OGH 9ObA104/92

OGH9ObA104/9217.6.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Hölzl und Dr. Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R***** K*****, Angestellter, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei I***** T***** C***** GesmbH, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wegen 271.525,39 S brutto abzüglich 34.589,27 S netto (Revisionsstreitwert 264.956,36 S brutto abzüglich 34.589,27 S netto) infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Jänner 1992, GZ 33 Ra 121/91-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18. Februar 1991, GZ 20 Cga 20/90-9, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.213,16 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 868,86 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war ab 4.September 1989 als kaufmännischer Angestellter bei der beklagten Partei in einem mit 6.März 1990 befristeten Arbeitsverhältnis gegen ein Entgelt von 45.000 S brutto monatlich beschäftigt. Er sollte eine Abteilung aufbauen, die Software für Großkunden zu erstellen hatte. Im Rahmen dieser Tätigkeit hatte der Kläger auch Kunden zu besuchen. Zur Kontrolle seiner Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter und zur Gewährleistung seiner Erreichbarkeit hatte er eine sogenannte Wochenplanung im Sekretariat der beklagten Partei abzugeben, in der die gesamte Woche bereits exakt geplant sein sollte. Kurzfristige Änderungen dieser Planung waren dem Sekretariat bekanntzugeben. Im Anschluß an die Besuche hatte der Kläger Besuchsberichte abzufassen. Die nach seinem Diktat geschriebenen Besuchsberichte wurden ihm nochmals zur Unterfertigung vorgelegt. Der Kläger setzte sich aber über diese Weisungen hinweg. Seine Wochenplanungen entsprachen weder den von ihm tatsächlich geplanten noch den durchgeführten Kundenbesuchen; der Kläger schrieb lediglich anhand der Kundenkartei Kunden und Telefonnummern auf und trug nur ausnahmsweise auch einen vereinbarten Termin in diese Wochenplanung ein. Da die im Plan angegebenen Gesprächspartner, Adressen und Telefonnummern unrichtig waren, waren die Wochenpläne und die tatsächliche Tätigkeit des Klägers für die Unternehmensleitung nicht überprüfbar. Auch in den Besuchsberichten führte der Kläger nicht die tatsächlich geführten Gespräche an. Der Geschäftsführer der beklagten Partei beauftragte eine Sekretärin mit der Überprüfung der Wochenplanungen und Besuchsberichte des Klägers. Diese teilte dem Geschäftsführer am 22. November 1989 mit, daß sie für die vom Kläger im Wochenplan angegebenen Termine keine Gesprächspartner feststellen konnte, worauf der Geschäftsführer der beklagten Partei die Entlassung des Klägers aussprach und den Kläger ausdrücklich darauf hinwies, daß Grund für die Entlassung die Nichteinhaltung von Kundenterminen sei. Erst nach der Entlassung des Klägers stellte der Geschäftsführer der beklagten Partei fest, daß der Kläger auch unrichtige Besuchsberichte abgegeben hatte. Bereits am 20.November 1989 hatte der Kläger wegen Meinungsverschiedenheiten über die Aufnahme weiterer Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis mit der beklagten Partei zum 31.Dezember 1989 aufgekündigt. Der Kläger hat während der Dauer des Arbeitsverhältnisses keinen Urlaub verbraucht.

Der Kläger begehrt einen Betrag von 271.525,39 S brutto abzüglich 34.589,27 S netto und brachte vor, daß das mit 6.März 1990 befristete Arbeitsverhältnis von der beklagten Partei am 22. November 1989 durch ungerechtfertigte Entlassung beendet worden sei. Der Kläger habe Anspruch auf Zahlung des vollen Entgeltes bis 6. März 1990.

Im einzelnen machte der Kläger folgende Ansprüche geltend:

Gehalt für November und Dezember 1989

sowie Jänner und Februar 1990 180.000,-- S

Gehalt für 6 Tage im März 1990 9.000,-- S

je 6/12 des Urlaubszuschusses und

der Weihnachtsremuneration 45.000,-- S

anteiligen Urlaubszuschuß und Weih-

nachtsremuneration für 6 Tage 1.500,-- S

Urlaubsabfindung 31.453,39 S

Barauslagen und Reisekosten für

November 1989 4.172,-- S

10 Meinl-Gutscheine für Essen am

Arbeitsplatz 400,-- S

Summe 271.525,39 S.

Darauf habe der Kläger am 19.Dezember 1989 einen Nettobetrag von 34.589,27 S erhalten.

Die beklagte Partei anerkannte einen Teilbetrag von 4.572 S (Barauslagen, Reisekosten und Meinl-Gutscheine) und beantragte im übrigen die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe eine Reihe von Kundenbesuchen behauptet und Spesen in Rechnung gestellt, obwohl diese Besuche nicht stattgefunden hätten. Weiters habe der Kläger die ausdrücklichen Anweisungen hinsichtlich der Wochen- und Tourenplanung mißachtet und sei entgegen dem Konkurrenzverbot während des aufrechten Arbeitsverhältnisses in der Branche der beklagten Partei im eigenen Namen tätig gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich des anerkannten Teilbetrages von 4.572 S brutto sA statt und wies das Mehrbegehren von 266.953,39 S brutto abzüglich 34.589,27 S netto ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß infolge des Verhaltens des Klägers die Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit gerechtfertigt gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es dem Kläger einen Teilbetrag von 72.205,08 S brutto abzüglich 34.589,27 S netto samt Anhang zusprach und das Mehrbegehren von 199.320,31 S brutto samt Anhang abwies. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, daß die Entlassung des Klägers zu Recht erfolgt sei. An entlassungsunabhängigen Ansprüchen stünden dem Kläger - unter Zugrundelegung der in der mündlichen Berufungsverhandlung verlesenen Gehaltsabrechnung - eine Urlaubsabfindung entsprechend einer zurückgelegten Dienstzeit von 12 Wochen im Betrage von 13.979,28 S brutto sowie ein anteiliges Gehalt für November 1989 bis zum Entlassungstag von 32.884,60 S brutto, ferner ein Betrag von 20.769,20 S brutto an aliquoten Sonderzahlungen für 12 Wochen sowie der vom Erstgericht zugesprochene Betrag von 4.572 S brutto zu. Von der sich ergebenden Summe von 72.205,08 S brutto sei der dem Kläger überwiesene Nettobetrag von 34.589,27 S abzuziehen. Ein nach der vorgelegten Gehaltsabrechnung von der beklagten Partei abgezogener Vorschuß sei nicht zu berücksichtigen, weil die beklagte Partei darüber keine Prozeßbehauptung aufgestellt habe.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Parteien. Als Revisionsgründe machen beide Parteien unrichtige rechtliche Beurteilung, die beklagte Partei überdies Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Aktenwidrigkeit geltend. Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; die beklagte Partei beantragt, es dahin abzuändern, daß das Klagebegehren im Umfang von weiteren 65.636,05 S brutto abzüglich 34.589,27 S netto abgewiesen werde. Hilfsweise wird von beiden Revisionswerbern ein Aufhebungsantrag gestellt.

Beide Teile beantragen, jeweils der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Beide Revisionen sind nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Revision des Klägers:

Nach herrschender Rechtsprechung und Lehre müssen im Rahmen des Ausspruches der vorzeitigen Lösung des Arbeitsverhältnisses die konkreten wichtigen Gründe nicht bekanntgegeben werden; es reicht aus, daß dem Erklärungsempfänger erkennbar ist, daß der Erklärende von seinem Recht Gebrauch macht, das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen vorzeitig zu lösen. Auch wenn in der Entlassungserklärung ein bestimmter Grund angegeben wurde, hindert dies den Arbeitgeber nicht, später noch andere Gründe geltend zu machen, die ihm im Zeitpunkt des Ausspruches der Entlassung noch nicht bekannt waren, falls sie sich vor der Entlassung ereignet haben (siehe Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht I3 304; Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz AngG7 548 f; Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht4 442 f, jeweils mwH; Kuderna, Entlassungsrecht 12).

Richtig haben die Vorinstanzen auch erkannt, daß das Verhalten des Klägers Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 AngG dritter Tatbestand begründete. Unter diesen Entlassungstatbestand fallen Handlungen oder Unterlassungen des Arbeitnehmers, die vom Standpunkt vernünftigen dienstlichen und geschäftlichen Ermessens für den Arbeitgeber objektiv die Befürchtung rechtfertigen, daß seine Interessen und Belange durch den Angestellten gefährdet sind (siehe ZAS 1991, 63 [Resch] = SZ 62/214;

Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz AngG7 609 sowie Kuderna Entlassungsrecht 88 f). Die Arbeit eines im Außendienst eingesetzten Angestellten setzt eine besondere Vertrauenswürdigkeit voraus, da weder eine exakte Überwachung der Arbeitszeit noch eine genaue Kontrolle seiner Tätigkeit möglich ist, sondern der Arbeitgeber im wesentlichen auf die Richtigkeit der Berichte und Angaben des Angestellten angewiesen ist. Hat der Angestellte, wie im vorliegenden Fall, mehrfach unrichtige Angaben gemacht, kann dies daher nicht mehr als bloße Unkorrektheit angesehen werden (siehe Arb 10.017; 14 Ob A 65/87 sowie RdW 1988, 205). Ob der Kläger ausschließlich im Außendienst eingesetzt war, ist nicht entscheidend; es reicht aus, daß er auch im Außendienst tätig war und die Wochenplanung sowie die Besuchsberichte der Kontrolle seiner Tätigkeit dienten, so daß die Interessen des Arbeitgebers durch die zahlreichen Unrichtigkeiten in den vom Kläger über seine Tätigkeit erstellten Unterlagen ebenso gefährdet waren wie durch falsche Angaben eines ständig im Außendienst eingesetzten Angestellten.

2. Zur Revision der beklagten Partei:

Die geltend gemachten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zu Unrecht wendet sich die beklagte Partei auch gegen die

rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes.

Der Kläger hat in der Klage unter anderem auch nicht

entlassungsabhängige Ansprüche - wie Gehalt bis einschließlich

22. November 1989, anteilige Sonderzahlungen für den Zeitraum vom

4. September 1989 bis 22.November 1989, Urlaubsabfindung für diesen

Zeitraum sowie einen Betrag von 4.572 S für Barauslagen,

Reisekosten und Essensgutscheine - geltend gemacht. Er hat dazu

vorgebracht, darauf von der beklagten Partei am 19.Dezember 1989

lediglich einen Betrag von 34.589,27 S netto erhalten zu haben. Die

im Verfahren erster Instanz anwaltlich vertretene beklagte Partei

hat den Betrag von 4.572 S anerkannt, sich im übrigen aber mit der Behauptung begnügt, sämtliche (anderen) entlassungsunabhängigen Ansprüche seien mit dem Betrag von 34.589,27 S netto beglichen worden. Daß neben den gesetzlichen Abzügen ein Vorschuß von 15.744,80 S von den vom Kläger geltend gemachen entlassungsunabhängigen Bruttoentgeltansprüchen in Abzug zu bringen sei, hat im Verfahren erster Instanz weder die anwaltlich vertretene beklagte Partei behauptet noch ergibt sich derartiges aus dem Vorbringen des Klägers. Im Berufungsverfahren galt hingegen für die beklagte Partei gemäß § 482 ZPO iVm §§ 40 Abs 1 und 63 Abs 1 ASGG das Neuerungsverbot. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin hat schließlich der Kläger auch im Berufungsverfahren mit dem Vorbringen, der von der beklagten Partei einbehaltene Vorschuß von 15.744,80 S sei (später) gesondert eingeklagt worden, nicht eingeräumt, daß dieser Betrag von den in diesem Verfahren geltend gemachten entlassungsunabhängigen Ansprüchen in Abzug zu bringen sei. Völlig zu Recht hat das Berufungsgericht daher den von der beklagten Partei in Beilage 11 als Vorschuß deklarierten Abzug von 15.744,80 S nicht als Abzugspost von den zuerkannten entlassungsunabhängigen Ansprüchen berücksichtigt.

Beiden Revisionen war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 43 Abs 1 und 50 ZPO.

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