Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 22.Dezember 1926 geborene Johann K***** wurde des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs.1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er - zusammengaßt wiedergegeben - seine Befugnis als Bürgermeister der Gemeinde G***** und damit Baubehörde erster Instanz dadurch wissentlich mit Schädigungsvorsatz mißbraucht, daß er am 19. Juni 1987 eine Bauanzeige des Friedrich G***** und am 22.Juni 1987 eine Bauanzeige des Alois und der Julia K*****, betreffend jeweils die Errichtung von Stallgebäuden im Freiland, zur Kenntnis nahm und genehmigte, obwohl es sich in beiden Fällen um Bauvorhaben handelte, die gemäß § 25 der Tiroler Bauordnung bewilligungspflichtig waren und die Bauwerber daher aufzufordern gewesen wären, bei der Behörde ein schriftliches Bauansuchen einzubringen.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Angeklagten dagegen aus den Gründen des § 281 Abs.1 Z 2, 3, 4, 5 und 9 lit.a des § 281 Abs.1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.
Die Geltendmachung des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes (Z 2) hat der Beschwerdeführer verwirkt, weil er sich in der Hauptverhandlung vom 26.November 1991 gegen den Vorhalt seiner im Vorverfahren vor dem Bezirksgericht Zell am Ziller nur in Gegenwart eines Richteramtsanwärters aufgenommenen Niederschrift (Band I ON 6) nicht verwahrte, sondern dazu ohne Widerspruch Stellung nahm (Band II S 16; vgl. Mayerhofer-Rieder3 § 281 Z 2 StPO ENr. 11).
In Ansehung des Zeugen Friedrich G***** hinwieder, der im Vorverfahren gleichfalls nur von einem Richteramtsanwärter vernommen wurde (Band I ON 5), ist der in der Beschwerde behauptete Vorhalt dieses nichtigen Vorerhebungsaktes dem Hauptverhandlungsprotokoll gar nicht zu entnehmen (Band II S 17 f). Demnach hat sich der Beschwerdeführer in diesem Falle am Ende des Beweisverfahrens im Zuge der gemäß § 252 Abs.1 Z 4 StPO vorgenommenen Verlesungen lediglich gegen die Wiedergabe der Protokolle ON 5 und ON 6 ausgesprochen und auf die - im Hinblick auf die bereits vorangegangene Erörterung an sich überflüssige - neuerliche Befragung nach der Richtigkeit der vor dem Bezirksgericht Zell am Ziller gemachten Angaben die Antwort verweigert, worauf von der Verlesung dieser Protokolle ebenso wie von einer weiteren Befragung des Beschwerdeführers Abstand genommen wurde (Band II S 19 f). Von einer Nichtigkeit begründenden Formverletzung in der Bedeutung der Z 3 des § 281 Abs.1 StPO kann mithin unter diesen Umständen keine Rede sein.
Im Hinblick darauf, daß der Inhalt der vor dem Bezirksgericht Zell am Ziller mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift im Wege des widerspruchslos hingenommenen Vorhalts Eingang in die tatrichterliche Beweisaufnahme gefunden hat, war es - der diesbezüglich unter der Z 4 (richtig: Z 5) ein Beweisverwertungsverbot reklamierenden Beschwerde zuwider - dem erkennenden Gericht auch nicht verwehrt, die im Vorverfahren getätigte Aussage bzw. die dem Vorhalt nachfolgende Erläuterung des Beschwerdeführers in die beweiswürdigenden Erwägungen miteinzubeziehen.
Dafür hingegen, daß auch die vom Zeugen G***** im Vorverfahren gemachten, in der Hauptverhandlung weder vorgehaltenen noch verlesenen und im übrigen mit der Aussage in der Hauptverhandlung ohnedies übereinstimmenden Angaben dieses Zeugen Verwertung fanden, bietet die Urteilsbegründung keinen Anhaltspunkt; der in diesem Zusammenhang erhobene, nicht weiter konkretisierte Beschwerdevorwurf eines Begründungsmangels (Z 5) geht daher insoweit überhaupt ins Leere.
Dies gilt im Ergebnis auch für die Verfahrensrüge (Z 4), welche die Abweisung des vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gestellten Antrages, ein Gutachten aus dem Baufach zum Beweis dafür einzuholen, "daß hinsichtlich beider Bauwerke, für deren Errichtung ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse nicht erforderlich ist, nur eine Anzeige- und keine Baubewilligungspflicht besteht" zum Gegenstand hat. Handelt es sich doch, wie das Schöffengericht zutreffend erkannte (Band II S 32), bei der Beurteilung des Umstandes, ob es sich um anzeige- oder bewilligungspflichtige Bauwerke handelte, um eine dem Gericht vorbehaltene Rechtsfrage, wogegen das Maß bautechnischer Kenntnisse für deren fachgerechte Herstellung zur Abgrenzung "baulicher Anlagen" (§ 3 Abs.1 TBO) von "Gebäuden" (§ 3 Abs.2 TBO) - wie unten bei der Behandlung der Rechtsrüge gezeigt werden wird - irrelevant ist. Der Antrag verfiel mithin zu Rcht der Ablehnung, wobei es angesichts des von vornherein verfehlten Beweisbegehrens auf sich beruhen kann, daß es das Schöffengericht, entgegen der Vorschrift des § 238 Abs.2 StPO, unterließ, das abweisliche Zwischenerkenntnis in der Hauptverhandlung (und nicht, wie es vorliegend geschah, erst im Urteil; Band II S 32) zu begründen (vgl. Mayerhofer-Rieder3 § 281 Z 4 StPO ENr. 27 a und 70).
Unbegründet sind aber auch die rechtlichen Einwände (Z 9 lit. a).
Im § 3 Abs.1 der Tiroler Bauordnung werden "bauliche Anlagen" als mit dem Erdboden verbundene Anlagen definiert, zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind, wogegen gemäß § 3 Abs.2 TBO Gebäude ...... überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene bauliche Anlagen sind, die von Menschen betreten werden können und dazu bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen.
Hieraus erhellt, daß das zur Herstellung des betreffenden baulichen Objektes erforderliche Maß an bautechnischen Kenntnissen kein Kriterium für die Abgrenzung zwischen (bloß anzeigepflichtiger) baulicher Anlage und (bewilligungspflichtigem) Gebäude darstellt.
Soweit die Beschwerde aber inhaltlich - wenn auch unschlüssig, weil die Anzeigepflichtigkeit nicht bestritten wird - auf die Behauptung hinausläuft, bei den fraglichen Objekten handle es sich mangels kraftschlüssiger Verbindung mit dem Boden und deshalb, weil zu ihrer Errichtung keine wesentlichen bautechnischen Kenntnisse erforderlich gewesen wären, nicht einmal um "bauliche Anlagen" im Sinne des § 3 Abs.1 TBO, zumal sie von Laien als "Provisorium" aufgestellt worden seien, genügt die Erwiderung, daß die sachgerechte Herstellung eines 25 bzw. 24 m2 Grundfläche erfordernden, allseitig umschlossenen und überdachten, das aufrechte Betreten durch Menschen ermöglichenden Stallgebäudes (Band II S 32) evidentermaßen bloß laienhaftes Wissen übersteigende bautechnische, insbesondere auch statische Kenntnisse voraussetzte und daß es, was die Verbindung mit dem Boden anlangt, ausreicht, daß die Anlage unverrückbar ist, welchem Erfordernis schon dann entsprochen ist, wenn sie lediglich auf dem Boden so aufgestellt ist, daß sie - wie ersichtlich hier - sturm- und kippsicher ist (VwGH 29.9.1969, 1863/68). Daß aber diese Ställe nur als Provisorium gedacht waren, ist rechtlich belanglos.
Der Rechtsrüge zuwider hat daher das Schöffengericht beide Stallungen zutreffend als "Gebäude" im Sinne des § 3 Abs.2 TBO qualifiziert und folglich auch zu Recht als gemäß § 25 lit. a TBO bewilligungspflichtige Bauvorhaben eingestuft.
Fehl geht die Rechtsrüge aber auch mit der darin aufgestellten Behauptung, es mangle an der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentlichen Feststellung, welche öffentlichen Interessen ein nur aus Holz provisorisch errichteter Viehunterstand zu berühren, der Sache nach also einen Schaden herbeizuführen vermag. Denn, wie bereits zu 11 Os 138/90 ausgeführt, und vom Schöffengericht damit übereinstimmend dargelegt wurde, ist eine Schädigung konkreter staatlicher Rechte immer schon dann gegeben, wenn durch die Vornahme oder Unterlassung von Hoheitsakten eine auf einer bestimmten Rechtsnorm beruhende staatliche Maßnahme vereitelt und der damit verbundene Zweck beeintächtigt wird, den der Staat mit der Erlassung dieser Vorschrift erreichen will, was im konkreten Fall bedeutet, daß auch das durch die Bestimmung der Tiroler Bauordnung objektivierte Interesse (siehe SSt. 51/55 = LSK 1981/39), daß bauliche Anlagen nur unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften und entsprechend der erteilten Baubewilligung errichtet werden dürfen, in den Schutzbereich des § 302 Abs.1 StGB fällt.
Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang eine mangelhafte Begründung des Schädigungsvorsatzes des Angeklagten releviert (Z 5), ohne die dazu angestellten detaillierten tatrichterlichen Erwägungen (Band II S. 30 ff) auch nur zu erwähnen, die sowohl den wissentlichen Befugnismißbrauch als auch den damit zusammenhängenden Schädigungsvorsatz lebensnah und schlüssig untermauern, entzieht sie sich mangels Substantiierung einer sachbezognen Erörterung und kann es damit sein Bewenden haben.
Daß schließlich der mit dem Hinweis auf "hunderte derartiger, lediglich mit Bauanzeige genehmigter Viehunterstände" verbundene Vorwurf einer "eklatanten Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes" weder den angezogenen (Z 9 lit. a) noch einen anderen Nichtigkeitsgrund aufzuzeigen vermag, bedarf gleichfalls keiner weiteren Einlassung.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sonach zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 302 Abs.1 StGB sowie gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf ein durch Rechtsmittelentscheidung im Strafmaß modifiziertes Urteil, mit dem der Angeklagte wegen § 302 Abs.1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden war, eine Zusatzfreiheitsstrafe von zwei Monaten, die es gleichfalls für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.
Erschwerend waren dabei die insgesamt dreifache Begehung eines Amtsmißbrauches und das neuerlich festzustellende Verharren des Angeklagten im Fehlverhalten über einen längeren Tatzeitraum hinweg, mildernd dagegen das tadelsfreie Vorleben und das Tatsachengeständnis.
Mit ihren dagegen erhobenen Berufungen streben der Angeklagte eine Reduzierung der Strafe, die Anklagebehörde hingegen deren Erhöhung und die Verhängung einer Geldstrafe anstelle eines Teiles der Freiheitsstrafe (§ 43 a Abs.2 StGB) an.
Keines der beiden Rechtsmittel ist begründet.
Das Schöffengericht hat die gegebenen Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig erfaßt, sie nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes aber auch zutreffend gewürdigt und namentlich einerseits der bisherigen Unbescholtenheit des Angeklagten und andererseits seinem hartnäckigen Verharren im Fehlverhalten die gebührende Bedeutung beigelegt und eine zusätzliche Unrechtsfolge geschöpft, die durchaus tatschuldadäquat erscheint.
Es mußte daher auch beiden Berufungen ein Erfolg versagt bleiben.
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