OGH 12Os53/92-11 (12Os54/92-11)

OGH12Os53/92-11 (12Os54/92-11)11.6.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Juni 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Rzeszut und Dr. Schindler als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Freilinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christian N***** und Walter S***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142, 143 erster Satz, zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Christian N***** und Walter S***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 23. Jänner 1992, GZ 20 x Vr 896/91-69, sowie über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich gefaßten Beschluß gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2 und Abs. 7 StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, des Angeklagten Walter S***** und der Verteidiger Dr. Laimer und Dr. Kuderna, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Christian N*****, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Christian N***** wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen (hinsichtlich des Angeklagten Walter S*****) unberührt bleibt, im Wahrspruch der Geschwornen zur Hauptfrage I./, in dem darauf beruhenden Schuldspruch des Christian N*****,

demgemäß in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich des auf § 494 a Abs. 1 Z 2 und Abs. 7 StPO beruhenden Beschlusses) aufgehoben und es wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte Christian N***** und die Staatsanwaltschaft (in Ansehung dieses Angeklagten) gleichwie mit ihrer Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Walter S***** wird verworfen.

Seiner Berufung und der gegen den ihn betreffenden Strafausspruch gerichteten Berufung der Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Walter S***** die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurden der am 14.Mai 1969 geborene Christian N***** und der am 29.Mai 1970 geborene Walter S***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142, 143 erster Satz, zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Darnach haben sie Anfang Dezember 1990 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter dadurch, daß Walter S***** dem Markus D***** mehrere Schläge und Tritte gegen den Körper versetzte und ihm ein Messer am Hals anhielt, mit Gewalt gegen eine Person unter Verwendung einer Waffe Suchtgift und Bargeld mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung abgenötigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagten bekämpfen ihre Schuldsprüche mit Nichtigkeitsbeschwerden, Christian N***** gestützt auf die Z 8, 9, 10 a und 11 lit a, Walter S***** auf die Z 6 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO, überdies die Strafaussprüche - ebenso wie zu ihrem Nachteil die Staatsanwaltschaft - mit Berufungen. Den hinsichtlich des Angeklagten N***** gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2 StPO zugleich gefaßten Beschluß bekämpft die Staatsanwaltschaft mit Beschwerde.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Christian N*****:

Der Beschwerde kommt schon insoweit Berechtigung zu, als sie aus der Z 9 (der Sache nach Z 6) des § 345 Abs. 1 StPO die Fragestellung mit der Behauptung rügt, aus der (den Angeklagten N***** betreffenden) Hauptfrage I./ gehe nicht hervor, welche Tatausführungshandlungen er gesetzt habe.

Nach der Vorschrift des § 312 StPO muß die Hauptfrage nicht nur den in der Anklage angeführten gesetzlichen Tatbestand, sondern auch die dort näher bezeichneten Umstände zur deutlichen Umschreibung der unter Anklage stehenden Tat zum Ausdruck bringen. Dieser Sachverhalt kann - ist der Anklagesatz (wie hier) nicht deutlich - auch der Begründung der Anklage entnommen werden (SSt 24/46), soll doch dergestalt die rechtliche Überprüfung des Wahrspruches durch den Schwurgerichtshof (und im Rechtsmittelverfahren durch den Obersten Gerichtshof) ermöglicht werden (Mayerhofer-Rieder3 E 26 zu § 312 StPO; SSt 54/7; 55/82). Diesem Erfordernis trägt die gerügte Fragestellung, welche eine nähere Bezeichnung der Beteiligung des Beschwerdeführers am Tatgeschehen vermissen läßt, nicht Rechnung. Die Annahme der (hier aktuellen) Mittäterschaft des Angeklagten Christian N***** an dem gegenständlichen Raub setzt nämlich seine einverständliche Mitwirkung an der Tat durch eine Ausführungshandlung voraus, wobei die bloße Anwesenheit am Tatort oder das Wissen um ein bestimmtes deliktisches Vorhaben eines anderen nicht genügt (Leukauf-Steininger3 RN 22 zu § 12 StGB; Kienapfel AT4 E 3 RN 5 und 10).

Da sich die der (anklagekonformen) Fragestellung zugrundeliegende Individualisierung des dem Christian N***** angelasteten Tatverhaltens allein auf sein Einverständnis mit dem Komplizen beschränkt, verstößt sie gegen § 312 Abs. 1 StPO und bewirkt eine Nichtigkeit nach § 345 Abs. 1 Z 6 StPO. Damit erweist sich aber eine Aufhebung des den Angeklagten N***** betreffenden Wahrspruchs, des darauf beruhenden Urteils sowie des Beschlusses gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2 und Abs. 7 StPO und die Anordnung einer partiellen Verfahrenserneuerung in erster Instanz als unumgänglich, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedarf.

Mit ihren durch die (auch den Strafausspruch erfassende) kassatorische Entscheidung gegenstandslos gewordenen Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte N*****, erstere auch mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluß gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2 und Abs. 7 StPO, auf die partielle Urteilsaufhebung und die Kassierung des genannten Beschlusses zu verweisen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Walter

S*****:

Die Beschwerdeeinwände des § 345 Abs. 1 Z 6 StPO sind unbegründet.

Eine Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit im Tatzeitpunkt wegen voller Berauschung (§ 11 StGB) und eine Eventualfrage in Richtung des Vergehens nach § 287 StGB waren nicht zu stellen, weil diese Fragen gemäß §§ 313, 314 StPO (u.a.) nur dann geboten sind, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, die - falls sie als erwiesen angenommen werden - die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben oder eine Verurteilung nach einem anderen (nicht strengeren) Strafgesetz nach sich ziehen würden (Mayerhofer-Rieder3 E 13 ff zu § 313 StPO und E 17 ff zu § 314 StPO).

Der leugnende Angeklagte Walter S***** hat sich nie mit einer seine Diskretions- und Dispositionsfähigkeit ausschließenden Volltrunkenheit verantwortet. Ein derartiger Zustand ist aber auch den - als bloße Mutmaßungen zu wertenden - Angaben des Mitangeklagten N***** sowie der Zeugen Markus D***** und Martin N*****, die den Beschwerdeführer für stark alkoholisiert hielten (313/I; 83, 91 f, 145/II), nicht zu entnehmen.

Die geforderte Aufnahme der erwähnten Zusatz- und Eventualfrage zur Schuldfrage II des Fragenschemas war somit auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens nicht indiziert.

Entgegen den weiteren Beschwerdeausführungen bestand aber auch kein Anlaß für eine den Grundtatbestand des § 142 Abs. 1 StGB betreffende (gesonderte) Fragestellung. Nach § 317 Abs. 2 StPO ist es nämlich dem Schwurgerichtshof grundsätzlich anheimgestellt, den Geschwornen eine auch die strafsatzändernden Tatumstände enthaltende einheitliche Hauptfrage vorzulegen oder in die Hauptfrage nur die gesetzlichen Merkmale des Grundtatbestandes aufzunehmen, die Qualifikationsmerkmale jedoch selbständigen Zusatzfragen vorzubehalten (Mayerhofer-Rieder3 EGr 8 zu § 316 StPO und E 18 zu § 345 Abs. 1 Z 6 StPO). Wird ein Erschwerungsumstand, der nach dem Gesetz die Anwendung eines anderen Strafsatzes bedingt, in die Hauptfrage aufgenommen, müssen die Geschwornen nur in der Rechtsbelehrung auf die im § 330 Abs. 2 StPO vorgesehene Möglichkeit einer teilweisen Bejahung unter Beifügung von Beschränkungen hingewiesen werden; dieser Verpflichtung trägt im vorliegenden Fall schon die Allgemeine Rechtsbelehrung für die Geschwornen (StPOForm RMB 1) hinreichend Rechnung (Beilage zu ON 68).

Schließlich erweist sich auch die Instruktionsrüge (Z 8) des Angeklagten Walter S***** als nicht zielführend.

Deren einleitender Einwand, die Rechtsbelehrung lasse eine deutliche Unterscheidung zwischen "einfachem" und schwerem Raub vermissen, scheitert an dem jedwede Beirrung der Geschwornen ausschließenden Hinweis auf die durch die Verwendung einer Waffe bewirkte Qualifikation der Tat zum schweren Raub (S 5 der Rechtsbelehrung, Beilage A zu ON 68).

Dem weiteren Beschwerdevorbringen, die Rechtsbelehrung sei deshalb unrichtig, weil sie den "terminus technicus" Tatbild ohne nähere Erklärung verwende, ist zu entgegnen, daß gemäß § 321 Abs. 2 StPO nur die in den gestellten Fragen vorkommenden Rechtsbegriffe zu erläutern sind (Mayerhofer-Rieder3 E 22 zu § 345 Abs. 1 Z 8 StPO). Inwieweit der in seinem Sinngehalt durchaus im Rahmen des allgemeinen Sprachgebrauchs gelegene Begriff "gesetzliches Tatbild" die Geschwornen zum Nachteil des Beschwerdeführers hätte beirren können, ist überdies in der Beschwerdeargumentation nicht substantiiert. Zu einer (schriftlichen) Begriffserörterung bestand vorweg kein Anlaß.

Aber auch der Vorwurf einer infolge Unvollständigkeit unrichtigen Rechtsbelehrung zur subjektiven Tatseite ist unbegründet, weil hier ohnedies ausdrücklich und unmißverständlich auf den Umstand hingewiesen wurde, daß sich der (zumindest bedingte) Vorsatz des Täters auf den Einsatz eines der im Gesetz bezeichneten Begehungsmittel (also auch einer Waffe), die gewaltsame Wegnahme oder Abnötigung einer fremden beweglichen Sache und auf die Unrechtmäßigkeit der tätergewollten Bereicherung beziehen muß (siehe S 1, 3 f und 6 der Rechtsbelehrung). Die in der Beschwerde kritisierten Passagen der Rechtsbelehrung konnten demnach eine Beirrung der Geschwornen keinesfalls hervorrufen.

Soweit die Beschwerde eine Belehrung der Geschwornen über das Tatbild des § 287 StGB und im Zusammenhang damit den Begriff der Zurechnungsunfähigkeit (als Schuldausschließungsgrund) vermißt, übersieht sie, daß der Schwurgerichtshof Fragen in dieser Richtung nicht gestellt hat, die Rechtsbelehrung aber nur auf an die Geschwornen tatsächlich gerichtete Fragen einzugehen hat und auch nur in diesem Umfang angefochten werden kann (Mayerhofer-Rieder3, E 20, 23 und 23 a zu § 345 Abs. 1 Z 8 StPO).

Zu den Berufungen betreffend Walter S*****:

Das Geschwornengericht verhängte über Walter S***** nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB siebeneinhalb Jahre Freiheitsstrafe. Dabei wertete es als erschwerend vier einschlägige Vorverurteilungen und die Begehung der Tat während der "Verbüßung" einer (gemeint: gemäß § 99 StVG unterbrochenen und nicht wieder angetretenen) Freiheitsstrafe, als mildernd hingegen den geringen Wert der Beute und das Alter des Täters unter 21 Jahren.

Während der Angeklagte unter Hinweis auf den milieubedingt begrenzten Störwert seiner in alkoholisiertem Zustand verübten Tat eine Strafreduktion anstrebt, begründet die Staatsanwaltschaft ihren Antrag auf Straferhöhung mit der Hervorhebung der besonderen Brutalität der Tatverübung, der Zugehörigkeit des Angeklagten zur der vom Hang zur Gewalttätigkeit gekennzeichneten "Organisation der Skin-Heads" und den Vorstrafen.

Im Ergebnis kommt keiner der beiden Berufungen Berechtigung zu.

Die Strafzumessungsgründe wurden vom Erstgericht vollständig erfaßt, wobei den vom (rückfallsbegründend vorbestraften) Angeklagten ins Treffen geführten Argumenten weitgehend Rechnung getragen wurde. Für die Straffrage bleibt jedoch der schon durch die gesetzliche Strafdrohung von fünf bis fünfzehn Jahren verdeutlichte hochgradig soziale Unwert des schweren Raubes von ungeschmälerter Bedeutung. Davon ausgehend stellt sich aber die verhängte Freiheitsstrafe als tat- und täterbezogen angemessene Sanktion dar, die sich somit nach keiner Richtung hin als korrekturbedürftig erweist.

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