Spruch:
- 1. Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
- 2. Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird jedoch aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerden das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem Punkt A 2 a (Schuldspruch der beiden Angeklagten wegen des Finanzvergehens nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG in Ansehung unvollständiger Umsatzsteuervoranmeldung für das Jahr 1984) sowie im Strafausspruch aufgehoben und insoweit in der Sache selbst erkannt:
Die Angeklagten werden für die verbleibenden Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1, Abs. 2 lit a und lit b FinStrG gemäß §§ 21 Abs. 1 und 2, 33 Abs. 5 FinStrG zu Geldstrafen von je 500.000 (fünfhunderttausend) S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu je 5 (fünf) Monaten Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.
3. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf die Strafneubemessung verwiesen.
4. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 4.April 1958 geborene Marek M***** und der am 11. Oktober 1956 geborene Wojtek K***** wurden der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 (Punkt A 1, bezüglich K***** auch B des Urteilssatzes) sowie Abs. 2 lit a (A 2) und Abs. 2 lit b FinStrG (A 3) schuldig erkannt.
Darnach haben sie in Wien teils als Geschäftsführer, teils "in faktischer Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten der Firma A***** Handelsges.m.b.H." vorsätzlich
A./ im bewußten und gewollten Zusammenwirken
1./ unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-,
Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe unrichtiger
Steuererklärungen für das Jahr 1984 am 16.Mai 1986 eine
Verkürzung (bescheidmäßig festgesetzter) Abgaben von 276.958 S
bewirkt, und zwar
an Umsatzsteuer 58.863 S,
an Körperschaftssteuer 175.321 S, sowie
an Gewerbesteuer 42.774 S;
2./ unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer von insgesamt 972.589 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten, und zwar
a./ vom 11.September 1984 bis 11.Februar 1985 um 80.863 S (gemeint wohl: 58.863 S; siehe den entsprechenden Anklagevorwurf S 74),
b./ vom 11.März 1985 bis zum 11.Februar 1986 um 290.953 S,
c./ vom 11.März 1986 bis zum 11.Februar 1987 um 622.773 S;
3./ unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 des Einkommensteuergesetzes 1972 entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung von Lohnsteuer um insgesamt 1,083.901 S und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen um insgesamt 88.623 S bewirkt und dies ebenfalls nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten, nämlich
a./ vom 11.August 1984 bis zum 11.Jänner 1985 Lohnsteuer um 82.921 S und Dienstgeberbeiträge um 11.587 S,
b./ vom 11.Februar 1985 bis zum 11.Jänner 1986 Lohnsteuer um 849.890 S und Dienstgeberbeiträge um 64.674 S,
c./ vom 11.Februar 1986 bis 11.Jänner 1987 Lohnsteuer um 151.090 S und Dienstgeberbeiträge um 12.362 S;
B./ Wojtek K***** allein unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe unrichtiger Steuererklärungen Abgabenverkürzungen von insgesamt 1,568.206 S bewirkt, und zwar
1./ für das Jahr 1985 am 1.April 1987
an Umsatzsteuer 290.953 S,
an Körperschaftssteuer 448.500 S und
an Gewerbesteuer 153.022 S;
2./ für das Jahr 1986 am 8.Juli 1987
an Umsatzsteuer 622.773 S,
an Körperschaftssteuer 33.946 S und
an Gewerbesteuer 19.012 S.
Die von den beiden Angeklagten dagegen aus § 281 Abs. 1 Z 4 und Z 9 lit b (M*****) bzw Z 4 und Z 5 a (K*****) StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht begründet.
Rechtliche Beurteilung
Zur Beschwerde des Marek M*****:
Mit seiner Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich dieser Angeklagte zunächst gegen die Ablehnung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf seine persönliche Einvernahme. (Infolge der Voraussetzungen des § 427 Abs. 1 StPO war die Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit durchgeführt worden.) Die Rüge geht jedoch schon deshalb fehl, weil bei Stellung des Antrages (S 123) kein konkretes Beweisthema genannt bzw nicht dargetan wurde, welche Umstände durch die Vernehmung des Angeklagten hätten aufgeklärt werden sollen (§ 427 Abs. 2 StPO). Da auch aus dem gegebenen Sachzusammenhang die Zielrichtung des Beweisbegehrens nicht erschlossen werden kann, gebricht es schon an der formellen Voraussetzung für eine erfolgreiche Geltendmachung des relevierten Nichtigkeitsgrundes (vgl Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr 16 und 18 zu § 281 Abs. 1 Z 4). Die in der Beschwerde nachgetragene Begründung muß auf sich beruhen, weil bei der Prüfung der Berechtigung eines Beweisantrages auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen ist.
Da Beweisanträge des einen Angeklagten auch dann nicht für den anderen gelten, wenn das Beweisthema für den einen wie den anderen in gleicher Weise von entscheidender Bedeutung ist (Mayerhofer-Rieder aaO Nr 35) und der Verteidiger des Angeklagten M***** sich nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles dem Antrag des Verteidigers des Angeklagten K*****, bei der Wiener Gebietskrankenkasse über die Höhe angeblich nachträglich eingeforderter Sozialversicherungsabgaben anzufragen, nicht angeschlossen hatte, steht ihm in Ansehung der Ablehnung dieses Beweisbegehrens mangels eigener Antragstellung kein Beschwerderecht zu.
Ebenso unbegründet wie die Verfahrensrüge ist aber auch die Rechtsrüge (Z 9 lit b) des Angeklagten M*****, in der er behauptet, die finanzbehördlichen Abgabenbescheide seien mangels seiner Mitwirkung am verfahrensgegenständlichen Betriebsprüfungsverfahren ihm gegenüber nicht in "materieller Rechtskraft" erwachsen.
Denn bei diesem Vorwurf übersieht er, daß es im gerichtlichen Finanzstrafverfahren lediglich auf die (nach den erstrichterlichen Urteilsannahmen gegebene) formelle Rechtskraft eines Abgabenbescheides gegenüber dem Abgabenschuldner - hier:
der abgabenpflichtigen Kapitalgesellschaft - ankommt (siehe FinStrG MGA E 20 ff zu § 55). Da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Einleitung des Betriebsprüfungsverfahrens keine Funktionen im abgabenpflichtigen Unternehmen mehr innehatte, ist auch seine Beteiligung am
Betriebsprüfungsverfahren - einschließlich seiner Ladung zur Schlußbesprechung - nach den einschlägigen Bestimmungen der BAO (vgl insbesondere §§ 147 ff in Verbindung mit §§ 77 ff) mit Recht unterblieben. Die prozessuale Vorschrift des § 55 FinStrG bezieht sich der Auffassung des Angeklagten M***** zuwider nämlich nur auf jenen (unmittelbaren) Täter, der selbst Abgabenschuldner ist und im Abgabenverfahren Parteistellung genießt (FinStrG MGA aaO E 34).
Die in diesem Zusammenhang (inhaltlich gestützt auf die Z 9 lit a) weiters aufgestellte Behauptung des Beschwerdeführers, er habe am Zustandekommen der Steuererklärungen nicht mitgewirkt, findet hingegen in den erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen keine Deckung. Denn diesen zufolge werden dem Angeklagten konkrete tatbestandsspezifische Handlungen (von Hinterziehungsvorsatz getragene Unterlassung der buchhalterischen Aufnahme von Umsätzen und Erlösen) während der gesamten Zeit seiner Tätigkeit für die Abgabenschuldnerin, also von der Firmengründung im Sommer 1984 bis zu seinem Ausscheiden als Geschäftsführer am 20.März 1987, angelastet (S 133 f, 136 ff). Insofern entbehrt die Rechtsrüge daher einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil sie nicht von den hiefür maßgeblichen Urteilsfeststellungen ausgeht.
Mit seiner Anregung auf Veranlassung der Überprüfung der Bestimmung des § 33 Abs. 5 FinStrG auf ihre Verfassungsmäßigkeit schließlich genügt es, den Beschwerdeführer auf die Vorschrift des § 23 Abs. 3 FinStrG hinzuweisen, welche ausdrücklich die vermißte Bedachtnahme auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters bei Bemessung der Geldstrafe nach dem Finanzstrafgesetz normiert.
Zur Beschwerde des Wojtek K*****:
Eine Nichtigkeit bewirkende Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte (Z 4) erblickt dieser Angeklagte in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Anfrage an die Gebietskrankenkasse über die Höhe der für die gegenständlichen Wirtschaftsjahre nachträglich festgesetzten Sozialversicherungsabgaben, weil die Berücksichtigung dieser Beträge eine Verringerung der "Ertragssteuer" bewirkt hätte (S 124).
Angesichts dessen, daß der Beweisantrag sowohl in Ansehung des Zeitpunktes der angeblichen nachträglichen Vorschreibung als auch deren Zusammenhanges mit den von der Betriebsprüfung durch das Finanzamt erfaßten Lohnauszahlungen jegliche Konkretisierung vermissen läßt und im übrigen weder aus der Verantwortung der beiden Angeklagten noch aus einem sonstigen Verfahrensergebnis Hinweise auf eine nachträgliche Festsetzung von Sozialversicherungsabgaben - von denen auch nur die Dienstgeberanteile ertragsmindernd sein könnten - ersehen werden können, stellt sich das Beweisbegehren der Sache nach insgesamt als unzulässiger Erkundungsbeweis dar, der mithin zu Recht der Ablehnung verfiel. Abgesehen davon ist mangels einer gegenteiligen Behauptung und eines gegenteiligen Verfahrensergebnisses davon auszugehen, daß im Betriebsprüfungsverfahren die auf die aufgedeckten Lohnzahlungen entfallenden Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung vom Finanzamt (pflichtgemäß) berücksichtigt wurden. Deshalb könnte es sich bei den angeblich nachträglich vorgeschriebenen Beiträgen nur um solche handeln, die auf von der Betriebsprüfung (noch) nicht erfaßten Lohnzahlungen beruhten und solcherart auf die den Angeklagten zur Last liegenden Verkürzungen von Körperschafts- und Gewerbesteuer, die gemäß § 33 Abs. 3 lit a FinStrG mit der zu niedrigen bescheidmäßigen Festsetzung bewirkt, das heißt vollendet waren, keinen Einfluß hätten.
Der Tatsachenrüge (Z 5 a) des Angeklagten K***** schließlich genügt es, zusammenfassend zu erwidern, daß die darin ins Treffen geführten globalen und unsubstantiierten Behauptungen - aus dem Betriebsprüfungsakt hätte sich ergeben, daß das Ergebnis des Betriebsprüfungsverfahrens insofern unrichtig war, als die Summe der Ausgangsfakturen des Unternehmens weit geringer war "als vom Finanzamt für Körperschaftssteuern angenommen"; die Angeklagten hätten lediglich Arbeiter "schwarz" beschäftigt, jedoch sämtliche Erlöse des Unternehmens der Versteuerung unterzogen - nicht geeignet waren, Bedenken, geschweige denn solche erheblicher Natur, gegen die den Schuldspruch tragenden Tatsachenfeststellungen zu erwecken.
Die zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten waren daher zu verwerfen.
Zur Maßnahme gemäß § 290 Abs. 1 StPO:
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerden hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt, daß das Urteil mit einer von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit behaftet ist, die sich zum Nachteil der beiden Angeklagten auswirkt. Das Schöffengericht hat nämlich - wie es der bisherigen Judikatur entsprach - die laut Punkt A 1 des Urteilssatzes für das Jahr 1984 nach § 33 Abs. 1 FinStrG bewirkte Umsatzsteuerverkürzung von 58.863 S unter Punkt A 2 a (dort ersichtlich auf Grund eines Schreibfehlers mit 80.863 S beziffert) zusätzlich als durch entsprechend unvollständige Voranmeldungen begangenes Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG beurteilt. Nach der Entscheidung eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom 21. November 1991 (14 Os 127/90 = EvBl 1992/26) wird das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG jedoch, wenn in der Folge mit Beziehung auf den gleichen Betrag und denselben Steuerzeitraum auch das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG zumindest versucht wird, von letzterem konsumiert (scheinbare Realkonkurrenz). Wird doch die auf einen bestimmten Zeitraum bezogene Umsatzsteuer nur einmal geschuldet, sodaß die Abgabe einer wahrheitswidrigen, der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung entsprechenden Jahresumsatzsteuererklärung keine über die im Voranmeldungsstadium herbeigeführte hinausgehende Umsatzsteuerverkürzung bewirkt ("straflose" oder "nachbestrafte" Vortat).
Dieser Rechtsirrtum war im beschriebenen Umfang durch (Teil-)Ausschaltung der Schuldsprüche beider Angeklagten wegen des Finanzvergehens nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG zu korrigieren.
Zu den Unrechtsfolgen:
Bei der hiedurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung folgte der Oberste Gerichtshof im wesentlichen den tatrichterlichen Erwägungen (S 141), und zwar auch in Ansehung des unterschiedlichen Verschuldensgrades der beiden Angeklagten. Zusätzlich wurde auch auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Angeklagten Rücksicht genommen (§ 23 Abs. 3 FinStrG) und auf dieser Basis auch unter Berücksichtigung des Wegfalles eines (verhältnismäßig geringen) Schuldspruchteiles die Höhe der vom Erstgericht verhängten, angesichts der gegebenen Verkürzungsbeträge äußerst moderat bemessenen Geldstrafen trotz des (minimal) reduzierten Strafsatzes als tatschuldadäquat erachtet. Dies gilt auch für die Ersatzfreiheitsstrafen. Eine bedingte Nachsicht der Unrechtsfolgen kam bei der gegebenen Sachlage aus generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.
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