Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung einschließlich der bereits in Rechtskraft erwachsenen Abweisung eines Teilbetrages von S 3.602,-- s.A. zu lauten hat:
"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, binnen 14 Tagen der klagenden Partei den Betrag von S 784.756,55 samt 5 % Zinsen seit Klagstag zu bezahlen, wird abgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 191.067,60 bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz (darin S 31.844,60 Umsatzsteuer), die mit S 48.098,40 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 15.000,-- Barauslagen und S 5.516,40 Umsatzsteuer) sowie die mit S 43.852,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 24.000,-- Barauslagen und S 3.308,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei ficht die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen im Gesamtbetrag von S 784.756,55, die die Gemeinschuldnerin an die beklagte Partei in der Zeit von Jänner bis April 1986 leistete, gemäß den §§ 30 und 31 KO an. Sie brachte vor, bei den Zahlungen habe es sich um nachteilige Rechtshandlungen für die Gläubiger gehandelt, der beklagten Partei sei die Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung der Gemeinschuldnerin bekannt gewesen oder hätte ihr zumindest bekannt sein müssen, die beklagte Partei habe Befriedigung erlangt, die sie nicht auf diese Weise zu erlangen berechtigt gewesen wäre, sodaß sie gegenüber den anderen Gläubigern begünstigt worden sei.
Die beklagte Partei wendete ein, von einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gemeinschuldnerin sei ihr nichts bekannt gewesen. Die Beitragszahlungen seien innerhalb der gesetzlichen Zahlungsfrist geleistet worden, es liege keine Inkongruenz vor.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Teilbetrages von S 3.602 s.A. statt. Aus dem festgestellten Sachverhalt ist folgendes hervorzuheben:
Obwohl die Gemeinschuldnerin überschuldet und zahlungsunfähig war, gelang es ihr, die fällig gewordenen Sozialversicherungsbeiträge an die beklagte Partei ohne vorausgegangene Mahnung pünktlich zu bezahlen. Folgende von der beklagten Partei angefochtene Zahlungen wurden geleistet:
14.1.1986 (Beiträge für Dezember 1985) S 192.036,36
17.2.1986 (Beiträge für Jänner 1986) S 185.839,19
7.3. und 19.3.1986 (Beiträge für
Februar 1986) S 181.046,52
11.4.1986 (Beiträge für März 1986) S 212.232,48
insgesamt S 781.154,55.
Die beklagte Partei war über die finanzielle Situation der Gemeinschuldnerin nicht informiert, ihr war auch im Zeitpunkt der an sie geleisteten Zahlungen die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin nicht bekannt.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die angefochtenen Zahlungen seien innerhalb der Anfechtungsfrist des § 30 Abs.2 KO geleistet worden. Die beklagte Partei habe zwar eine Befriedigung erhalten, auf die sie einen gesetzlichen Anspruch gehabt habe, sie habe Befriedigung aber nicht "in der Zeit zu beanspruchen gehabt", da der Anspruch erst innerhalb der kritischen Frist des § 30 Abs.1 KO begründet worden sei. Die Zahlungen seien für die Konkursgläubiger auch nachteilig gewesen, sie seien daher gemäß § 30 Abs.1 Z 1 KO anfechtbar, nicht aber nach § 31 Abs.1 Z 2 KO, weil die subjektive Voraussetzung, daß dem anderen Teil die Zahlungsunfähigkeit bekannt war oder bekannt sein mußte, nicht gegeben sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Es führte aus, die Anfechtungstatbestände der §§ 30 Abs.1 und 31 Abs.1 KO setzten eine bereits bestehende Gläubigerstellung zur Zeit der Befriedigung voraus. Rechtsgeschäfte des Gemeinschuldners, bei denen gleichwertige Leistungen ausgetauscht werden, sollten nicht unterbunden werden. Dieser Grundsatz sei von der Rechtsprechung auch auf die Abwicklung von Arbeitsverträgen angewendet worden, sofern darin ein Austausch von Geld und Arbeit nach dem Zug-um-Zug-Prinzip erblickt werden könne. Dies werde dann angenommen, wenn das Arbeitsentgelt für einen Verrechnungsabschnitt nicht so spät nach dem Eintritt der Fälligkeit gezahlt werde, daß der notwendige zeitliche Zusammenhang mit den bereits erbrachten Arbeitsleistungen nach der Verkehrsauffassung nicht mehr als gegeben angesehen werden könne (vgl. EvBl.1989/21; WBl.1989, 192). Die in EvBl.1984/21 angeführten Kriterien könnten bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt aber nicht angewendet werden. Hier fehle es nämlich an einem für ein Zug-um-Zug-Geschäft essentiellen Austausch von Leistungen sowie an einer mit der angefochtenen Rechtshandlung (Zahlung) gleichzeitig erfolgten Begründung von Gläubigerrechten. Ein anfechtungsfestes Zug-um-Zug-Geschäft liege nur dann vor, wenn durch ein vom Gemeinschuldner eingegangenes Rechtsgeschäft erst ein Gläubiger entstanden und dieser sogleich durch dasselbe Rechtsgeschäft zu einer Deckung gelangt sei (vgl. EvBl.1985/93). Daran fehle es aber hier. Die (öffentlich-rechtliche) Verbindlichkeit, die Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen, sei nicht rechtsgeschäftlich entstanden und es mangle somit überhaupt an einem vertraglichen Leistungsaustausch zwischen der Gemeinschuldnerin einerseits und der Beklagten andererseits. Die anfechtungsrechtliche Beurteilung eines solchen Leistungsaustausches (zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer) bilde aber den Gegenstand des zu EvBl.1989/21 veröffentlichten Erkenntnisses. Da es an allen wesentlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Zug-um-Zug-Geschäftes fehle und ein gleichgelagerter Fall, der der Entscheidung EvBl.1989/21 zugrundelag, nicht vorliege, könnten die dort angeführten anfechtungsrechtlichen Grundsätze nicht in Betracht gezogen werden.
Die beklagte Partei bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, die Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Dem Berufungsgericht ist wohl insoweit beizupflichten, als der Entscheidung EvBl.1989/21 (= SZ 61/101, WBl.1988, 373, BankArch 1989, 78) kein gleichgelagerter Fall zugrundelag. Dies aber deshalb, weil der Anfechtungsgegner dort Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin, einer Gesellschaft mbH, hatte und überdies deren Gesellschafter, also gemäß § 32 Ab.2 KO "naher Angehöriger" war. Es ging also darum, ob die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach den §§ 30 Abs.1 Z 2 und 31 Abs.1 Z 2 KO vorliegen. In der vom Berufungsgericht ebenfalls zitierten Entscheidung WBl.1989/192 (= SZ 62/15 und ZAS 1989/23) wurde die Zahlung eines noch nicht fälligen Arbeitsentgelts für anfechtbar erklärt.
Im vorliegenden Fall war der beklagten Partei die
Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin nicht bekannt, sie
mußte ihr auch nicht bekannt sein, die beklagte Partei ist auch
keine nahe Angehörige der Gemeinschuldnerin. Eine Anfechtung nach
den §§ 31 und 30 Abs.1 Z 2 KO scheidet daher aus. Für eine
Anfechtung nach § 30 Abs.1 Z 1 KO wäre es aber erforderlich, daß
die beklagte Partei Befriedigung erlangt hätte, die sie nicht
oder nicht in der Art oder nicht in der Zeit zu beanspruchen
hatte. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es ist
unbestritten, daß die beklagte Partei Anspruch auf die
Beitragszahlungen hatte, ihre Forderungen waren zur Zeit der
Zahlung fällig; die Zahlungen entsprachen den materiellen
Rechtsverhältnissen, die beklagte Partei erhielt nur das, was ihr
gebührte, es handelte sich somit nicht um eine inkongruente
Befriedigung (vgl. König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung,
240 ff; Petschek-Reimer-Schiemer, Das österreichische
Insovlenzrecht 326 ff; Holzhammer, Österreichisches
Insolvenzrecht2 47; Heil, Insolvenzrecht, Rz 129; JBl.1957/420;
SZ 63/26; 1 Ob 523/85 uva).
Die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge ist schon aus diesem Grund nicht anfechtbar, das Begehren des Masseverwalters auf Rückzahlung der geleisteten Beiträge ist nicht berechtigt.
Der Revision war daher Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen wird.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz beruht auf § 41 ZPO (der Schriftsatz vom 24.10.1989 war nur nach TP 2 zu honorieren), jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens überdies auf § 50 ZPO.
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