OGH 5Ob61/92

OGH5Ob61/9226.5.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin STADT WIEN (Magistratsabteilung 64), Dresdnerstraße 75, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ersichtlichmachung gemäß § 7 Abs 4 StadtErnG ob der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches ***** L***** infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 27. November 1991, AZ 46 R 2100/91, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 10. Juli 1991, TZ 5032/91, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Im 15. Stück des Landesgesetzblattes für Wien, ausgegeben am 29. April 1991, wurden unter den Nummern 21 bis 25 fünf Verordnungen der Wiener Landesregierung betreffend die Assanierung von Wohngebieten nach dem Stadterneuerungsgesetz kundgemacht, wobei die zum Assanierungsgebiet gehörenden Grundstücke im einzelnen nach Einlagezahl und Grundstücknummer bezeichnet wurden.

Mit dem vom Erstgericht zu 16 Nc 597/91 zu den Akten genommenen Antrag begehrte die Stadt Wien (durch den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, zuständig unter anderem für rechtliche Bauangelegenheiten) unter Vorlage einer Kopie des genannten Landesgesetzblattes, die Erklärung zu Assanierungsgebieten im Sinne des § 7 Abs 2 StadtErnG hinsichtlich aller Grundstücke, die in diesen Assanierungsgebieten liegen, im Grundbuch ersichtlich zu machen. Der Antrag ist für den Abteilungsleiter von einem namentlich genannten Magistratsrat unterschrieben und mit dem Dienstsiegel versehen.

Das Erstgericht ordnete jeder der in diesen Verordnungen genannten Liegenschaften eine Tagebuchzahl zu und bewilligte bei jeder der genannten Liegenschaften im A 2-Blatt die Eintragung "Assanierungsgebiet" unter Beifügung des Datums und der Fundstelle der entsprechenden Verordnung.

Das Rekursgericht hob über Rekurs der Eigentümerin der eingangs genannten Liegenschaft diesen Beschluß ersatzlos auf und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-

übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:

Gemäß § 7 Abs 4 StadtErnG habe das Grundbuchsgericht hinsichtlich aller Grundstücke, die in Assanierungsgebieten liegen, diese Tatsache auf Antrag der Gemeinde im Grundbuch ersichtlich zu machen. Sehe das Gesetz aber einen Grundbuchsantrag vor, so sei in diesem - abgesehen von den Erfordernissen des § 84 GBG - gemäß § 85 Abs 2 GBG genau anzugeben, was im Grundbuch eingetragen werden soll. Dazu gehöre unter anderem die genaue Bezeichnung des Objektes, auf welchem die Eintragung erfolgen soll. Der Grundbuchsantrag müsse überdies vom Antragsteller oder dessen Bevollmächtigtem eigenhändig unterfertigt sein. Diesen Erfordernissen genüge das oben geschilderte Schreiben der Antragstellerin nicht. Weder reiche der Hinweis auf in Kopie angeschlossene Landesgesetzblätter aus noch sei die Tatsache, daß die Assanierungsverordnungen eine große Anzahl von Grundstücken betreffen, ein ausreichender Grund, von den Vorschriften des Grundbuchsgesetzes abzugehen und die dem Grundbuchsgericht gemäß § 94 GBG auferlegte Prüfung des Ansuchens einzuschränken. Wegen Fehlens eines wirksamen Antrages, der für eine sachliche Erledigung geeignet wäre, hätte daher die Eintragung nicht vorgenommen werden dürfen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsfrage mit Bedeutung über den Einzelfall hinaus zu lösen sei und diesbezüglich eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Gegen den (in Wahrheit abändernden) Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Stadt Wien mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 37 StadtErnG hat die Gemeinde ihre in diesem Bundesgesetz geregelten Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen. Es handelt sich dabei um ein Tätigwerden der Gemeinde im Rahmen der Hoheitsverwaltung. Dies gilt auch für den in § 7 Abs 4 StadtErnG vorgesehenen Antrag der Gemeinde an das Grundbuchsgericht, hinsichtlich aller Grundstücke, die in Assanierungsgebieten liegen, diese Tatsache im Grundbuch ersichtlich zu machen. Der mit dem Dienstsiegel derjenigen Abteilung des Magistrates der Stadt Wien, die für rechtliche Bauangelegenheiten zuständig ist, versehene und von einem Beamten dieser Magistratsabteilung für den Abteilungsleiter unterschriebene Antrag stellt demnach eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 292 Abs 1 ZPO dar. Sie begründet daher vollen Beweis dessen, was darin von der Behörde erklärt wird (hier also: Antrag der Stadt Wien gemäß § 7 Abs 4 StadtErnG). Das Gericht ist nicht befugt, zu prüfen, ob der Antrag die Unterschrift einer nach inneren Vorschriften über die Organisation dieser Behörde hiezu berechtigten Person trägt (ZBl. 1935/32; vgl ferner die zweitinstanzlichen Entscheidungen in MGA Grundbuchsrecht4 § 77 GBG/E 23 bis 25). Es handelt sich also zweifellos um einen der Stadt Wien zuzurechnenden Antrag.

Dieser Antrag hat in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 7 Abs 4 Satz 1 StadtErnG das Begehren auf Ersichtlichmachung gemäß der genannten Gesetzesstelle bei allen Liegenschaften zum Gegenstand, die in der beigelegten Kopie des 15. Stückes des Landesgesetzblattes für Wien angeführt sind. Diese Beilage ist als Teil des Grundbuchsantrages anzusehen, sodaß das Begehren so zu behandeln ist, als ob sämtliche dort genannten Liegenschaften auf dem Antragsblatt selbst noch einmal angeführt worden wären (wobei nicht erkennbar ist, worin der Sinn einer solchen wohl überflüssigen Schreibarbeit gelegen sein könnte). Der Antrag ist also eindeutig bestimmt, sowohl was den Inhalt der begehrten Eintragung betrifft, als auch was die Liegenschaften betrifft, ob denen die Eintragung erfolgen soll.

Gemäß § 86 GBG können mehrere Eintragungen, die durch dieselbe Urkunde begründet werden, mit einem einzigen Gesuch begehrt werden. Grundlage des Eintragungsbegehrens ist in sämtlichen Fällen der auf § 7 Abs 4 StadtErnG im Zusammenhang mit den im

15. Stück des Landesgesetzblattes für Wien kundgemachten Verordnungen gestützte Antrag. Schon dem Wortlaut nach ist daher der angeführten Bestimmung des § 86 GBG - der primär auf Eintragungen auf Grund von Urkunden, die von den Parteien errichtet wurden, abstellt - Genüge getan. Dazu kommt aber noch, daß der Zweck der Bestimmung des § 86 GBG der ist, die Einbringung komplizierter und unklarer Gesuchsbegehren, wodurch einerseits die gerichtliche Erledigung erschwert wird und andererseits die Gefahr eines unklaren Grundbuchsstandes zu befürchten ist, hintanzuhalten (Bartsch-Grundbuchsgesetz7 54). Mag es auch sein, daß die vom Erstgericht vorgenommene Zuordnung einzelner Tagebuchzahlen zu den einzelnen Liegenschaften bei der von der Stadt Wien gewählten Art des Antrages etwas schwieriger ist, als es der Fall wäre, wenn für jede Einlagezahl gesondert ein gleichlautender Antrag gestellt worden wäre, so darf doch nicht übersehen werden, daß das Erstgericht diese Mühe bereits auf sich genommen hatte. Dies darf nicht durch die Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes wieder zu nichte gemacht werden.

Die von der Liegenschaftseigentümerin im Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Stadterneuerungsgesetz und einzelne seiner Bestimmungen sind hier nicht zu prüfen. Die vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit der Erklärung zum Assanierungsgebiet als solche sowie im Interesse des öffentlichen Wohles damit verbundene Eigentumsbeschränkungen werden vom Obersten Gerichtshof nicht für bedenklich gehalten (vgl. hiezu MGA B-VG3 Art 5 StGG/E 46). Selbst wenn einzelne Bestimmungen, die die Durchführung der Assanierung betreffen, verfassungswidrig sein sollten, wäre dies doch ohne Einfluß auf die Zulässigkeit der Ersichtlichmachung der Erklärung zum Assanierungsgebiet im Grundbuch, weil dadurch allein in verfassungsmäßig gewährleistete Rechte der Liegenschaftseigentümerin nicht eingegriffen werden kann. Die Ersichtlichmachung verschafft nämlich bloß der durch die Assanierungsverordnungen bereits geschaffenen Rechtslage (= Umfang des Assanierungsgebietes) größere Publizität, sodaß sich insbesondere derjenige, der dingliche Rechte an einer solchen Liegenschaft erwerben will, nicht auf die Unkenntnis dieser Verordnungen berufen kann (vgl. Brauner, Das Stadterneuerungs- und das Bodenbeschaffungsgesetz 1974, 24; Geuder, Assanierungsrecht 217; 135 BlgNR 13.GP, 20). Insbesondere kommt es bei Prüfung der Zulässigkeit einer solchen Ersichtlichmachung nicht darauf an, ob einzelne Maßnahmen der Assanierung verfassungsrechtlich bedenklich sein könnten.

Soweit die Liegenschaftseigentümerin eine Verfassungskonformität des StadtErnG mit dem Argument in Frage stellt, die Erlassung einer Assanierungsverordnung hätte nicht vom Antrag der Gemeinde oder mehr als der Hälfte der betroffenen Eigentümer abhängig gemacht werden dürfen (§ 5 Abs 1 leg cit), ist ihr entgegenzuhalten, daß gerade im gegenständlichen Fall die Voraussetzung erfüllt ist, die der Verfassungsgerichtshof in den Entscheidungen VfSlg 2332 und 6495 an eine derartige Antragslegitimation geknüpft hat. Es kann nämlich nicht zweifelhaft sein, daß die jeweilige Gemeinde als Gebietskörperschaft (nur um einen solchen Antrag geht es hier) jene Interessen wahrzunehmen hat, die mit den gesetzlichen Assanierungsmaßnahmen verfolgt werden.

Der Oberste Gerichtshof teilt auch nicht die von der Liegenschaftseigentümerin in ihrem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß vorgebrachten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der ihre Liegenschaft betreffenden Assanierungsverordnung. Die Gesetzwidrigkeit soll nach dem Vorbringen der Liegenschaftseigentümerin darin gelegen sein, daß in der Kundmachung der Verordnung weder auf die Antragstellung (durch die Gemeinde oder durch mehr als die Hälfte der Eigentümer des in Frage kommenden Gebietes) noch die Erfüllung irgendeiner anderen im Gesetz vorgesehenen Voraussetzung für die Erlassung der Verordnung hingewiesen sei.

Richtig ist, daß der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach (zB VfSlg 2573, 2378, 4088) ausgesprochen hat, daß dann, wenn die Befugnis zur Erlassung einer Verordnung von der Herstellung des Einvernehmens mit einer anderen Verwaltungsbehörde abhängig ist, in der Kundmachung der Verordnung das hergestellte Einvernehmen festzustellen ist, widrigenfalls die Verordnung schon allein wegen dieser Unterlassung gesetzwidrig wäre. Es ist aber nicht so, daß anläßlich der Kundmachung einer Verordnung auch das Bestehen aller für ihre Erlassung erforderlichen Voraussetzungen dargetan werden müßte.

Gemäß § 1 Abs 1 StadtErnG kann die Landesregierung durch Verordnung ein Gemeindegebiet oder einen Teil eines Gemeindegebietes unter bestimmten Voraussetzungen zum Assanierungsgebiet erklären. Durch diese Gesetzesformulierung ist sichergestellt, daß der Landesregierung allein unter den im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen die Erlassung der Verordnung obliegt, also ohne Bindung an das Einvernehmen mit einer anderen Behörde. Zu diesen gesetzlichen Voraussetzungen gehört auch ein Antrag, sei es der betroffenen Gemeinde oder eines bestimmten Teiles der Eigentümer des in Frage kommenden Gebietes. Dabei handelt es sich aber ebenso wie bei den anderen verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Voraussetzungen, wie sie im besonderen in den §§ 5 und 6 StadtErnG beschrieben sind, nur um weitere, die Zulässigkeit der Verordnung begründende Voraussetzungen. Die Unterlassung der Anführung der Erfüllung all dieser Voraussetzungen in der Kundmachung der Verordnung allein macht deren Gesetzmäßigkeit nach Meinung des Obersten Gerichtshofes noch nicht bedenklich. Die Nichterfüllung dieser Voraussetzungen wurde von der Liegenschaftseigentümerin nicht behauptet.

Der erstgerichtliche Beschluß war daher wiederherzustellen.

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