OGH 12Os41/92-8

OGH12Os41/92-811.6.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Juni 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Rzeszut und Dr. Schindler als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Freilinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michal H***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 11. Dezember 1991, GZ 20 e Vr 3421/91-87, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, der Dolmetscherin Mag. Junge-Zimmer, des Angeklagten Michal H***** und des Verteidigers Dr. Vintschgau zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, der Wahrspruch zur Hauptfrage 1 und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im darauf beruhenden Schuldspruch wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 und 143 zweiter Fall StGB sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Geschwornengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien zurückverwiesen, das die unberührt gebliebenen Teile des Wahrspruchs und des Urteils seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verworfen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die Beseitigung des Strafausspruches verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 1.Dezember 1967 geborene tschechoslowakische nicht, wie im Urteil irrtümlich angeführt, österreichische Staatsbürger Michal H***** wurde auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 und 143 zweiter Fall StGB (1.), des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (2.) und des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 2 WaffenG

(3.) schuldig erkannt.

Darnach hat er - zusammengefaßt wiedergegeben - in Wien (bzw auch Niederösterreich)

am 29.März 1991 (zu 1) dem Taxilenker Leopold S***** mit Gewalt gegen seine Person sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung einer Waffe, nämlich dadurch, daß er ihm ein Kleinkalibergewehr, Kal 22, mit abgesägtem Lauf anhielt und das Wort "money" äußerte, eine Bargeldschaft von 870 S mit dem Vorsatz abzunötigen getrachtet, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und (zu 2) den genannten Taxilenker durch vier Schüsse in dessen Brustkorb aus dem oben (zu 1.) genannten Kleinkalibergewehr getötet, sowie (zu 3.) am

28. und 29.März 1991 eine verbotene Waffe, und zwar das (zu 1. und 2.) genannte Kleinkalibergewehr unbefugt besessen.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil wird vom Angeklagten in den Schuldsprüchen wegen der Verbrechen des versuchten schweren Raubes und des Mordes mit einer auf die Gründe der Z 6 und 10 a des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.

Die Beschwerde ist insoweit im Recht, als darin das Unterbleiben einer Eventualfrage in Richtung des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB zu der dem Schuldspruch wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes zugrundeliegenden Hauptfrage 1. gerügt wird (Z 6). Hat sich doch der Angeklagte in der Hauptverhandlung - abweichend von seiner bis dahin vorgebrachten Einlassung - dahin verantwortet, keineswegs einen Raubversuch unternommen, sondern wegen seines damaligen Geldmangels den Taxilenker bloß betrügerisch zur gegenständlichen Fahrt veranlaßt und nach Erreichen des Fahrtzieles lediglich danach getrachtet zu haben, sich seiner Zahlungspflicht durch Flucht zu entziehen (siehe S 467 bis 471 und 523 ff, jeweils Band I./). Damit aber hat der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung eine (neue) Tatversion für die betreffende Phase des Geschehnisablaufes vorgebracht, nach der - würde sie als erwiesen angenommen - das ihm diesfalls anzulastende Verhalten lediglich unter den Tatbestand des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB fiele. Da es zur Nichtannahme eines derartigen (denkbaren) Tatherganges aber beweiswürdigender Überlegungen bedarf, war gemäß § 314 StPO eine Eventualfrage in Richtung dieses Vergehens indiziert, um den hiefür allein zuständigen Geschwornen die Möglichkeit zu bieten, entweder der im Vorverfahren deponierten Verantwortung des Nichtigkeitswerbers oder dessen Vorbringen in der Hauptverhandlung Glauben zu schenken. Das Unterlassen einer derartigen Fragenstellung begründet demnach eine Nichtigkeit im Sinne des § 345 Abs. 1 Z StPO und erfordert damit die Aufhebung des betreffenden Wahr- und Schuldspruches sowie die diesbezügliche Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz.

Dagegen erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde im übrigen als unbegründet.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers stellt der Umstand, daß die Schuldform des Vorsatzes in der Hauptfrage 2./ nach dem Verbrechen des Mordes nicht enthalten war, keinen Nichtigkeit begründenden Verstoß gegen die Bestimmung des § 312 StPO dar, weil Umstände, die in der gesetzlichen Definition des Deliktes nicht enthalten sind, in die Schuldfrage nicht aufzunehmen sind und bei den Geschwornen Unklarheiten über die verlangte Schuldform umso weniger entstehen konnten, als sie in bezug auf den zum Tatbestand des Mordes nach § 75 StGB erforderlichen dolus (§ 5 Abs. 1 StGB) in der Rechtsbelehrung (siehe deren S 10) ausdrücklich darauf hingewiesen wurden, daß dieses Verbrechen nur mit Tötungsvorsatz begangen werden kann (vgl Mayerhofer-Rieder3, § 312 StPO, ENr 19 und 22).

Gleichfalls zu Unrecht vermißt der Nichtigkeitswerber eine Zusatzfrage zur Hauptfrage 1. nach der qualifizierten Tatfolge des § 143 letzter Fall StGB, durch welche den Geschwornen - seiner Meinung nach - die Möglichkeit geboten worden wäre, das in Rede stehende Tatgeschehen insgesamt (nur) als versuchten schweren Raub mit Todesfolge nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 zweiter und letzter Fall StGB zu beurteilen. Denn eine derartige (uneigentliche) Zusatzfrage gemäß § 316 StPO (die zur Hauptfrage 2. nach dem Verbrechen des Mordes eigentlich eine Eventualfrage darstellte; vgl hiezu Mayerhofer-Rieder3 § 316 StPO, ENr 2 a und 2 b) setzte ein entsprechendes Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung voraus, woran es aber im gegenständlichen Fall gebricht.

Nach dem Vorbringen des Angeklagten vor der Polizei und dem Untersuchungsrichter (S 59 f und 15 verso, jeweils Band I) wäre nämlich die Tötung des Taxilenkers nicht im (deliktsspezifischen) Zusammenhang mit der Waffenverwendung beim Raubversuch gestanden, sondern vielmehr Folge der Reaktion des Beschwerdeführers auf einen Waffengebrauch des Taxilenkers gewesen. In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte dagegen, wie erwähnt, den Raubvorsatz überhaupt bestritten und behauptet, daß der zum Tod des Taxilenkers führende Schußwechsel auf dessen Versuch zurückzuführen gewesen wäre, ihn nach Beendigung der betrügerisch veranlaßten Fahrt an der Flucht zu hindern (insbesondere S 468, 471 ff, 523 und 526 ff, jeweils Band I). Keiner dieser Tatversionen zufolge war somit die Abgabe der Schüsse durch den Nichtigkeitswerber ein (bloßer) Teilakt des durch die Hauptfrage 1. erfaßten Raubversuches, sondern (jeweils) vielmehr eine - von der vorangehenden Tatphase gesonderte - eigenständige Tötungshandlung. Die reklamierte Fragestellung war daher nicht geboten.

Der Tatsachenrüge (Z 10 a) genügt es zusammenfassend zu erwidern, daß die darin ins Treffen geführten Argumente - soweit sie sich überhaupt nicht bloß in unzulässiger Weise gegen die gemäß Art 91 Abs. 2 B-VG ausschließlich den Geschwornen zugewiesenen Beweiswürdigung zur Schuldfrage wenden - weder einzeln noch im Zusammenhalt geeignet waren, Bedenken, geschweige denn solcher erheblicher Qualität gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen zur Hauptfrage 2 festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken, zumal allein schon die Anzahl der vom Beschwerdeführer gegen den Brustkorb des Opfers abgefeuerten Schüsse nach den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung die Annahm eines Tötungsvorsatzes zu tragen vermag.

In Ansehung des Schuldspruchs wegen des Verbrechens des Mordes war mithin die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die Kassierung des Strafausspruches zu verweisen.

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