OGH 13Os21/92-7

OGH13Os21/92-715.7.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Juli 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Amschl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ewald P***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 2 und 3, erster Fall, StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 4.Dezember 1991, GZ 7 Vr 1077/91-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ewald P***** wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 2 und 3, erster Fall, StGB, der geschlechtlichen Nötigung nach dem § 202 Abs. 1 und 2, erster Fall, StGB und der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB sowie der Vergehen der Blutschande nach dem § 211 Abs. 1 StGB, des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 Abs. 1 StGB und der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Es liegt ihm zur Last, in Graz in der Zeit von Juni 1989 bis April 1991 seine am 19.Mai 1974 geborene eheliche Tochter Michaela P***** in wiederholten Angriffen mit Gewalt, indem er ihr Schläge und Fußtritte versetzte,

außer dem Fall des § 201 Abs. 1 StGB zur Duldung des Beischlafes genötigt zu haben, wobei die vergewaltigte Person durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurde (I/1 des Schuldspruches);

außer den Fällen des § 201 StGB zur Vornahme und Duldung geschlechtlicher Handlungen, nämlich zu seiner geschlechtlichen Befriedigung durch Masturbieren und zur Duldung der Betastung ihrer Brüste und ihres Geschlechtsteiles sowie des Einführens eines Massagestabes in die Scheide, genötigt zu haben, wobei die genötigte Person durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurde und insbesondere dadurch, daß er in einem Fall um die am Boden liegende Michaela P***** brennende Kerzen aufstellte, mit einem Messer mehrmals gegen ihre Scheide stieß und erklärte, daß er sie langsam aufschlitzen werde, in besonderer Weise erniedrigt zu haben (I/2);

mit seiner ehelichen Tochter Michaela P***** sohin mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, wiederholt den Beischlaf vollzogen zu haben (II/1);

durch die zu I/1 und 2 beschriebenen Taten sein minderjähriges Kind zur Unzucht mißbraucht zu haben (II/2);

am 14.April 1991 Rudolfine P***** mit Gewalt und durch gefährliche Drohung, indem er ihr Schläge versetzte und äußerte, er werde sie abstechen und alle umbringen, zu einer Handlung, nämlich zur Herausnahme der Michaela P***** aus dem Krankenhaus, genötigt zu haben (III);

seine Tochter Michaela P***** mit dem Tod gefährlich bedroht zu haben, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar am 18. April 1991 durch die Äußerung, er werde sie ans Kreuz nageln und ihr die Haut ganz langsam abziehen, sowie durch die wiederholte Äußerung, er werde sie umbringen, (IV/1) und am 20. April 1991 durch die Äußerung: "Heute kommst Du um 18 Uhr mit mir zum Felix Dahn Platz, dann bringe ich Dich um" (IV/2);

am 21.August 1991 in Graz Michaela P***** durch die Äußerung: "Du bist schon tot", wobei er mit erhobenen geballten Fäusten drohte (IV/1) und diese sowie Hedwig P***** durch die Äußerung: "Wartet, bis ich rauskomme, dann seid ihr alle dran" gefährlich bedroht zu haben, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen (V/2).

Gegen diesen Schuldspruch wendet sich der Angeklagte mit einer auf den § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und b sowie 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; indes zu Unrecht.

Die Verfahrensrüge (Z 4) macht geltend, infolge Ablehnung von in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge des Angeklagten (AS 286, 287) durch das Schöffengericht seien dessen Verteidigungsrechte verletzt worden.

Er hatte zunächst die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür beantragt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit könne festgestellt werden, daß, wäre sie tatsächlich mehrmals täglich vergewaltigt worden, eine Defloration der Michaela P***** erfolgt wäre, woraus sich ergäbe, daß ihre Behauptungen erfunden wären.

Rechtliche Beurteilung

Zu den vom Angeklagten vorgeworfenen Beischlafshandlungen haben die Tatrichter festgestellt, daß er mit seinem steifen Glied von hinten etwas, aber nie ganz, in die Scheide seiner Tochter eindrang (AS 296). In rechtlicher Beziehung erfordert jedoch das Delikt nach dem § 201 StGB nunmehr für die Tatbestandsverwirklichung zur Vollendung lediglich das Unternehmen des Beischlafs, wozu die Berührung der Geschlechtsteile genügt (Leukauf-Steininger, Kommentar3, Rz 8 zu § 201, Rz 3 zu § 206 StGB), weswegen sich in dieser Hinsicht die Frage nach einer Defloration des Mädchens erübrigt.

Soweit das Vergehen der Blutschande nach dem § 211 Abs. 1 StGB den Vollzug des Beischlafs voraussetzt, genügt hinwiederum das unvollständige Eindringen des Gliedes in die Scheide, wie es vom Schöffengericht festgestellt wurde (Leukauf-Steininger, aaO, Rz 8 zu § 201 StGB). Zu dieser Frage konnte sich das Erstgericht aber auch auf das in der Hauptverhandlung verlesene (AS 288) im Verfahren des Landesgerichtes für Strafsachen Graz zu AZ 7 Vr 71/89 eingeholte medizinische Gutachten stützen (ON 20 in diesem Akt), nach dem die vorliegend festgestellte Vorgangsweise des Angeklagten einerseits nicht ausgeschlossen ist, andererseits die Hymenalgestaltung bei seiner Tochter auch das Ergebnis einer Defloration sein kann.

Ferner hatte der Beschwerdeführer beantragt, Fritz B***** stellig zu machen und als Zeugen zum Beweis dafür zu vernehmen, daß die Tochter des Angeklagten sich diesem gegenüber geäußert habe, sie wolle sich des Angeklagten entledigen.

Die vom Erstgericht dazu unternommenen Ausforschungsbemühungen blieben jedoch ergebnislos (AS 235, 237), weshalb die Vernehmung des Fritz B***** undurchführbar war (Mayerhofer-Rieder, StPO3, ENr 104 zu § 281 Z 4).

Schließlich wurde die Einholung eines psychologischen Gutachtens über die Tochter des Angeklagten zum Beweise dafür beantragt, daß diese keinen anderen Ausweg mehr finden konnte und ihrem Vater die Vergewaltigungsdelikte vorwarf, um sich der autoritären und für sie unerträglichen Beziehung zu entziehen.

Im Verfahren ergaben sich keine Hinweise auf eine Persönlichkeitsentwicklungsstörung oder andere psychische Anomalien des Mädchens. Solche wurden auch gar nicht behauptet. Mit der in diesem Antrag enthaltenen Hypothese über die Motivation der behaupteten Falschaussage wird im Kern lediglich versucht, die Beweiskraft ihrer Aussage, auf die sich das Schöffengericht gestützt hat, zu schwächen. Durch die Ablehnung dieses Antrages wurden daher ebensowenig Verteidigungsrechte des Angeklagten beeinträchtigt.

Entgegen den Ausführungen der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichtes über entscheidende Tatsachen nicht widersprüchlich und steht mit den Denkgesetzen in Einklang. Auch die Erörterung wesentlicher Beweisergebnisse wurde keineswegs unterlassen.

Weder liegt ein innerer Widerspruch in der Feststellung, daß die Vergewaltigungsakte in der festgestellten Art fast täglich wiederholt wurden (AS 295) noch widerspricht das konstatierte Vorgehen, bedenkt man das übrige Tatgeschehen, der Logik oder den Denkgesetzen. Mit der Aussage der Ehegattin des Angeklagten als Zeugin, die den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen zuwider deponierte, ihre Tochter habe die Frage verneint, ob der Angeklagte mit ihr richtigen Geschlechtsverkehr hatte, was nach ihrer Aussage bedeutet habe, ob er mit seinem Penis ganz in die Scheide eingedrungen sei (AS 275), hat sich das Erstgericht ausführlich auseinandergesetzt (AS 306 ff). Was die Zeugin dabei als allfälliges weiteres Vorhaben des Angeklagten annahm, ist entscheidungsunwesentlich.

Letztlich bekämpft das Rechtsmittel jene Erwägungen, weswegen zum Vergehen der gefährlichen Drohung nicht dem Zeugen Peter M***** sondern anderen (auch unbeteiligten) Tatzeugen gefolgt worden war. Das Erstgericht hat dies ausführlich, sowie denkrichtig und logisch begründet (AS 310), der Beschwerdeeinwand richtet sich damit im Kern nur in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die geltendgemachten formalen Begründungsmängel haften der angefochtenen Entscheidung somit nicht an, weswegen auch die Mängelrüge versagen muß.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) macht aus den Akten hervorgehende, gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen sprechende erhebliche Bedenken nicht geltend. Auch hier wird zunächst die Aussage des Zeugen Peter M***** unter Vernachlässigung der gesamten erstrichterlichen Argumentation zu diesem Tatkomplex hervorgehoben, um die Aussagen jener Zeugen zu unterlaufen, denen das Schöffengericht beweiswürdigend gefolgt ist. Die übrigen Ausführungen zur Tatsachenrüge erschöpfen sich in einer Wiederholung der Darstellung des Angeklagten und seiner Argumente aus der Hauptverhandlung und zielen solchermaßen lediglich darauf ab, einer für ihn günstigeren Sachverhaltsversion zum Durchbruch zu verhelfen, ohne daß sich aus den Akten ergebende Bedenken geltend gemacht werden, die entweder aus schwerwiegenden, die Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsforschung (§§ 3, 232 Abs. 2, 254 StPO) ignorierenden Verfahrensmängeln resultieren oder auf das Außerachtlassen aktenkundiger Beweisergebnisse zurückzuführen sein müßten, die sich bei einer lebensnahen, an der allgemeinen menschlichen Erfahrung orientierenden Beurteilung mit dem Sachverhalt nicht oder nur schwer in Einklang bringen lassen könnten. Daß aus den Beweisergebnissen auch andere Schlußfolgerungen möglich wären, kann im Nichtigkeitsverfahren auch mit diesem Nichtigkeitsgrund nicht geltend gemacht werden.

Ebenso versagen die Rechtsrügen. Bei der Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes muß an den die Grundlage des Schuldspruches bildenden tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils festgehalten werden, die mit dem darauf angewendeten Gesetz zu vergleichen sind. Ausführungen, die zu den Urteilsfeststellungen in Widerspruch stehen oder diese nicht beachten, können nach dem § 288 Z 3 StPO keine Berücksichtigung finden (s. Mayerhofer-Rieder3, ENr 30 zu § 281 StPO).

Das Erstgericht hat entgegen den Ausführungen zur Rechtsrüge (Z 9 lit a) einerseits zu einzelnen Tathandlungen Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen (vgl insbes AS 296, 297, 315, 318 und 319); andererseits wurde die tatbildliche Nötigung des Opfers zur Duldung des Beischlafes und anderer geschlechtlicher Handlungen festgestellt, wobei sich diese insbesondere zufolge ihrer Begleitumstände als allein tätergewollt denk- und ausführbar darstellen, womit die vermißte Konstatierung zumindest bedingten Vorsatzes jedenfalls impliziert ist.

Soweit des weiteren (Z 9 lit b) neuerlich fehlender Vorsatz behauptet und deswegen das Vorliegen des Verbrechens der Vergewaltigung sowie des Vergehens der Blutschande bestritten wird, erfordert der in diesem Zusammenhang reklamierte Tatversuch eben jenen Vorsatz, wie das vollendete Delikt. Auch mit den Ausführungen zu einem allfälligen freiwilligen Versuchsrücktritt entfernt sich die Beschwerde von den schöffengerichtlichen Urteilsfeststellungen, weil sie außer acht läßt, daß es zum teilweisen Eindringen des Gliedes des Täters in die Scheide des Opfers gekommen ist, was zur Tatvollendung auch des Vergehens der Blutschande nach dem § 211 Abs. 1 StGB genügt (s.o.).

Aus ähnlichen Gründen geht auch die bloßen Tatversuch geltend machende Subsumtionsrüge (Z 10) ins Leere, weil sie an der Vollendung der dem Angeklagten angelasteten Straftaten feststellenden Urteilsannahmen vorbeigeht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde mußte daher insgesamt versagen. Sie war mithin schon bei einer nichtöffentlichen Beratung teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO), im übrigen aber als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt (§ 285 d Abs. 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO) sofort zurückzuweisen, woraus sich die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285 i StPO).

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