OGH 3Ob547/92

OGH3Ob547/928.7.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Sabine D*****und M*****, infolge Revisionsrekurses des väterlichen Großvaters Johann D*****, vertreten durch Dr. Robert Müller, Rechtsanwalt in Hainfeld, gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 1.April 1992, GZ R 77,78/92-44, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 8. Jänner 1992, GZ 1 P 77/90-33, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Text

Begründung

Die mj. Sabine und Martina D***** entstammen ebenso wie ihr am 6. Juli 1973 geborener Bruder Gerald der mit Beschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 21.Juni 1990 geschiedenen Ehe des Johann Karl D***** und der Adelheid D*****. Während die Obsorge über den mj. Gerald auf Grund des Beschlusses vom 20.Februar 1991, ON 16, den väterlichen Großeltern Johann und Josefa D***** zustand, befinden sich die beiden Mädchen in Obsorge ihre Mutter, die jetzt wieder zumindest teilweise mit dem Vater zusammenlebt.

Der väterliche Großvater stellte den Antrag, ihm ein Besuchsrecht zu Martina und Sabine an jedem ersten Sonntag im Monat in der Weise einzuräumen, daß er die Kinder um 8 Uhr von der Mutter abhole und spätestens um 19 Uhr zurückbringe.

Die Eltern sprachen sich gegen diesen Antrag aus. Die Großeltern übten einen schlechten Einfluß auf die Kinder aus und beeinflußten sie gegen die Eltern. Der Großvater sei ein Trinker. Die Eltern hätten Sorge, daß er die Kinder sexuell belästige.

Das Erstgericht räumte dem väterlichen Großvater ein Besuchsrecht an jedem ersten Sonntag im Monat in der Zeit von 12 bis 16 Uhr ein. Es trug den Eltern auf, den Kindern diesen ungestörten Kontakt zum väterlichen Großvater zu ermöglichen und auf die Kinder nicht dahingehend Druck auszuüben, daß diese den Kontakt zum väterlichen Großvater ablehnen sollten. Es trug ferner dem väterlichen Großvater auf, die Kinder nicht in der Schule zu besuchen. Das Erstgericht ging von folgendem Sachverhalt aus:

1980 hatten die väterlichen Großeltern ihre Landwirtschaft an die Kindeseltern übergeben: Die väterlichen Großeltern, die Eltern und die Kinder lebten gemeinsam auf dem bäuerlichen Hof. Dadurch hatten die beiden Mädchen einen intensiven Kontakt zu ihren väterlichen Großeltern.

1989 übernahm der väterliche Großvater wieder die inzwischen stark verschuldete Landwirtschaft. Die Eltern, die nach St.Pölten zogen, leben zwar seit der Scheidung in getrennten Wohnungen, doch besteht zwischen ihnen weiterhin ein gutes Einvernehmen und die Mädchen werden von ihnen - die Eltern arbeiten im Schichtbetrieb - abwechselnd betreut und gepflegt. Sabine besucht derzeit die erste Klasse Hauptschule, Martina die erste Klasse Volksschule.

Es bestehen keine Hinweise auf Alkoholmißbrauch durch den väterlichen Großvater oder die Gefahr einer allfälligen sexuellen Belästigung der Mädchen durch ihn.

Seit August 1989 verweigern die Eltern den väterlichen Großeltern den Kontakt zu den beiden Mädchen. Im Frühjahr 1991 besuchte der väterliche Großvater die Kinder öfters gegen den Willen der Eltern in der Schule. Die dabei vom Großvater mitgebrachten Geschenke durften die Kinder nicht annehmen.

Die psychologische Untersuchung ergab, daß sich Sabine Kontakt vor allem zum Großvater wünscht, sich jedoch durch die Eltern unter einem deutlichen Druck fühlt, da diese weitere Kontakte nicht wünschen. Auch bei Martina sind die Großeltern in der projektiven Testuntersuchung sehr präsent. Sie spricht sich aber, um eine Konfliktsituation mit den Eltern zu vermeiden, gegen weitere Kontakte zu den Großeltern aus. Sollten die Eltern einem Kontakt zu den Großeltern positiver gegenüberstehen, würde auch Martina diesen wünschen.

Ein wiederaufgenommener Kontakt der Mädchen zu ihren Großeltern bedeutet für sie eine Bereicherung und entspricht auch ihrer Beziehungskontinuität, da sie ja bereits in der Vergangenheit eine intensive Beziehung zu ihren Großeltern hatten. Negative Auswirkungen auf die Erziehung durch diese Besuchsrechtsregelung sind nicht zu befürchten. Ein regelmäßiger Kontakt zu den Großeltern entspricht daher dem Wohl der Kinder, falls diese nicht weiterhin der Konfliktsituation zwischen Eltern und Großeltern ausgesetzt sind.

In seiner rechtlichen Beurteilung kam das Erstgericht zum Ergebnis, daß ein Besuchsrecht bei den Großeltern die Entwicklung der beiden Mädchen fördern und ihnen sicher nicht schaden würde. Mit Rücksicht auf die bestehende Konfliktsituation sei die Besuchszeit auf nur wenige Stunden beschränkt worden. Aus diesem Grund bestehe auch nicht die Gefahr einer Beeinträchtigung der Erziehung, wie sie von den Eltern befürchtet werde. Zur Entspannung der Situation sei es zweckmäßig, daß die Mädchen von ihrem Bruder zu den Großeltern gebracht werden. Die Eltern dürften auch bei den Kindern keinen Druck gegen die Großeltern ausüben.

Das Rekursgericht wies den Antrag des väterlichen Großvaters ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Recht der Großeltern, mit den Kindern persönlich zu verkehren, sei schwächer als das der Eltern. Es hänge in erster Linie vom Wohl der Kinder ab. Durch das Besuchsrecht der Großeltern dürften das Familienleben der Eltern und deren Beziehungen zu den Kindern nicht gestört werden. Maßgebend sei ein objektiver Beurteilungsmaßstab, nicht die persönliche Einstellung der Eltern. Bestünden zwischen den Großeltern und der Mutter (den Eltern) so schwere Differenzen, daß dadurch die ruhige Entwicklung der Kinder gestört werden könne, sei ein Besuchsrecht abzulehnen. Nach dem vorliegenden Gutachten sei ein gewisser Minimalkonsens zwischen Eltern und Großeltern Voraussetzung für ein Besuchsrecht der Großeltern. Dieser aber bestehe nicht; die Besuchskontakte würden die Kinder noch weiter in die Konfliktsituation hineinziehen, sodaß sie nicht zu ihrem Vorteil seien.

Der Revisionsrekurs des väterlichen Großvaters ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Ob und inwiefern den Großeltern ein Besuchsrecht zusteht, hängt in erster Linie vom Wohl des Kindes ab. Darüber hinaus darf durch das Besuchsrecht der Großeltern auch nicht die Ehe oder das Familienleben der Eltern (eines Elternteiles) oder deren Beziehungen zu dem Kind gestört werden (§ 148 Abs 2 ABGB). Dabei ist aber, wie auch vom Rekursgericht hervorgehoben wurde, ein objektiver Maßstab anzulegen. Wenn das Wohl des Kindes den persönlichen Kontakt mit den Großeltern wünschenswert erscheinen läßt, muß auch von den Eltern verlangt werden, daß sie eine Atmosphäre schaffen, die einen solchen Kontakt ermöglicht (EvBl 1979/32, EFSlg 33.527).

Die Entscheidung der zweiten Instanz beruht nahezu ausschließlich auf der nicht nur ablehnenden, sondern geradezu feindseligen Einstellung der Eltern gegenüber den väterlichen Großeltern. Die hiefür behaupteten Gründe - der Großvater übe einen schlechten Einfluß auf die Kinder aus, weil er ein Trinker sei; es bestehe die Gefahr, daß er die Mädchen sexuell belästige; die Großeltern versuchten, die Autorität der Eltern zu untergraben und die beiden Mädchen gegen sie aufzubringen - konnten im Verfahren nicht objektiviert werden. Die negative Einstellung der Eltern zum Besuchsrecht der Großeltern allein kann jedoch das diesen gemäß § 148 Abs 2 ABGB eingeräumte Recht nicht zum Erlöschen bringen (5 Ob 536/86). Läßt das Wohl des Kindes den persönlichen Kontakt mit den Großeltern wünschenswert erscheinen, so muß vielmehr von den Großeltern verlangt werden, daß sie jene Atmosphäre schaffen, die der Ausübung des Besuchsrechtes durch die Großeltern zuträglich erscheint. Nur wenn trotz einer positiven Einstellung der Eltern die Ausübung dieses Rechtes dem Wohl des Kindes oder dem Familienleben abträglich wäre, könnte den Großeltern das Recht zum persönlichen Verkehr mit den Kindern untersagt werden (7 Ob 631/79).

Nach den Verfahrensergebnissen sind aber nicht nur negative Auswirkungen auf die Erziehung der Kinder durch ein Besuchsrecht des vom Erstgericht festgesetzten Ausmaßes nicht zu befürchten; ein wiederaufgenommener Kontakt der Mädchen zu ihren Großeltern bedeutet vielmehr eine Bereicherung für sie und entspricht ihrer Beziehungskontinuität, da sie ja bereits in der Vergangenheit eine intensive Beziehung zu ihren Großeltern hatten. Ein regelmäßiger Kontakt zu den Großeltern entspricht daher dem Wohl der Kinder. Diese nicht weiterhin der Konfiktsituation zwischen Eltern und Großeltern auszusetzen, ist Pflicht der Eltern.

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