OGH 5Ob70/92

OGH5Ob70/9226.5.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin STADT WIEN (MAbt 64), vertreten durch Dr. Wolfgang Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ersichtlichmachung gemäß § 7 Abs 4 StadtErnG ob der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches Leopoldstadt infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30. Dezember 1991, GZ 46 R 2120/91, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 4. Juli 1991, TZ 4709/91, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß der erstinstanzliche Beschluß wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Im 15. Stück des Landesgesetzblattes für Wien, ausgegeben am 29. April 1991, unter den Nummern 21 bis 25 wurden fünf Verordnungen der Wiener Landesregeierung betreffend die Assanierung von Wohngebieten nach dem Stadterneuerungsgesetz kundgemacht, wobei die zum Assanierungsgebiet gehörenden Grundstücke im einzelnen nach Einlagezahl und Grundstücknummer bezeichnet wurden.

Mit dem vom Erstgericht zu 16 Nc 597/91 zu den Akten genommenen Antrag begehrte die Stadt Wien (Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, zuständig unter anderem für rechtliche Bauangelegenheiten) unter Vorlage einer Kopie des genannten Landesgesetzblattes, die Erklärung zu Assanierungsgebieten im Sinne des § 7 Abs 2 StadtErnG hinsichtlich aller Grundstücke, die in diesen Assanierungsgebieten liegen, im Grundbuch ersichtlich zu machen. Der Antrag ist für den Abteilungsleiter von einem namentlich genannten Magistratsrat unterschrieben und mit dem Dienstsiegel versehen.

Das Erstgericht ordnete jeder der in diesen Verordnungen genannten Liegenschaften eine Tagebuchzahl zu und bewilligte bei jeder der genannten Liegenschaften im A 2-Blatt die Eintragung "Assanierungsgebiet" unter Beifügung des Datums und der Fundstelle der entsprechenden Verordnung.

Das Rekursgericht hob infolge Rekurses des Eigentümers der genannten Liegenschaft diesen Beschluß ersatzlos auf und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:

Gemäß § 7 Abs 4 StadtErnG habe das Grundbuchsgericht hinsichtlich aller Grundstücke, die in Assanierungsgebieten liegen, diese Tatsache auf Antrag der Gemeinde im Grundbuch ersichtlich zu machen. Sehe das Gesetz aber einen Grundbuchsantrag vor, so sei in diesem - abgesehen von den Erfordernissen des § 84 GBG - gemäß § 85 Abs 2 GBG genau anzugeben, was im Grundbuch eingetragen werden solle. Dazu gehöre unter anderem die genaue Bezeichnung des Objektes, auf welchem die Eintragung erfolgen solle. Der Grundbuchsantrag müsse überdies vom Antragsteller oder dessen Bevollmächtigten eigenhändig unterfertigt sein. Diesen Erfordernissen genüge das gegenständliche Schreiben der Antragstellerin nicht. Weder reiche der Hinweis auf in Kopie angeschlossene Landesgesetzblätter aus, noch sei die Tatsache, daß die Assanierungsverordnungen eine große Anzahl von Grundstücken betreffen, ein ausreichender Grund, von den Vorschriften des Grundbuchsgesetzes abzugehen und die dem Grundbuchsgericht gemäß § 94 GBG auferlegte Prüfung des Ansuchens einzuschränken. Wegen Fehlens eines wirksamen Antrages, der für eine sachliche Erledigung geeignet wäre, hätte daher die Eintragung nicht vorgenommen werden dürfen.

Den Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, daß eine Rechtsfrage mit Bedeutung über den Einzelfall hinaus zu lösen sei und diesbezüglich eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Gegen den (in Wahrheit abändernden) Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Stadt Wien mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 37 StadtErnG hat die Gemeinde ihre in diesem Bundesgesetz geregelten Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen. Es handelt sich dabei um ein Tätigwerden der Gemeinde im Rahmen der Hoheitsverwaltung. Dies gilt auch für den in § 7 Abs 4 StadtErnG vorgesehenen Antrag der Gemeinde an das Grundbuchsgericht, hinsichtlich aller Grundstücke, die in Assanierungsgebieten liegen, diese Tatsache im Grundbuch ersichtlich zu machen. Der mit dem Dienstsiegel derjenigen Abteilung des Magistrates der Stadt Wien, die für rechtliche Bauangelegenheiten zuständig ist, versehene und von einem Beamten dieser Magistratsabteilung für den Abteilungsleiter unterschriebene Antrag stellt demnach eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 292 Abs 1 ZPO dar. Sie begründet daher vollen Beweis dessen, was darin von der Behörde erklärt wird (hier also: Antrag der Stadt Wien gemäß § 7 Abs 4 StadtErnG). Das Gericht ist nicht befugt, zu prüfen, ob der Antrag die Unterschrift einer nach inneren Vorschriften über die Organisation dieser Behörde hiezu berechtigten Person trägt (ZBl. 1935/32; vgl ferner die zweitinstanzlichen Entscheidungen in MGA Grundbuchsrecht4 § 77 GBG/E 23 bis 25). Es handelt sich also zweifellos um einen der Stadt Wien zuzurechnenden Antrag.

Dieser Antrag hat in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 7 Abs 4 Satz 1 StadtErnG das Begehren auf Ersichtlichmachung gemäß der genannten Gesetzesstelle bei allen Liegenschaften zum Gegenstand, die in der beigelegten Kopie des 15. Stückes des Landesgesetzblattes für Wien angeführt sind. Diese Beilage ist als Teil des Grundbuchsantrages anzusehen, sodaß das Begehren so zu behandeln ist, als ob sämtliche dort genannten Liegenschaften auf dem Antragsblatt selbst noch einmal angeführt worden wären (wobei nicht erkennbar ist, worin der Sinn einer solchen wohl überflüssigen Schreibarbeit gelegen sein könnte). Der Antrag ist somit eindeutig bestimmt, und zwar sowohl in Ansehung des Inhaltes der begehrten Eintragung als auch hinsichtlich der Liegenschaften, ob denen die Eintragung erfolgen soll.

Gemäß § 86 GBG können mehrere Eintragungen, die durch diesselbe Urkunde begründet werden, mit einem einzigen Gesuch begehrt werden. Grundlage des Eintragungsbegehrens ist in sämtlichen Fällen der auf § 7 Abs 4 StadtErnG im Zusammenhang mit den im

15. Stück des Landesgesetzblattes für Wien kundgemachten Verordnungen gestützte Antrag. Schon dem Wortlaut nach ist daher der angeführten Bestimmung des § 86 GBG - der primär auf Eintragungen auf Grund von Urkunden, die von den Parteien errichtet wurden, abstellt - Genüge getan. Dazu kommt aber noch, daß der Zweck der Bestimmung des § 86 GBG der ist, die Einbringung komplizierter und unklarer Gesuchsbegehren, wodurch einerseits die gerichtliche Erledigung erschwert wird und anderseits die Gefahr eines unklaren Grundbuchsstandes zu befürchten ist, hintanzuhalten (Bartsch-Grundbuchsgesetz7 54). Mag es auch sein, daß die vom Erstgericht vorgenommene Zuordnung einzelner Tagebuchzahlen zu den einzelnen Liegenschaften bei der von der Stadt Wien gewählten Art des Antrages etwas schwieriger ist, als es der Fall wäre, wenn für jede Einlagezahl gesondert ein gleichlautender Antrag gestellt worden wäre, so darf doch nicht übersehen werden, daß das Erstgericht diese Mühe bereits auf sich genommen hatte. Dies darf nicht durch die Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes wieder zunichte gemacht werden.

Die vom Liegenschaftseigentümer in seinem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß in Ansehung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung von Assanierungsverordnungen geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Oberste Gerichtshof nicht. Entgegen der vom Liegenschaftseigentümer vertretenen Meinung ist die Abhängigkeit der Landesregierung bei der Erlassung einer Assanierungsverordnung ua von einem Antrag der Gemeinde nicht verfassungswidrig, weil einerseits die Bindung der Landesregierung an die Antragstellung eines Dritten dann verfassungsrechtlich nicht bedenklich ist, wenn die Antragsbefugnis der Durchsetzung von Interessen dient, welche wahrzunehmen der Antragsteller berufen ist (vgl VfGH 3.10.1989 G 55/89, V 19/89; VfGH 29.9.1990, B 1014/89-10), und es keinem Zweifel unterliegt, daß auch die Gemeinde die mit der Beseitigung städtebaulicher Mißstände (vgl § 6 StadtErnG) zusammenhängenden Interessen wahrzunehmen hat, zum anderen aber auch die aus der Eigenschaft der "Gemeinde" als "untergeordnete Behörde" abgeleiteten Bedenken nicht bestehen, weil die Gemeinde ja die ihr nach dem StadtErnG obliegenden Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen hat (§ 37 StadtErnG). Es trifft auch nicht zu, daß das StadtErnG es unterlassen hätte, das der vollziehenden Behörde eingeräumte, im Sinne des Gesetzes auszuübende Ermessen, die Assanierungsmaßnahmen im öffentlichen Interesse zu üben, näher zu normieren. Von einem als Verstoß gegen Art 18 Abs 1 B-VG zu wertenden, dem Verordnungsgeber eingeräumten "freien Ermessen ohne jede Eingrenzung" kann hier keine Rede sein, wie schon der Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 5 und 6 StadtErnG zeigt. Die vom StadtErnG eingeräumte Möglichkeit der Erklärung eines Gemeindegebietes oder eines Teiles desselben zum Assanierungsgebiet als solche sowie im Interesse des öffentlichen Wohles damit verbundene Eigentumsbeschränkungen werden vom Obersten Gerichtshof nicht für bedenklich gehalten (vgl hiezu MGA B-VG3 Art 5 StGG/E 46). Selbst wenn einzelne Bestimmungen, die die Durchführung der Assanierung betreffen - wie der Liegenschaftseigentümer in seinem Rekurs an die zweite Instanz meint -, verfassungswidrig sein sollten, wäre dies doch ohne Einfluß auf die Zulässigkeit der Ersichtlichmachung der Erklärung zum Assanierungsgebiet im Grundbuch, weil dadurch allein in verfassungsmäßig gewährleistete Rechte der Liegenschaftseigentümerin nicht eingegriffen werden kann. Die Ersichtlichmachung verschafft nämlich bloß der durch die Assanierungsverordnungen bereits geschaffenen Rechtslage (= Umfang des Assanierungsgebietes) größere Publizität, sodaß sich insbesondere derjenige, der dingliche Rechte an einer solchen Liegenschaft erwerben will, nicht auf die Unkenntnis dieser Verordnungen berufen kann (vgl. Brauner, Das Stadterneuerungs- und das Bodenbeschaffungsgesetz 1974, 24; Geuder, Assanierungsrecht 217; 135 BlgNR 13.GP, 20). Insbesondere kommt es bei Prüfung der Zulässigkeit einer solchen Ersichtlichmachung nicht darauf an, ob einzelne Maßnahmen der Assanierung verfassungsrechtlich bedenklich sein könnten.

Der erstgerichtliche Beschluß mußte daher wiederhergestellt werden.

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