OGH 8Ob565/92

OGH8Ob565/9221.5.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christa D*****, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Felix D*****, wegen Wiederaufnahme des beim Landesgericht Klagenfurt zu 28 Cg 53/80 anhängig gewesenen Verfahrens infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 31.Jänner 1992, GZ 5 R 296,298/91-6, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 10. September 1991, GZ 28 Cg 113/91-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die zwischen den Streitteilen im Jahre 1975 geschlossene Ehe wurde mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 2.5.1983, GZ 28 Cg 53/80-87, aus beiderseitigem gleichteiligen Verschulden geschieden. Die von beiden Teilen dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos. Mit der am 6.4.1991 beim Erstgericht eingebrachten Wiederaufnahmsklage begehrte die Klägerin die Aufhebung der im Scheidungsverfahren ergangenen Urteile des Landesgerichtes Klagenfurt, des Oberlandesgerichtes Graz und des Obersten Gerichtshofes sowie den Ausspruch, daß das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Beklagten treffe. Die Klägerin brachte, gestützt auf den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs.1 Z 7 ZPO vor, sie habe Mitte März 1991 erfahren, man könne durch Anfrage aus den Akten des "Berlin Document Centers" bzw. des "Staatsarchivs des Österreichischen Widerstandes" nachprüfen, ob ihr in der Tagsatzung vom 11.6.1980 erhobener Vorwurf, der Beklagte sei wegen Betruges zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt worden, den Tatsachen entspreche. Weiters habe die Klägerin in einem am 10.3.1991 stattgefundenen Gespräch mit Dr. Ludwig K***** erfahren, daß der Beklagte seine Stellung als Leiter des Kinderdorfes M***** wegen Unregelmäßigkeiten in der Geldgebarung aufgeben habe müssen.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage infolge Unzulässigkeit gemäß § 538 Abs.1 ZPO zurück. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und vertrat die Auffassung, das Beweisthema, zu dem der Zeuge Dr. Ludwig K***** geführt werde, betreffe keinen der Klägerin als Eheverfehlung angelasteten Sachverhalt. Weiters sei die Wiederaufnahme wegen der im § 530 Abs.1 Z 7 ZPO angegebenen Umstände nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz geltend zu machen. Die diesbezüglichen Behauptungen seien bereits in der Klage aufzustellen. Im vorliegenden Fall fehle jeglicher Hinweis, daß die Klägerin nicht in der Lage war, die nunmehr angebotenen Beweismittel bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren namhaft zu machen. Schließlich sei die vom Gericht einzuholende Auskunft des nicht näher bezeichneten Berliner Document Centers bzw. des Staatsarchives des Österreichischen Widerstandes kein zulässiges Beweismittel.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde mit der Begründung für zulässig erklärt, daß die Frage, ob die Beweismittel in der ZPO taxativ aufgezählt sind, umstritten sei.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen abzuändern und dem Erstgericht aufzutragen, das Verfahren durchzuführen.

Rechtliche Beurteilung

Trotz Vorliegens einer bestätigenden Entscheidung des Rekursgerichtes ist der Revisionsrekurs nicht jedenfalls unzulässig.

Ein gemäß § 538 Abs.1 ZPO gefaßter Beschluß auf Klagezurückweisung mangels Vorliegens einer besonderen Rechtsmittelklagevoraussetzung stellt keine Sachentscheidung über das Rechtsmittelklagebegehren, vielmehr wird damit gerade eine solche Entscheidung aus formellen Gründen verweigert, wenngleich die gebotene Prüfung des geltend gemachten Wiederaufnahmsgrundes auf seine abstrakte Eignung, eine dem Wiederaufnahmskläger günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen, eine gewisse Abschätzung der Erfolgsaussichten der Wiederaufnahmsklage im Rahmen einer sogenannten Vorprüfung voraussetzt. Der Gesetzgeber hat nach seiner Gleichstellung mit den im § 230 Abs.2 ZPO genannten Prozeßhindernissen und der vorgesehenen Beschlußform der Entscheidung nach § 538 Abs.1 ZPO die Entscheidung ganz bewußt als eine solche über eine (besondere) Prozeßvoraussetzung gewertet wissen wollen (6 Ob 581/91; 9 Ob A 236/91).

Der Revisionsrekurs ist aber wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs.1 ZPO unzulässig. Die vom Rekursgericht als erheblich erachtete Frage, ob die Aufzählung der Beweismittel in der ZPO eine taxative ist, ist für die Entscheidung unbeachtlich. Gemäß § 530 Abs.2 ZPO ist die Wiederaufnahmsklage wegen eines im § 530 Abs.1 Z 7 ZPO (hier: Kenntnis neuer Beweismittel, deren Vorbringen im früheren Verfahren eine günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte) angegebenen Umstandes nur zulässig, wenn die Partei ohne Verschulden außerstande war, die neuen Beweismittel vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz geltend zu machen. Dafür ist der Wiederaufnahmskläger behauptungs- und beweispflichtig. Kommt er dieser Pflicht nicht schon in der Klage nach, so ist diese gemäß § 538 Abs.2 ZPO durch Beschluß zurückzuweisen (1 Ob 512/92; EvBl.1973/563; Fasching IV 520). Die Ansicht des Rekursgerichtes, das Fehlen ausreichender Behauptungen zur unverschuldeten Unmöglichkeit, die neuen Beweismittel im Verfahren erster Instanz geltend zu machen, führe zur Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage, steht somit im Einklang mit der Lehre und Rechtsprechung. Die Frage, ob im konkreten Einzelfall dem Klagevorbringen ausreichende Behauptungen zu entnehmen sind, ist nicht erheblich im Sinne des § 528 Abs.1 ZPO; die Kasuistik des Einzelfalles schließt vielmehr eine beispielgebende Entscheidung aus (vgl. MietSlg.36.789 ua).

Deshalb war - mangels Bindung des Obersten Gerichtshofes an den Ausspruch des Rekursgerichtes über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (§ 526 Abs.2 ZPO) - der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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