***** zugleich gewaltsam die Geldtasche abgenommen hat, aus ihr den gesamten Geldbetrag entnahm und sie abschließend F***** zuwarf, der sie seinerseits wieder dem Tatopfer zuwarf (US 7, 8). Aus dieser gemeinsamen, aufeinander abgestimmten Vorgangsweise hat das Erstgericht auf den gemeinsamen Vorsatz der Angeklagten geschlossen (US 11, 14). Diese Schlußfolgerungen sind weder denkgesetzwidrig noch widersprechen sie den Gesetzen der Logik und der allgemeinen Lebenserfahrung. Der vom Erstangeklagten dem angefochtenen Urteil vorgeworfene Begründungsmangel haftet der Entscheidung daher nicht an.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Caroline W*****:

Die Mängelrüge (Z 5) releviert zunächst mangelnde Begründung der Feststellung des bewußten und gewollten Zusammenwirkens der Angeklagten als Mittäter bei beiden ihnen angelasteten Vergehen. Es fehle an einer Grundlage, weswegen die Zweitangeklagte gewußt habe, daß F***** dem Opfer die Geldtasche durch Gewalt abnötigen wollte.

Die Tatrichter stellten fest, daß sich die Zweitangeklagte an der Gewaltanwendung beteiligte, indem sie F***** gegen seinen Willen die Geldtasche aus seiner Hosentasche nahm, während ihn der Erstangeklagte niederhielt und schlug (US 7). Auf den gemeinsamen Tatvorsatz und damit auch auf das Wissen um die gemeinsame Tatausführung schlossen sie aus der gemeinsamen Handlungsweise der Angeklagten (US 14).

Das Erstgericht hat seine Feststellungen über den Tathergang auf die Aussage des Zeugen F***** gegründet und auf dieser Grundlage auf den gemeinsamen Tätervorsatz geschlossen, weil beide Angeklagte bei der Abnötigung der Geldbörse zielgerichtet und aufeinander abgestimmt vorgegangen sind. Aus dieser Zeugenaussage konnte auch festgestellt werden, daß das Geld, das sich vor dem Angriff des Erstangeklagten gegen F***** in seiner Geldtasche befunden hatte und unmittelbar darnach nicht mehr vorhanden war, von W***** entnommen worden ist, weil nur sie die Gelegenheit dazu hatte. Aus dem gemeinsamen Vorgehen beim Abnötigen der Geldtasche, die unmittelbar darauf ohne Inhalt wieder an das Tatopfer zurückgestellt wurde, konnten die Tatrichter auch berechtigterweise darauf schließen, daß es das Ziel der Angeklagten war, zum Inhalt der Geldbörse zu gelangen. Aus dem Umstand, daß W***** den gesamten Geldbörseninhalt entnahm und F***** davon nichts zurückerhielt, ist aber auch der Schluß berechtigt, daß die Angeklagten ihren Vorsatz nach Erlangen des ihre (vermeintliche) Forderung übersteigenden Betrages auch auf dessen Behalten ausgerichtet haben. Das gemeinsame Vorgehen zum Erlangen der Geldbörse und ihres Inhaltes läßt nämlich auch auf das gemeinsame Wollen und Behalten des Inhaltes schließen. Auf Grund denkrichtiger Schlußfolgerungen aus erwiesenen Tatsachen kann das Gericht auch zur Überzeugung der Richtigkeit weiterer Tatsachen kommen und diese somit gleichfalls als erwiesen ansehen (EvBl 1972/17).

Den weiteren Ausführungen der Mängelrüge zuwider ist das Schöffengericht sehr wohl davon ausgegangen, daß sich die Angeklagten entschlossen, den Überschußbetrag, den sie durch das Abnötigen der Geldtasche erlangt hatten, zu behalten um sich durch dessen Zueignung selbst zu bereichern (US 8).

Mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) versucht die Zweitangeklagte durch Vergleich von aus dem Zusammenhang gelösten Details der Aussage des Zeugen Andreas F***** erhebliche Bedenken gegen die tatsachenmäßigen Entscheidungsgrundlagen zu konstruieren. Soweit sie sich damit auf die Ursache der Verletzung an der Wange bezieht, die das Opfer unmittelbar nach der Tat aufwies, übersieht sie, daß F***** bereits in der ersten Vernehmung vor der Polizei, als er noch von der Annahme ausging, durch ein Messer verletzt worden zu sein, eine nähere Beschreibung ablehnte, weil alles so schnell abgelaufen war (AS 44) und sich in der weiteren Folge weder vor dem Untersuchungsrichter noch in der Hauptverhandlung auf die präzise Beschreibung einer Tatwaffe festlegen konnte (ON 13 und AS 234). Im übrigen werden mit diesem Vorbringen keine entscheidungswesentlichen Umstände releviert. Auch mit den Hinweisen auf einen allenfalls bedenklichen Zustand des F***** nach der Tat, auf seine Versuche, den genauen Inhalt der Geldbörse zu rekonstruieren, auf Beobachtungen des Zeugen R***** und den Umstand, daß der unterschlagene Bargeldbetrag bei den Angeklagten nicht vorgefunden wurde, können erhebliche Bedenken gegen entscheidungswesentliche Tatsachengrundlagen nicht hervorgerufen werden.

Das Schöffengericht hat all diese Umstände erwogen. Den Umstand, wie Andreas F***** die Verletzung an der Wange erhielt, hat es als unwesentlich erkannt (US 13) und seinen Zustand nach der Tat als nicht seine Aussagefähigkeit beeinträchtigend angesehen (US 15). Es ist davon ausgegangen, daß der Zeuge R***** nicht den gesamten Tatablauf beobachten konnte (US 10), wobei sich unter diesem Gesichtspunkt seine Aussage organisch in den Geschehensablauf fügt (US 15). Ferner hat es den Umstand, daß das unterschlagene Geld nicht bei den Angeklagten vorgefunden wurde, auf die bloß oberflächliche Nachsuche zurückgeführt (US 13).

Insgesamt stellt sich die Tatsachenrüge somit als Versuch dar, auf im Nichtigkeitsverfahren (nach wie vor) unzulässige Weise die Beweiskraft jener Umstände herabzusetzen, auf die sich das Schöffengericht bei der Feststellung der entscheidungswesentlichen Grundlagen gestützt hat, ohne daß sie in der Lage wäre, auf Basis des Akteninhalts erhebliche Bedenken dagegen aufzuzeigen.

Soweit eingangs der Rechtsrüge (Z 9 lit a) neuerlich Begründungsmängel releviert werden, kann auf die Ausführungen zur Z 5 verwiesen werden. Die Beschwerdeausführungen, dem Urteil ermangle es an Feststellungen zur subjektiven Tatseite, vernachlässigen die unmißverständlichen Urteilskonstatierungen, daß die Angeklagten in der Absicht gehandelt haben, Andreas F***** durch Gewalt die Geldtasche wegzunehmen bzw daß er deren Wegnahme duldet (US 7) und sie sich entschlossen, den Betrag von etwa 1.200 S, auf den sie keinen Anspruch hatten, zu behalten, um sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (US 8). Da die Ausführung der Rechtsrüge das Festhalten an den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils erfordert, wird sie, indem sie diese übergeht, nicht prozeßordnungsgemäß zur Darstellung gebracht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten waren daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zum Teil als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO), im übrigen aber als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt (§ 285 d Abs. 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO) sofort zurückzuweisen, woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285 i StPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte