OGH 8Ob606/92

OGH8Ob606/9219.5.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gunther Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Edgar Huber, Dr. Birgit Jelinek, Dr. Ronald Rohrer und Dr. Ilse Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** M*****, ***** vertreten durch Dr. Martin Schloßgangl, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagte Partei R***** L***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Arno Figl und Dr. Günther Klepp, Rechtsanwälte in Linz, wegen Herausgabe (Streitwert S 100.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 7. Mai 1992, GZ 4 R 264/91-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 25. Juli 1991, GZ 4 Cg 120/91-10, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.094 (einschließlich S 849 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger kaufte bei einem autorisierten Kfz-Händler einen Vorführwagen mit einem Kilometerstand von 20 gegen Gewährung eines 15%igen Rabattes auf den Listenpreis; auf den Kaufpreis wurde ihm ein Betrag von S 56.000 für die Rückgabe seines alten PKW angerechnet; und der verbleibende Differenzbetrag von S 89.000 wurde ihm auf 3 Monate gestundet.

Der verkaufende Kfz-Händler stand mit der beklagten GmbH in ständiger Geschäftsbeziehung; er kaufte bei ihr Neu- und Gebrauchtwagen an, die er selbständig weiterverkaufte, oder er vermittelte Verkäufe für sie. Die an ihn verkauften Fahrzeuge blieben jeweils bis zur vollständigen Bezahlung im Eigentum der beklagten Partei; zur Manifestierung dieses Eigentumsvorbehaltes behielt sich die beklagte Partei den jeweils dazugehörigen Typenschein zurück.

So geschah es auch bei dem dem Kläger verkauften PKW, der von der beklagten Partei dem Kfz-Händler als Vorführwagen gegen einen 12%igen Rabatt verkauft worden war. Dieser vereinbarte mit dem Kläger, daß der PKW noch ca. 3 Monate weiterhin auf ihn zugelassen bleiben sollte, damit er als "Vorführwagen" betrachtet und dadurch dem Kläger ein großzügiger Preisnachlaß gewährt werden könnte. Nach Bezahlung des Restkaufpreises sollte der Vorführwagen auf den Kläger zugelassen und der Typenschein übergeben werden. Anläßlich des Vertragsabschlusses ließ sich der Kläger den Typenschein nicht zeigen. Er verlangte vom Kfz-Händler auch keinerlei Nachweise darüber, daß er tatsächlich Eigentümer des PKWs sei. Das Vorbehaltseigentum der beklagten Partei kannte er nicht. Nach Unterzeichnung des Kaufvertrages folgte ihm der Kfz-Händler das Fahrzeug sowie den noch auf diesen lautenden Zulassungsschein aus. Als sich der Kläger nach 3 Monaten beim Kfz-Händler nach dem Typenschein erkundigte, meinte dieser, er solle zunächst den Restkaufpreis zahlen, womit sich jener zufriedengab. Er urgierte erst wieder den Typenschein, nachdem er mit etwa zweimonatiger Verspätung den Restkaufpreis überwiesen hatte. Nach mehrmaliger vergeblicher Urgenz des Typenscheins erfuhr der Kläger, daß sich dieser noch bei der beklagten Partei befand, die die Herausgabe verweigert, weil der Kfz-Händler ihr den Kaufpreis für den PKW noch nicht zur Gänze bezahlt hat.

Beide Vorinstanzen gaben dem Begehren des Klägers auf Verurteilung der beklagten GmbH zur Herausgabe des Typenscheins statt. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige, und ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof zu, weil es meinte, in einem gewissen Grad von der oberstgerichtlichen Judikatur abgewichen zu sein, denn es habe die von dieser entwickelten Grundsätze beim Barkauf auch auf Fällen der Stundung des Kaufpreises angewendet.

Rechtliche Beurteilung

Dies trifft nicht zu; die Entscheidung des Berufungsgerichtes ist vielmehr voll durch oberstgerichtliche Judikatur gedeckt, sodaß die Revision als unzulässig zurückzuweisen ist.

Nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung (ZVR 1962/24 ua; zuletzt SZ 60/13 = JBl 1988, 311 mwN) kann die Gutgläubigkeit des Käufers eines fabriksneuen Fahrzeuges oder eines vom Kfz-Händler benutzten Vorführwagens (6 Ob 517/81 ua) nicht schon allein deshalb verneint werden, weil er den Typenschein, dessen Übergabe für den Eigentumserwerb ohne Belang ist, nicht eingesehen hat; Voraussetzung für die Annahme des guten Glaubens war nach diesen Entscheidungen Barzahlung, weil der Käufer mit einer Veruntreuung des für den Lieferanten bestimmten Betrages nicht rechnen muß; er darf darauf vertrauen, daß ihm der Veräußerer - sei es als Volleigentümer, sei es infolge zureichender Weiterveräußerungsermächtigung - das Eigentum am Fahrzeug verschaffen kann. Hingegen kann er nicht damit rechnen, daß der Lieferant auch dann mit dem Erlöschen des Eigentumsvorbehalts und somit mit dem Verlust seiner Kaufpreissicherung einverstanden ist, wenn ihm das Fahrzeug auf Kredit ausgeliefert wird; in diesem Fall besteht nämlich die Wahrscheinlichkeit, daß auch der Verkäufer seinerseits seinem Lieferanten den Kaufpreis nicht umgehend bezahlt.

In Weiterentwicklung dieser Gedanken sprach der Oberste Gerichtshof in seiner - dem Berufungsgericht offensichtlich unbekannt gebliebenen - Entscheidung JBl 1988, 314, betreffend den Erwerb einer Yacht, aus, daß der Käufer damit rechnen kann, daß der Lieferant in dem Zeitpunkt mit dem Erlöschen des Eigentumsvorbehalts einverstanden ist, in dem der Erwerber den Kaufpreis voll bezahlt hat, weil auch eine solche Verfügungsermächtigung seinem Sicherungsinteresse entspricht; der Kläger darf also mit einer aufschiebend bedingten Weiterveräußerungsermächtigung des Kfz-Händlers rechnen; damit erwirbt der Käufer gutgläubig ein Anwaltschaftsrecht; durch die vollständige Kaufpreiszahlung erwirbt er unbeschränktes Eigentum (in diesem Sinn auch Czermak in Anm zu dieser E sowie Rodrigues, JBl 1988, 298 und Koziol-Welser II9 156).

Andere erhebliche Rechtsfragen liegen nicht vor: Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß es belanglos ist, ob der Kläger den Kaufpreis zum vereinbarten Zeitpunkt oder erst später vollständig beglichen hat. Gleiches gilt für die Frage, ob ausreichende Sicherheiten gegeben wurden oder der Kaufpreis schlicht kreditiert oder gestundet wurde; nach vollständiger Bezahlung des Kaufpreises spielt dies keine Rolle.

Es liegen auch ausreichende Feststellungen vor, die einen Schluß auf den guten Glauben des Klägers rechtfertigen. Da der Kfz-Händler den PKW im Rahmen seines Handelsgewerbes dem Kläger veräußerte ist die Frage seiner Gutgläubigkeit nach § 366 HGB zu beurteilen. Nach dieser Gesetzesbestimmung wird - herrschender Meinung zufolge - auch der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis geschützt und nur bei grober Fahrlässigkeit des Käufers ausgeschlossen, wofür hier keine ausreichenden Indizien vorliegen (vgl. die Ausführungen hiezu in der genannten E JBl 1988, 314). Auch wenn der Kfz-Händler vom Beklagten durch die von ihm eingeschlagene Vorgangsweise seinerseits einen höheren Rabatt erhalten haben sollte, als wenn er diesem offengelegt hätte, daß er das Auto dem Kläger völlig neuwertig verkauft, und dies dem Kläger bewußt gewesen sein sollte, kann ihm keine einen gutgläubigen Erwerb ausschließende grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Die Vorgangsweise des Kfz-Händlers berührt ausschließlich sein Verhältnis zur beklagten Partei, deren eigenes Geschäftsrisiko es ist, dem Kfz-Händler Vorführwagen in einer ausreichenden Zahl zur Verfügung gestellt zu haben, die solche Manipulationen ermöglichten, und die ihn allenfalls gegenüber der beklagten Partei schadenersatzpflichtig machen.

Dem Kläger sind die Kosten seiner Revisionsbeantwortung zuzusprechen, weil er auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.

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