Spruch:
I. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
II. Das Finanzamt für den 9., 18. und 19.Bezirk in Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz wird mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde auf die zu I. getroffene Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem bekämpften Urteil wurde Mathilde W***** von der wider sie erhobenen Anklage, sie habe im Bereich des Finanzamtes für den 9., 18. und 19.Bezirk in Wien vorsätzlich
I. durch Einreichung unrichtiger, nicht alle Umsätze ausweisender Umsatzsteuervoranmeldungen, sowie (gemeint: somit) unter Verletzung der Verpflichtung der (gemeint: zur) Abgabe von dem § 21 des UStG 1982 (gemeint: 1972) entsprechenden Voranmeldungen, eine in teilweiser Nichtentrichtung (Nichtabfuhr) gelegene Verkürzung der selbst zu berechnenden Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten, und zwar
1. im Zeitraum März 1984 bis Februar 1985 durch Einreichung unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Jänner, Februar, April, Juni, Juli, September, November und Dezember 1984 in der Gesamthöhe von 3,431.980 S,
2. im Zeitraum März 1985 bis Jänner 1986 durch Einreichung unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Jänner, Mai, Juni, Juli, August, Oktober und November 1985 in der Gesamthöhe von 8,069.975 S,
und hiedurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 3 lit a (gemeint: § 33 Abs. 2 lit a) FinStrG begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO und
von der weiteren Anklage, sie habe im Bereich des Finanzamtes für den 9., 18. und 19.Bezirk in Wien vorsätzlich
I. am 11.April 1985 durch Einbringung einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 1983, somit unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, eine Verkürzung von bescheidmäßig festzusetzender Umsatzsteuer für das Jahr 1983 um 110.628 S bewirkt und
II. durch Einrechnung unrichtiger, nicht alle Umsätze ausweisender Umsatzsteuervoranmeldungen, sowie (gemeint: somit) unter Verletzung der Verpflichtung der (gemeint: zur) Abgabe von dem § 21 des UStG 1982 (gemeint: 1972) entsprechenden Voranmeldungen, eine in teilweiser Nichtentrichtung (Nichtabfuhr) gelegene Verkürzung der selbst zu berechnenden Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten, und zwar im September 1983 für den Monat Juli 1983 in der Höhe von 110.628 S,
und hiedurch (zu I.) das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG und (zu II.) das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 3 lit a (gemeint: § 33 Abs. 2 lit a) FinStrG begangen, gemäß § 214 FinStrG freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil wenden sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft Wien und des Finanzamtes für den 9., 18. und 19. Bezirk in Wien. Erstere stützt sich auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO; die Finanzstrafbehörde erster Instanz als Beschwerdeführerin (§ 200 Abs. 2 lit a FinStrG) beschränkte sich in ihrer Rechtsmittelanmeldung (S 409) auf die Bekämpfung des Urteils wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, somit wegen materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe, und bezieht sich in ihrer Rechtsmittelausführung auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO.
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.
Zutreffend zeigt nämlich die Anklagebehörde in ihrer Mängelrüge (Z 5) einen dem erstgerichtlichen Urteil anhaftenden inneren Widerspruch und (der Sache nach auch) eine Unvollständigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen auf.
Das Erstgericht hielt die Verantwortung der Angeklagten, sie habe die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Golddukatengeschäfte in der Form abgewickelt, daß sie die Dukaten gegen ordnungsgemäße Rechnungen von einem Hermann K***** (im Akt überwiegend als G***** bezeichnet) erworben und mit einem Aufpreis von nur 1 bis 3 S pro Münze an Banken verkauft habe, weshalb sie sich berechtigt geglaubt habe, "gemäß § 11 UStG den Vorsteuerabzug für sich in Anspruch zu nehmen", für "nicht völlig unglaubwürdig" und bezeichnete "vor diesem Hintergrund die von der Angeklagten der Umsatzsteuer unterzogenen tatsächlichen Erlöse aus den Dukatenverkäufen (S 1,- bis S 3,- pro Verkauf) korrekt" - womit das Erstgericht der Sache nach den objektiven Tatbestand verneinte - und knüpfte daran die Folgerung, daß "in subjektiver Hinsicht ... somit" das Finanzvergehen nicht erfüllt sei (US 10 f).
Abgesehen davon, daß von einer "korrekten" Vorgangsweise der Angeklagten in objektiver Beziehung schon deshalb nicht die Rede sein kann, weil die Inanspruchnahme der Vorsteuer deren offene Ausweisung in den Voranmeldungen zu den Umsatzsteuervorauszahlungen zur Voraussetzung hat (§ 119 Abs. 2 BAO), gerät das erstgerichtliche Urteil - wie die Anklagebehörde zutreffend aufzeigt - mit sich selbst in einen inneren Widerspruch, soweit es bei gleichgelagerten objektiven und subjektiven Sachverhalten sowohl für das Abgabenjahr 1983 als auch für die Abgabenjahre 1984 und 1985 - das schöffengerichtliche Urteil nimmt insoweit keine Differenzierungen in den Tatsachenfeststellungen vor - einerseits für die Abgabenjahre 1984 und 1985 zu einem Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO gelangt, also der Sache nach offenbar einen entschuldbaren Irrtum nach § 9 FinStrG annimmt, andererseits aber für das davor liegende Abgabenjahr 1983 diesen entschuldbaren Irrtum ersichtlich nicht als gegeben annahm und deshalb (nur) zu einem Freispruch wegen Unzuständigkeit der Gerichte nach § 214 FinStrG gelangte.
Der alleinige Hinweis auf ein eingangs der Hauptverhandlung abgelegtes Schuldbekenntnis zu Punkt I. der Anklage (US 12) - das sich im übrigen nicht mit dem weiteren Inhalt der Verantwortung der Beschuldigten deckt - ist schon im Hinblick darauf für eine Differenzierung nicht tragfähig, weil sich die Angeklagte zu den Fakten laut Punkt II. der Anklage (S 273 f) nicht schuldig bekannte (S 327), wobei - der damaligen Rechtsprechung folgend als realkonkurrierend erfaßt - unter II. 1. eben derselbe Steuerbetrag enthalten ist, der unter Punkt I. angeführt ist.
Zutreffend zeigt die Anklagebehörde aber auch Umstände auf, die im Verfahren erster Instanz vorkamen und im Urteil mit Stillschweigen übergangen wurden:
Im Bericht über die bei der Angeklagten durchgeführte, die Abgabenjahre 1979 bis 1985 umfassende Betriebsprüfung (Blatt 13 ff im Abschnitt 1985 des Veranlagungsaktes Steuernummer 740/1123 des Finanzamtes für den 9., 18. und 19. Bezirk in Wien - im Akt des Erstgerichtes als Beilage zu ON 32 journalisiert), der in der Hauptverhandlung als wesentlicher Akteninhalt verlesen wurde (S 375), wird dargestellt, daß die Voranmeldungen zu den Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Februar, April und Mai 1983 - allesamt vor den hier interessierenden Tatzeiträumen liegend - eine ordnungsgemäße umsatzsteuerliche Behandlung von Golddukatengeschäften aufweisen (Blatt 36 verso im Abschnitt 1985 des erwähnten Veranlagungsaktes).
Das Erstgericht bleibt jede Begründung dafür schuldig, warum es trotz einem sich daraus manifestierenden Wissen der die Voranmeldungen zu den Umsatzsteuervorauszahlungen jeweils selbst verfassenden Angeklagten (S 105 vs und 108 vs im Akt StrLNr 117/86 des Finanzamtes für den 9., 18. und 19.Bezirk, um die korrekte Vorgangsweise zur Annahme gelangte, daß die Angeklagte bei nachfolgenden gleichartigen Geschäften eine anders geartete Vorgangsweise für richtig gehalten habe.
In diesem Zusammenhang ist im Hinblick auf das Vorbringen der Angeklagten in ihrer Gegenausführung zu den Nichtigkeitsbeschwerden, wonach im Jahr 1983 Dukatengeschäfte nicht mit K***** getätigt worden seien, darauf hinzuweisen, daß dieses Vorbringen eine Neuerung darstellt und mit der bisherigen Verantwortung der Angeklagten und den Aussagen ihres Ehemannes in Widerspruch steht, die den Beginn der Dukatengeschäfte mit K***** oder dessen Firma "I*****" stets mit 1983 datierten (S 4, 8 der Beilage B zu ON 11; S 4, 5 der Beilage C zu ON 11; S 333, 335, 347; S 105 im Akt StrLNr 117/86).
Aus den angeführten Gründen erweist sich demnach wegen der aufgezeigten, dem erstgerichtlichen Urteil anhaftenden Begründungsmängel eine Aufhebung des Urteils und die Anordnung der Verfahrenserneuerung als unumgänglich.
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde erster Instanz ist schon nach ihrer Anmeldung nur auf die Geltendmachung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe beschränkt. Zur prozeßordnungsgemäßen Ausführung eines solchen Nichtigkeitsgrundes wäre allerdings ein Festhalten an dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt und dessen Vergleich mit dem anzuwendenden Strafgesetz erforderlich. Der Inhalt der Rechtsmittelausführung des Finanzamtes für den 9., 18. und 19. Bezirk in Wien wird diesem Gebot nicht gerecht; er stellt sich nämlich ausschließlich als Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile nicht zulässigen Schuldberufung dar.
Diese Nichtigkeitsbeschwerde, die für sich allein somit einer Verwerfung anheimfallen müßte, war jedoch im Hinblick auf das erfolgreiche Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Anzumerken bleibt, daß das Erstgericht im erneuerten Verfahrensgang die Entscheidung des verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom 21.November 1991, 14 Os 127/90-17 (EvBl 1992/26 = NRsp 1991/258) zu beachten haben wird, wonach das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG, wenn in der Folge mit Beziehung auf den gleichen Verkürzungsbetrag und denselben Steuerzeitraum auch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen oder zumindest versucht wird, von letzterem konsumiert wird.
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