OGH 4Ob537/92

OGH4Ob537/927.7.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith, Dr.Egermann, Dr.Kodek und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eleonore K*****, vertreten durch Dr.Herwig Grosch und andere Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Otto P*****, vertreten durch Dr.Erich Gugenberger, Rechtsanwalt in Frankenmarkt, wegen Feststellung der Vaterschaft infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 1.April 1992, GZ R 265/92-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 17.Jänner 1992, GZ 1 C 572/91f-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.264 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 544 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde am 21.12.1949 als eheliches Kind des Josef und der Anna K***** geboren. Diese hatten am 26.12.1939 vor dem Standesamt St.***** die Ehe geschlossen. Der am 3.1.1895 geborene Josef K***** ist am 8.7.1956, die am 3.7.1914 geborene Anna K***** am 8.9.1986 verstorben.

Mit der Behauptung, daß ihre Mutter ein langjähriges geschlechtliches Verhältnis mit dem Beklagten gehabt und in der empfängniskritischen Zeit ausschließlich mit ihm geschlechtlich verkehrt habe, begehrt die Klägerin unter Hinweis auf die damit verbundenen familien- und vermögensrechtlichen Konsequenzen, mit Urteil festzustellen, daß der Beklagte ihr leiblicher Vater sei.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe die Mutter der Klägerin nur auf Grund seiner Tätigkeit als Rauchfangkehrer gekannt, mit ihr jedoch niemals geschlechtliche Beziehungen unterhalten. Da die Vermutung der ehelichen Geburt der Klägerin nicht durch eine gerichtliche Entscheidung widerlegt sei, fehle der Klägerin, welche demnach kein uneheliches Kind sei, die Klagebefugnis nach § 164 c Z 1 ABGB.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Als eheliches Kind zähle die Klägerin nicht zu den gemäß § 164 c ABGB zur Klage auf Feststellung der Vaterschaft berechtigten Personen; ihr fehle deshalb die Klagelegitimation.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Ehelichkeitsvermutung nach § 138 ABGB könne nur durch eine gerichtliche Entscheidung nach § 159 ABGB widerlegt werden, mit der festgestellt wird, daß das Kind nicht vom Ehemann der Mutter abstammt. Diese Vermutung gelte auch dann, wenn schon nach den äußeren Umständen des Falles die biologische Abstammung vom Ehemann der Mutter ausgeschlossen sei. Solange kein klagestattgebendes Urteil im Sinne des § 159 ABGB vorliege, dürfe sich niemand auf die Unehelichkeit des gemäß § 138 ABGB als ehelich vermuteten Kindes berufen. Die eheliche Abstammung eines Kindes könne auch nicht in einem anderen Verfahren als Vorfrage geprüft werden. Ein anderer Mann könne demnach erst dann als (unehelicher) Vater in Anspruch genommen werden, wenn die Vermutung des § 138 ABGB auf die beschriebene Weise beseitigt worden ist. Folgerichtig stehe die Klagebefugnis nach § 164 c Z 1 ABGB nur dem unehelichen Kind gegen den mutmaßlichen Vater zu. Würde man eine solche Befugnis auch dem ehelichen Kind im Sinne des § 138 ABGB einräumen, dann hätte dies zur Folge, daß die gesetzliche Vermutung der Abstammung vom Ehemann der Mutter im Rahmen einer Vorfragenbeurteilung beseitigt werden müßte; das widerspreche aber dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers. Die von der Klägerin geltend gemachte Schlechterstellung gegenüber unehelichen Kindern liege weder in § 164 c Z 1 ABGB noch in der Ehelichkeitsvermutung des § 138 ABGB, sondern nur darin, daß die Vermutung bloß auf Veranlassung des Ehemannes der Mutter oder des Staatsanwaltes widerlegt werden kann, nicht aber durch eine Klageführung des Kindes selbst. Das sei rechtspolitisch möglicherweise bedenklich; eine Anfechtung der §§ 156 ff ABGB beim Verfassungsgerichtshof komme aber nicht in Betracht, weil diese Normen hier nicht präjudiziell seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß der Klage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zwar zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Befugnis einer als ehelich geltenden Person, die Klage auf Feststellung ihrer unehelichen Abstammung zu erheben, fehlt; sie ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, daß ihr die Klagelegitimation nach § 164 c Z 1 ABGB nicht abgesprochen werden könne, weil sie im Verhältnis zum Beklagten als uneheliches Kind anzusehen sei. Von der Ehelichkeitsvermutung könne nur der Ehemann der Mutter, nicht aber der Beklagte betroffen sein. Dem ist folgendes zu erwidern:

Der bis zum Inkrafttreten des Kindschaftsgesetzes (KindG) BGBl 1977/403 in Geltung gestandene § 159 a ABGB hatte bestimmt, daß die Unehelichkeit eines Kindes, für das die rechtliche Vermutung der ehelichen Geburt streitet, nur geltend gemacht werden kann, wenn sie rechtskräftig festgestellt ist; diese Bestimmung schloß aus, daß die Unehelichkeit eines Kindes, das nach § 138 ABGB als eheliches Kind zu vermuten war, in einem behördlichen Verfahren als Vorfrage behandelt wird (Wentzel-Plessl in Klang2 I/2, 124; EvBl 1970/276). Noch deutlicher ist § 138 Abs 1 Satz 2 ABGB idF des KindG, wonach die Ehelichkeitsvermutung nur durch eine gerichtliche Entscheidung widerlegt werden kann, mit der festgestellt wird, daß das Kind nicht vom Ehemann der Mutter abstammt (Bestreitung der Ehelichkeit). Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des KindG führen dazu aus:

"Der Abs 1 zweiter Satz, der sinngemäß dem geltenden § 159 a ABGB entspricht, bestimmt die Bedingungen, unter denen die rechtliche Vermutung der Ehelichkeit widerlegt werden kann. Dazu ist nur eine rechtskräftig gerichtliche Entscheidung fähig, mit der der Bestreitung der Ehelichkeit des Kindes auf Grund einer Klage stattgegeben wird; damit werden die bis dahin zwischen dem Ehemann der Mutter und dem Kind bestandenen familienrechtlichen Beziehungen beseitigt, das Kind ist sodann unehelich. Wer zur Bestreitung der Ehelichkeit des Kindes berechtigt ist, bestimmen die §§ 156 ff ABGB. Aus dem zweiten Satz ergibt sich somit, daß die Ehelichkeit eines Kindes nur in dem streitigen, dafür bestimmten Verfahren bestritten werden kann; als Vorfrage in einem anderen Verfahren kann darüber nicht entschieden werden" (60 BlgNR 14. GP 19).

Dem Berufungsgericht ist somit im Einklang mit der Rechtsprechung (EvBl 1970/276; SZ 45/23) und der Lehre (Ehrenzweig-Schwind 140; Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 4 zu § 138) darin zuzustimmen, daß die Vermutung der Ehelichkeit nur durch eine gerichtliche Entscheidung in einem Ehelichkeitsbestreitungsverfahren auf Grund einer Klage des Ehemannes der Mutter (§ 156 ABGB) oder des Staatsanwaltes (§ 158 ABGB) oder - nach dem Tod des Kindes - auf Antrag des Staatsanwaltes durch einen - im Außerstreitverfahren zu stellenden - Antrag auf Feststellung der Unehelichkeit (§ 159 Abs 2 ABGB) widerlegt werden kann und nicht als Vorfrage in einem anderen behördlichen Verfahren selbständig beurteilt werden darf. Wie weit entgegen der Entscheidung EvBl 1970/276 die bloße biologische Tatsache einer bestimmten Abstammung auch außerhalb eines Bestreitungsverfahrens nach §§ 156 ff ABGB untersucht werden kann (Jung, Die Bedeutung des § 159 a ABGB, JBl 1971, 560 ff), bedarf hier keiner Untersuchung: Auch wenn man die Meinung teilen wollte, daß das bloß biologische Faktum der Abstammung auch in jedem anderen Verfahren geprüft werden darf, kann doch kein Zweifel daran bestehen, daß die außereheliche oder eheliche Kindschaft Rechtsverhältnisse mit einer Summe von Rechten und Pflichten zwischen den Eltern und den Kindern begründet - Rechtsverhältnisse, deren Entstehen von der Rechtsordnung an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist (Jung aaO 563).

Können somit die Rechtsfolgen der Ehelichkeitsvermutung nur durch ein stattgebendes Urteil in einem Ehelichkeitsbestreitungsprozeß (oder durch einen Beschluß nach § 159 Abs 2 ABGB) beseitigt werden, dann ist das hier von der Klägerin gestellte Begehren in jedem Fall zum Scheitern verurteilt:

Faßt man die Klage auf Feststellung der Vaterschaft als Feststellungsklage im Sinne des § 228 ZPO auf (JBl 1955, 276; Petschek in seiner Anmerkung zu ZBl 1933/18; Michelmayer in seiner Anmerkung zu JBl 1955, 145; Fasching III 52 f), dann ist das rechtliche Interesse der Klägerin zu verneinen. Während dieses Interesse bei Vaterschaftsklagen im allgemeinen offenkundig ist und nicht behauptet zu werden braucht, liegen die Verhältnisse hier anders. Da im Hinblick auf § 138 Abs 1 Satz 2 ABGB die Klägerin trotz Feststellung der biologischen Vaterschaft des Beklagten weiterhin für die Rechtsordnung als eheliches Kind Josef K*****s gälte, würden sich die - von ihr in der Klage ausdrücklich zur Begründung ihres rechtlichen Interesses geltend gemachten - familienrechtlichen und vermögensrechtlichen Konsequenzen durch ein stattgebendes Urteil nicht ändern. Ob es ein Persönlichkeitsrecht auf Klärung der biologischen Abstammung gibt, braucht hier gleichfalls nicht beantwortet zu werden, weil sich die Klägerin darauf nicht berufen hat; daher kann auch die Frage offen bleiben, ob nicht selbst bei Bejahung eines solchen Rechtes die Feststellungsklage deshalb abzuweisen wäre, weil die biologische Abstammung kein Rechtsverhältnis, sondern eine Tatsache ist, eine solche aber - von der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde abgesehen - nicht Gegenstand eines Feststellungsurteils sein kann (Fasching, LB2 Rz 1094). Die Klage ist im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage auch dann jedenfalls abzuweisen, wenn man sie als (rückwirkende: Fasching III 17 und LB2 Rz 1113) Rechtsgestaltungsklage ansehen wollte (Pichler aaO Rz 1 zu § 164 c), weil eben nur ein der Ehelichkeitsbestreitungsklage stattgebendes Urteil (oder ein Beschluß nach § 159 Abs 2 ABGB) die rechtlichen Wirkungen der vermuteten ehelichen Abstammung beseitigen und vor deren Beseitigung die Klägerin nicht (gleichzeitig) für die Rechtsordnung auch als uneheliches Kind des Beklagten gelten könnte. Mit Recht haben daher die Vorinstanzen das Klagebegehren abgewiesen.

Zu dem von der Klägerin angeregten Antrag an den Verfassungsgerichthof auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 164 c Z 1 ABGB besteht kein Anlaß: Ganz abgesehen davon, daß sich die mangelnde Berechtigung des Klagebegehrens nicht - zumindest nicht in erster Linie - aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt, kann auch keine Rede davon sein, daß, wie die Klägerin meint, jeder Hinweis des Gesetzes auf Ehelichkeit oder Unehelichkeit auf einem Redaktionsfehler beruhen müsse oder verfassungswidrig wäre. Gerade das Anliegen des Gesetzgebers, den Unterhalt für alle Kinder zu regeln und auch dem unehelichen Kind das gleiche Erbrecht wie dem ehelichen Kind einzuräumen, macht es notwendig, daß der Vater des unehelichen Kindes ermittelt werden kann; dazu müssen aber Regeln geschaffen werden, die für eheliche Kinder entbehrlich sind. Der Gesetzgeber kann also den Gebrauch des Begriffes "uneheliches Kind" gar nicht vermeiden. Gegen die Fassung des § 164 c Z 1 ABGB bestehen somit keinerlei Bedenken.

Soweit sich aber die Klägerin deshalb beschwert erachtet, weil ihr nicht das Recht auf Bestreitung der ehelichen Abstammung zustehe, hat das nichts mit § 164 c Z 1 ABGB zu tun. Die Frage, ob die Regelung der Klagelegitimation in §§ 156 und 158 ABGB - welche tatsächlich rechtspolitisch bedenklich ist (Schwind aaO) - auch verfassungswidrig ist, kann der Oberste Gerichtshof hier schon deshalb nicht zum Gegenstand eines Antrages an den Verfassungsgerichtshof machen, weil er - wie schon das Berufungsgericht richtig hervorgehoben hat - diese Normen nicht anzuwenden hat. Auch dann, wenn die Klägerin bei anderer Rechtslage zur Ehelichkeitsbestreitungsklage befugt wäre, müßte doch die hier erhobene Klage jedenfalls abgewiesen werden.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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