OGH 9ObA88/92

OGH9ObA88/9227.5.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Göstl und Franz Murmann als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** D*****, Forstarbeiter, ***** vertreten durch Mag. W***** M*****, Bediensteter der Kammer für Arbeiter und Angestellte in der Land- und Forstwirtschaft ***** dieser vertreten durch ***** Rechtsanwältin *****, wider die beklagte Partei W***** S***** für N*****, vertreten durch Dr. A***** H*****, Geschäftsführer des Zentralverbandes der land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeber ***** 4/14, dieser vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wegen 8.778 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13.Dezember 1991, GZ 34 Ra 65/91-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 3.Dezember 1990, GZ 8 Cga 66/90-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.175,36 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 362,56 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist bei der beklagten Partei als Forstfacharbeiter beschäftigt. Auf dieses Arbeitsverhältnis ist der Kollektivvertrag für Forstarbeiter in der Privatwirtschaft anzuwenden. Das Arbeitsverhältnis war während des gesamten Jahres 1989 aufrecht. Am 17.Februar 1989 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall. Vom 17.Februar 1989 bis 14.April 1989 wurde ihm das Entgelt nach den kollektivvertraglichen Vorschriften weitergezahlt. Insgesamt befand sich der Kläger im Zeitraum vom 17. Februar 1989 bis 17.Dezember 1989 im Krankenstand. Er erhielt das volle Urlaubsgeld; das Weihnachtsgeld wurde ihm nur mit dem Betrag von 4.312 S brutto ausgezahlt.

Der im Jahre 1989 gültige Kollektivvertrag für Forstarbeiter in der Privatwirtschaft enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

".....

§ 19 Sonderzahlungen:

1. .....

2. Vollbeschäftigte Dienstnehmer erhalten für das laufende Jahr ein Weihnachtsgeld in der Höhe des 170-fachen der Bemessungsgrundlage. Dieses Weihnachtsgeld wird an ununterbrochen beschäftigte Dienstnehmer in der Zeit vom 1. bis 15.November ausbezahlt.

Derselbe Auszahlungstermin gilt auch für nicht ununterbrochen beschäftigte Dienstnehmer, sofern sie am 31.Oktober bereits 240 Arbeitstage (1600 Arbeitsstunden) im laufenden Jahr erreicht haben.

Alle übrigen Dienstnehmer erhalten das Weihnachtsgeld in der Zeit vom 1. bis 15.Dezember.

3. .......

4. Die Dienstnehmer, die während des Jahres in den Betrieb

eintreten oder aus dem Betrieb ausscheiden, erhalten den ihrer

Beschäftigung entsprechenden Teil der Sonderzahlungen.

.......

5. Als vollbeschäftigt gelten Dienstnehmer, die im jeweiligen

Bemessungsjahr mindestens 240 Arbeitstage (1600 Arbeitsstunden)

erreichen. Alle anderen Dienstnehmer erhalten den ihrer

Beschäftigung entsprechenden Teil der Sonderzahlungen, den sie

bei Vollbeschäftigung im Sinne des ersten Satzes erhalten würden.

6. Zeiten eines Präsenzdienstes oder eines Karenzurlaubes sind

bei der Bemessung dieser Sonderzahlungen nicht zu berücksichtigen.

7. ....

.......

§ 24 Zusammenrechnung von Dienstzeiten

1. Zur Berechnung von Ansprüchen, die sich nach der Dauer des

Dienstverhältnisses richten.... werden für nicht ununterbrochen

beschäftigte Dienstnehmer die Arbeitszeiten zusammengezählt.

......

2. Dienstnehmer, die in einem Jahr mindestens 240 Arbeitstage,

das sind.... 1600 Arbeitsstunden erreichen, gelten als durch das

ganze Jahr beschäftigt.

3. Als Arbeitstage (Arbeitsstunden) zählen effektive Arbeitszeiten, bezahlte Wegzeiten, bezahlte Feiertage, Freizeiten zur Verrichtung von unaufschiebbaren Arbeiten in der eigenen Wirtschaft, Urlaubszeiten, Entgelttage und Arbeitsversäumnisse von Mitgliedern der Betriebsvertretung. ..."

Der Kläger begehrt die Zahlung des restlichen Weihnachtsgeldes von 8.778 S sA. Gemäß § 16 Abs 2 der Niederösterreichischen Landarbeitsordnung gebührten dem Arbeitnehmer die Sonderzahlungen entsprechend der im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit anteilsmäßig. Mit § 19 Kollektivvertrag sollten lediglich Arbeitnehmer bessergestellt werden, deren Arbeitsverhältnis nicht das ganze Jahr gedauert habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Zeiten, für die kein Entgelt gezahlt worden sei, seien laut Definition der Arbeitszeit im Kollektivvertrag für die Berechnung der Sonderzahlungen nicht heranzuziehen. Der Kläger habe daher nur Anspruch auf einen aliquoten Teil des Weihnachtsgeldes.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und vertrat die Rechtsauffassung, daß nach § 24 Z 3 Kollektivvertrag Krankenstandszeiten, die keine Entgelttage seien, nicht zu den Arbeitstagen gehörten. Gemäß § 19 Kollektivvertrag gebührten die vollen Sonderzahlungen nur Arbeitnehmern, die vollbeschäftigt gewesen seien; gemäß § 19 Z 5 Kollektivvertrag liege Vollbeschäftigung nur vor, wenn der Arbeitnehmer mindestens 240 Arbeitstage (1600 Arbeitsstunden) erreiche.

Krankenstandstage, für die nach dem Kollektivvertrag kein Entgelt gebühre, minderten daher den Anspruch auf Sonderzahlungen. Dies widerspreche jedoch der zwingenden Bestimmung des § 16 Abs 2 der Niederösterreichischen Landarbeitsordnung, wonach die Sonderzahlungen entsprechend der zurückgelegten Dienstzeit anteilsmäßig gebührten, wenn das Dienstverhältnis während des Kalenderjahres beginne oder ende. Die gesetzliche Regelung stelle daher bezüglich der Soderzahlungen nicht auf Vollbeschäftigung oder einen der Beschäftigung entsprechenden Teil, sondern auch auf die im Kalenderjahr zurückgelegte Dienstzeit ab. Da es sich dabei um zwingendes Recht handle, sei die ungünstigere kollektivvertragliche Bestimmung nichtig.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß § 19 Z 5 Kollektivvertrag nicht den im § 19 Z 1 Kollektivvertrag verwendeten Begriff "vollbeschäftigter Dienstnehmer" definiere, sondern weitere Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis während des Jahres nicht ununterbrochen gedauert habe, unter den dort genannten Voraussetzungen den ununterbrochen und damit vollbeschäftigten Arbeitnehmern gleichstelle. Aus § 19 Z 2 Kollektivvertrag sei klar ersichtlich, daß der Begriff "vollbeschäftigte Dienstnehmer" in der Bedeutung von "ununterbrochen beschäftigte Dienstnehmer" verwendet werde; unter Beschäftigung seien nicht das tatsächliche Verrichten von Arbeiten oder gleichgestellte Sachverhalte zu verstehen, sondern lediglich das aufrechte Bestehen des Arbeitsverhältnisses. Auch § 30 Abs 1 der Niederösterreichischen Landarbeitsordnung verwende den Begriff "Beschäftigung" nicht im Sinne von Arbeitszeit, sondern in der Bedeutung des aufrechten Bestehens eines Arbeitsverhältnisses. § 19 Z 5 Kollektivvertrag sei daher dahin zu verstehen, daß als vollbeschäftigt auch Arbeitnehmer gelten, die im jeweiligen Bemessungsjahr ein gewisses Mindestmaß an effektiven Arbeitszeiten oder gemäß § 24 Z 3 Kollektivvertrag gleichgestellten Zeiten erreichten. Der Kläger habe demnach als vollbeschäftigter Arbeitnehmer im Sinne des § 19 Z 1 Kollektivvertrag Anspruch auf das volle Weihnachtsgeld.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß § 16 Abs 1 der Niederösterreichischen Landarbeitsordnung gebühren dem Dienstnehmer neben dem laufenden Entgelt ein Urlaubszuschuß und ein Weihnachtsgeld. Nach Abs 2 dieser Bestimmung gebühren dem Dienstnehmer die Sonderzahlungen entsprechend der im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit anteilsmäßig, wenn das Dienstverhältnis während des Kalenderjahres beginnt oder endet. Der Abs 1 dieser gesetzlichen Bestimmung kann entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht nur dahin ausgelegt werden, daß Sonderzahlungen nur für Zeiten gebühren, in denen auch ein Anspruch auf laufendes Entgelt besteht, sondern auch dahin, daß diese Sonderzahlungen lediglich zusätzlich zu dem laufenden Entgelt gebühren. Da nun nach Abs 2 bei anteiliger Berechnung nur auf die zurückgelegte Dienstzeit und nicht auf die Zeiten, in denen laufendes Entgelt gebührt hat, abzustellen ist, ist der Auslegung von Abs 1 der Vorzug zu geben, die dieser ausdrücklichen Regelung nicht widerspricht. Insgesamt ergibt sich daher aus der gesetzlichen Regelung, daß der Arbeitnehmer Anspruch auf Sonderzahlungen entsprechend der zurückgelegten Dienstzeit hat, wobei unter Dienstzeit nicht nur die Zeit zu verstehen ist, in der auch Anspruch auf laufendes Entgelt bestand (siehe auch RdW 1990, 55).

Da der gemäß § 238 der Niederösterreichischen Landarbeitsordnung

zugunsten der Arbeitnehmer relativ zwingende Charakter der

gesetzlichen Regelung, wie das Erstgericht zutreffend erkannt

hat, die Unwirksamkeit einer für den Arbeitnehmer ungünstigeren

kollektivvertraglichen Regelung bewirkt (siehe Strasser in

Floretta-Strasser Kommentar ArbVG 39), erübrigt es sich, zur

Frage Stellung zu nehmen, ob als "vollbeschäftigte Dienstnehmer"

im Sinn des Kollektivvertrages nur Arbeitnehmer anzusehen sind,

die zumindest 240 Arbeitstage oder 1600 Arbeitsstunden im Sinne

der §§ 19 Z 5 und 24 Z 3 Kollektivvertrag erreichen. Soweit die

Revisionswerberin auf die Entscheidung des

Verwaltungsgerichtshofes 88/08/0211 vom 21.November 1989 und

90/08/0227 vom 26.November 1991 verweist, ist ihr zu erwidern,

daß darin nur zum Kollektivvertrag, nicht aber zur zwingenden gesetzlichen Regelung Stellung genommen wurde.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht

auf den §§ 41, 50 ZPO.

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