Spruch:
Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. Oktober 1991, GZ 12 e E Vr 2.240/90-35, verletzt insoweit, als Günther W***** laut Punkt I 2 des Urteilssatzes des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 2 StGB für den Tatzeitraum ab 4.Dezember 1990 bis zur Urteilsfällung schuldig erkannt und auch deshalb zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 267 StPO iVm § 488 StPO, nämlich in dem sich (auch) daraus ergebenden Anklagegrundsatz. Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im bezeichneten Teil des Schuldspruchs und im Ausspruch über die Strafe aufgehoben.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten, soweit sie sich gegen den aufrecht gebliebenen Schuldspruch richtet, und zur allfälligen Strafneubemessung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.
Text
Gründe:
In der Strafsache AZ 12 e E Vr 2.240/90 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien legte die Staatsanwaltschaft mit Strafantrag vom 4. Dezember 1990 (ON 17) dem am 6.März 1943 geborenen Beschuldigten Günther W***** (ua) die Vergehen der fahrlässigen Krida (I 1) nach § 159 Abs. 1 Z 1 StGB (Tatzeitraum: 2. Jänner 1986 bis Jahresende 1987) und (I 2) nach § 159 Abs. 1 Z 2 StGB (Tatzeit: seit Jahresende 1987) zur Last.
Mit Urteil vom 18.Oktober 1991 (ON 35) wurde Günther W***** mit der Einschränkung im Sinn des Strafantrages schuldig erkannt, daß die spruchgemäße Tatindividualisierung zu I 2 die Tatzeit mit "seit Jahresende 1987 bis dato" festhielt, im übrigen aber anklagekonform (auch) miteinschloß, daß Günther W***** in der betreffenden Zeit in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung seiner Gläubiger (ua) dadurch vereitelte, daß er die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragte. Demgemäß erstreckt sich der Schuldspruch wegen fahrlässiger Krida nach § 159 Abs. 1 Z 2 StGB zeitlich auf ein Kridaverhalten seit Jahresende 1987 bis zu dem am 18.Oktober 1991 gefällten gegenständlichen Urteil (arg. "bis dato").
Über Günther W***** wurde eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe verhängt.
Gegen dieses Urteil meldete der Angeklagte "volle Berufung" an (S 240) und führte in der Folge "Berufung wegen Nichtigkeit und Strafe" aus (ON 40). Eine Rechtsmittelentscheidung ist dazu bisher nicht ergangen.
Rechtliche Beurteilung
Im Sinn der von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde trifft es zu, daß das bezeichnete Urteil in jenem Teil des Schuldspruchs (I 2) wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 2 StGB, der sich auf den Tatabschnitt ab dem 4.Dezember 1990 (Datum des Strafantrages) erstreckt, mit dem Gesetz in einer sogar Nichtigkeit (§§ 281 Abs. 1 Z 8, 468 Abs. 1 Z 4 StPO) bewirkenden Weise nicht im Einklang steht, weil insoweit keine Anklage vorlag.
Der Strafantrag vom 4.Dezember 1990 umfaßte insgesamt die Vereitelung der Gläubigerbefriedigung in der Zeit seit Jahresende 1987 bis zu dieser Antragstellung. Künftige präsumtive Deliktsakte konnten hingegen nicht Gegenstand der Anklage sein (Mayerhofer-Rieder StPO3 EGr 38 zu § 262). Eine späteren Deliktshandlungen Rechnung tragende Erweiterung des Strafantrages unterblieb nach der Aktenlage. Der Schlußantrag der Staatsanwältin in der Hauptverhandlung am 18.Oktober 1991 lautete auf einen Schuldspruch im Sinn des Strafantrages (228), womit mangels eines anderen Hinweises unmißverständlich auf den schriftlichen Strafantrag Bezug genommen wurde.
Davon ausgehend betraf der Schuldspruch wegen Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 2 StGB, soweit er sich auf die Tatzeit ab 4.Dezember 1990 bis 18.Oktober 1991 erstreckte, eine Tatphase, auf welche die Anklage weder ursprünglich gerichtet war, noch in der Hauptverhandlung ausgedehnt wurde. Die gegen den Anklagegrundsatz nach § 267 iVm § 288 StPO verstoßende Gesetzesverletzung wirkte sich zum Nachteil des Beschuldigten aus, weshalb in Stattgebung der von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der gesetzwidrige Teil des Schuldspruchs - ohne gesonderten Freispruch (SSt. 53/17; EvBl. 1979/211) - durch bloße Aufhebung zu beseitigen war. Damit war aber auch der Strafausspruch zu kassieren. Obwohl hiedurch die (allein ausgeführte) bloß gegen den Strafausspruch gerichtete Berufung des Angeklagten "wegen Nichtigkeit und Strafe" gegenstandslos geworden ist, sind die Akten dem Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht zuzumitteln, weil die auf "volle Berufung" lautende Rechtsmittelanmeldung des Angeklagten auch eine (wenn auch nicht ausgeführte) Berufung gegen den von der partiellen Urteilsaufhebung unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs einschließt.
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