Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Dem Erstgericht wird eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Der Antragsteller begehrte als Mehrheitseigentümer (zu zwei Dritteln) der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch K***** mit seinem am 19. März 1991 gegen die Verlassenschaft nach dem am 19. September 1985 verstorbenen Dr. Gunther W***** eingebrachten Antrag die Ersetzung der Zustimmung der Antragsgegnerin als Miteigentümerin zu einem Drittel zu seinem Ansuchen auf nachträgliche baubehördliche Genehmigung für ein auf der gemeinsamen Liegenschaft bestehendes Gartennebengebäude. Die Antragsgegnerin habe die nach der niederösterreichischen Bauordnung erforderliche Unterfertigung der Baueingabe und der Einreichpläne grundlos und schikanös verweigert.
Die Antragsgegnerin sprach sich gegen den Antrag aus. Wegen verschiedener anhängiger Prozesse sei vorerst die Zustimmung von gewissen (Verzichts)Erklärungen des Antragstellers abhängig gemacht worden, die allerdings nicht abgegeben worden seien. Mit der Unterfertigung der Pläne wäre dem Antragsteller auch nicht gedient gewesen, weil dazu noch die verlassenschaftsbehördliche und zu früherer Zeit auch noch die pflegschaftsbehördliche Genehmigung durch das Bezirksgericht Klosterneuburg erforderlich gewesen wären. Unterdessen habe die Antragsgegnerin ihren Dritteleigentumsanteil an der Liegenschaft verkauft und werde es Sache des Antragstellers sein, sich mit dem Käufer hinsichtlich der Planunterfertigung zu einigen. Aus all diesen Gründen könne von der Verlassenschaft nach Dr. Gunther W***** die geforderte Unterfertigung nicht mehr begehrt werden.
Mit dem am 16. Mai 1991 bei Gericht eingelangten Schriftsatz vom 15. Mai 1991 erklärte der Antragsteller in Erwiderung der Stellungnahme der Antragsgegnerin, an seiner Rechtsmeinung hinsichtlich der Passivlegitimation festzuhalten, weil der Kaufvertrag mangels verlassenschaftsbehördlicher Genehmigung noch nicht dem Rechtsbestand angehöre.
Nachdem das Erstgericht am 16. Oktober 1991 von der am 14. Mai 1991 erteilten abhandlungsbehördlichen Genehmigung des von der Verlassenschaft mit Heinz-Dieter Z***** abgeschlossenen Kaufvertrages Kenntnis erlangt hatte, beraumte es eine Tagsatzung für 7. Februar 1992 an. Am 6. Februar 1992 beraumte das Erstgericht diese Tagsatzung im Hinblick auf die inzwischen erfolgte grundbücherliche Durchführung dieses Kaufvertrages ab und wies es mit Beschluß vom selben Tag den Antrag zurück, weil die Antragsgegnerin im Hinblick auf den nunmehrigen Grundbuchsstand für den gegenständlichen Antrag nicht mehr passiv legitimiert sei.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem vom Antragsteller erhobenen Rekurs nicht Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Beschluß mit der Maßgabe, daß der Antrag statt zurück- abgewiesen werde, wobei es aussprach, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. An allen auf Rechtsgestaltung gerichteten Außerstreitverfahren, insbesondere auch solchen nach § 835 ABGB müßten alle Miteigentümer beteiligt sein, weil diese eine einheitliche (Streit)-partei bildeten. Würden entsprechend dem Antrag nicht alle Miteigentümer in die durch die richterliche Entscheidung zu treffende Rechtsgestaltung einbezogen, müsse dies zur Antragsabweisung führen. Der im Rekurs vertretenen Rechtsansicht, dem zwischenzeitig eingetretenen Eigentümerwechsel komme keine Bedeutung zu, könne nicht beigepflichtet werden. Für die nicht näher erklärte Rechtsansicht, der Einzelrechtsnachfolger des Antragsgegners wäre an die Entscheidung des Gerichtes gebunden, mangle es an einer rechtlichen Grundlage. § 234 ZPO komme im Außerstreitverfahren jedenfalls nicht zur Anwendung (MietSlg 38.049; Fasching ZPR, Rz 1197 ua). In diesem Zusammenhang könne dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen die Einbeziehung des Rechtsnachfolgers des Antragsgegners in das Verfahren möglich gewesen wäre, weil dieser Schritt jedenfalls nur mit Zustimmung aller Beteiligten (somit auch des Antragstellers) hätte in Frage kommen können. Der Antragsteller, der sowohl in erster Instanz als auch in seinem Rechtsmittel die Ansicht vertreten bzw aufrecht erhalten habe, die Entscheidung könne gegen den früheren Minderheitseigentümer mit Wirksamkeit für dessen Rechtsnachfolger begehrt werden, sei jedenfalls nicht bereit gewesen, diesen dem Verfahren beizuziehen. Dazu komme noch, daß eine nachträgliche Genehmigung einer eigenmächtig vorgenommenen Maßnahme grundsätzlich nicht möglich sei. Außerdem sei der Antrag von der Baubehörde bereits am 1. Oktober 1990 aus baurechtlichen Gründen abgewiesen worden. Da das Erstgericht in Wahrheit mit einer Antragsabweisung vorgegangen sei, habe eine Maßgabebestätigung erfolgen müssen. Den Ausspruch über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses gründete das Rekursgericht auf den Mangel der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG.
Gegen diesen rekursgerichtlichen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers, der entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes zulässig und auch berechtigt ist.
Rechtliche Beurteilung
Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus der Verkennung des vom Antragsteller im Verfahren erster Instanz zur Frage der Passivlegitimation der Antragsgegnerin eingenommenen Rechtsstandpunktes durch das Rekursgericht.
Das Rekursgericht gelangte zur Ansicht, der Antragsteller habe bereits in erster Instanz die Meinung vertreten, die Entscheidung könne gegen den früheren Minderheitseigentümer mit Wirksamkeit für dessen Rechtsnachfolger begehrt werden, jedenfalls sei er nicht bereit gewesen, diesen dem Verfahren beizuziehen. Den Akten läßt sich ein derartiger Rechtsstandpunkt nicht entnehmen. Der Antragsteller hat vielmehr im Laufe des Verfahrens nach Erstattung der Einwendung der Antragsgegnerin, sie habe ihren Miteigentumsanteil verkauft, er müsse sich an den Käufer wenden, bloß erklärt, an seiner Rechtsmeinung über die Passivlegitimation der Antragsgegnerin festzuhalten, weil der Kaufvertrag noch nicht dem Rechtsbestand angehöre. Zur Zeit dieser Verfahrenserklärung (14. Mai 1991) war dem Antragsteller eine Entscheidung über die Frage der abhandlungsbehördlichen Genehmigung des Vertrages offensichtlich noch nicht bekannt - diese Entscheidung wurde ja erst am 14. Mai 1991 gefaßt (vgl ON 12 dA) - und war die Antragsgegnerin auch noch bücherliche Miteigentümerin. Das Festhalten des Antragstellers an der Passivlegitimation der Antragsgegnerin entsprach zu dieser Zeit damit der Sach- und Rechtslage. Das Erstgericht hat nach Abgabe dieser Stellungnahme des Antragstellers (16. Mai 1991) bis zum Einlangen des die Verbücherung des Kaufvertrages enthaltenden Grundbuchsauszuges zugewartet und letztlich die nach Kenntnisnahme von der abhandlungsbehördlichen Genehmigung des Vertrages anberaumte Tagsatzung (16. Oktober 1991 für 7. Februar 1992) am 6. Februar 1992 abberaumt und über den Antrag meritorisch entschieden. Dem Antragsteller wurde damit die Möglichkeit genommen, zur Frage der Passivlegitimation unter den geänderten Verhältnissen Stellung zu nehmen. Zur Frage der Beiziehung des neuen grundbücherlichen Miteigentümers im Verfahren erster Instanz hat der Antragsteller niemals Stellung genommen. Der vom Rekursgericht vertretenen Ansicht, der neue Minderheitseigentümer hätte dem Verfahren nicht beigezogen werden dürfen, kann daher nicht beigepflichtet werden. Ausgehend von dieser nicht zu billigenden Rechtsansicht hat das Rekursgericht die Frage der Möglichkeit einer Einbeziehung des neuen Miteigentümers in das Verfahren zu Unrecht als unerheblich erachtet.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits in verschiedenen dem außerstreitigen Bereich zuzuzählenden Verfahren die Anwendung des § 234 ZPO - zum Teil ausdrücklich - ausgeschlossen; so etwa in den Verfahren nach dem WEG idF vor dem MRG (MietSlg 35.661, 37.527), nach dem MRG
(SZ 61/223 = MietSlg 40.524 = WoBl 1989/16), nach dem LPG (MietSlg 40.624/13) im Rückstellungsverfahren (EvBl 1952/196), aber auch in Verfahren nach den §§ 834 und 835 ABGB (MietSlg 38.049). Der Grund für die Unanwendbarkeit dieser Schutzbestimmung gegen die Vereitelung des Verfahrenserfolges durch eine Verfügung über den Verfahrensgegenstand während des Verfahrens liegt darin, daß in den betreffenden außerstreitigen Verfahren die Verpflichtung des Richters besteht, von Amts wegen jederzeit alle Personen, deren Rechte durch die Entscheidung betroffen werden, auch noch im Laufe des Verfahrens in dieses einzubeziehen (vgl Fasching, Lehrbuch, Rz 1197; Würth in Korinek-Krejci, HBzMRG, 518 und 530 FN 184; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 51 zu § 37 MRG; MietSlg 29.535 f, 31.562/41, 32.532, 35.661, 37.527 uva). Lediglich in dem außerstreitigen Verfahren zuzuzählenden Materien, in welchen unübersehbare Parallelen zu den maßgeblichen Grundsätzen des streitigen Zivilprozesses bestehen (vgl Dolinar, Österreichisches Außerstreitverfahrensrecht, Allgemeiner Teil 15 ff, 72 mwN in FN 172, 134 f), wurde eine analoge Anwendung des § 234 ZPO unbedenklich gefunden (vgl 1 Ob 581/90 betreffend das Verfahren nach den §§ 15 ff MunitionslagerG und SZ 58/103 hinsichtlich des außerstreitigen Aufteilungsverfahrens nach den §§ 229 ff AußStrG, wegen der Erstreckung der Rechtskraftwirkung der Entscheidung auf den Einzelrechtsnachfolger der verfahrensbeteiligten vormaligen Ehegatten in Ansehung der dem Aufteilungsanspruch unterworfenen Vermögensbestandteile analog dem vermögenswerten Prozeßgegenstand im Rechtsstreit). Im Hinblick auf die in den Verfahren nach den §§ 834 f ABGB dem Richter eingeräumte freiere Stellung, die ihm im Einzelfall eine zweckmäßige Regelung ermöglichen soll (vgl MietSlg 23.059 ua) und zu einer Entscheidung rechtsgestaltender Natur führt (Gamerith in Rummel, ABGB2, Rz 11 zu § 835), besteht kein Zweifel, daß in einem solchen auch richterliches Ermessen zulassenden Verfahren die Bestimmung des § 234 ZPO auch nicht analog anwendbar ist und für den Richter die Verpflichtung besteht, von Amts wegen jederzeit alle Personen in das Verfahren einzubeziehen, deren Rechte durch seine Entscheidung betroffen werden. Da rechtsgestaltende Verfügungen der Zeit ihrer Erlassung zu entsprechen haben (Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen 30), ist der Sachverhalt, wie er sich zur Zeit der Entscheidung der Tatsacheninstanz darstellt, maßgeblich (vgl Dolinar, aaO, 137 f). Im Verfahren nach den §§ 834, 835 ABGB ist daher der Eigentumsstand im Zeitpunkt der Sachentscheidung maßgebend (MietSlg 30.102; 5 Ob 530/86; 1 Ob 575/86).
Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, daß das Erstgericht, wenn es schon mit seiner Entscheidung bis zur Verbücherung des Kaufvertrages hinsichtlich des Miteigentumsanteiles der Antragsgegnerin zuwartete, nicht mit der Antragsabweisung vorgehen durfte, sondern gehalten gewesen wäre, dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, zu der gegenüber seinem im Verfahren bis dahin eingenommenen Rechtsstandpunkt geänderten Sach- und Rechtslage Stellung zu nehmen. Nur dann, wenn der Antragsteller auch nach dem jedenfalls durch die Änderung des Grundbuchsstandes eingetretenen Verlust der Passivlegitimation der von ihm in Anspruch genommenen Verlassenschaft des bisherigen Minderheitseigentümers daran festgehalten hätte, von der bisherigen Antragsgegnerin die Zustimmung zum Bauansuchen zu begehren, hätte das Erstgericht im abweisenden Sinn entscheiden dürfen, denn auch in diesem Verfahren ist der Richter letztlich an die Sachanträge der Parteien gebunden (MietSlg 38.049 samt Hinweis auf Lehre und weitere Rechtsprechung). Das Erstgericht hätte daher bei Zustimmung des Antragstellers den nunmehrigen Minderheitseigentümer dem Verfahren beiziehen und klären müssen, ob dieser ohnehin mit dem vom Antragsteller in Aussicht genommenen Bauansuchen einverstanden ist, oder ob seine fehlende Zustimmung ersetzt werden kann.
Der Oberste Gerichtshof vermag auch der weiteren Ansicht des Rekursgerichtes nicht beizupflichten, daß der Antrag schon deshalb nicht berechtigt gewesen wäre, weil eine nachträgliche Genehmigung einer eigenmächtig vorgenommenen Maßnahme grundsätzlich nicht möglich sei. Ein Vorbringen dahin, daß der Antragsteller das Gartennebengebäude eigenmächtig, ohne Zustimmung des Minderheitseigentümers errichtet hätte, wurde gar nicht erstattet; die Antragsgegnerin hat in ihrem Schriftsatz vom 18. April 1991 (ON 3 dA) lediglich behauptet, daß dieses Gebäude vom Antragsteller "bauordnungswidrig" errichtet worden sei. Der vom Rekursgericht letztlich "vollständigkeitshalber" gemachte Hinweis auf die bereits aus baurechtlichen Gründen erfolgte Abweisung des Bauansuchens des Antragstellers entbehrt ebenfalls einer tauglichen Grundlage, weil vom Rekursgericht nicht festgehalten wurde, daß dieser Bescheid der Baubehörde bereits in Rechtskraft erwachsen wäre; solange die Rechtskraft dieses Bescheides nicht feststeht, darf dessen Inhalt nicht als Grund für die Abweisung des Sachantrages herangezogen werden.
Damit erweist sich der Revisionsrekurs des Antragstellers als berechtigt, weshalb ihm Folge zu geben und nach Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen war.
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