OGH 3Ob528/92

OGH3Ob528/9229.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Kindes Michael M*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld, Realschulstraße 1, 8280 Fürstenfeld, als Sachwalter zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche, infolge Revisionsrekurses des Vaters Gerhard B*****, vertreten durch Dr. Peter Bartl, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 9.März 1992, GZ 1 R 22/92-22, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Fürstenfeld vom 18.Dezember 1991, GZ P 48/87-19, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Vater hat am 22.April 1987 vor der Bezirksverwaltungsbehörde die Vaterschaft zu dem am 28.Feber 1987 geborenen Kind Michael M***** anerkannt und sich mit Vergleich verpflichtet, ab der Geburt für den Unterhalt seines Sohnes S 1.600,- im Monat zu bezahlen.

Nachdem das Erstgericht am 26.September 1990 auf Antrag der Jugendwohlfahrtsbehörde auf diesen Unterhalt für die Zeit vom 1. September 1990 bis zum 31.August 1993 Vorschüsse bewilligt hatte, beantragte der Vater, ihn von der Leistung weiterer Unterhaltsbeträge zu befreien, weil er weder Einkommen noch Vermögen habe, sondern seit November 1987 als bei seiner Ehegattin mitversicherter "Hausmann" den Haushalt betreue und sich der Pflege und Erziehung seiner ehelichen Kinder widme. Seine Ehefrau komme als Landesbeamtin für den Unterhalt der Familie auf.

Das Erstgericht setzte im zweiten Rechtsgang den vom Vater für das Kind zu leistenden Monatsbetrag ab dem 31.Mai 1991 auf S 1.000,- herab, lehnte aber die gänzliche Enthebung von der Unterhaltsverpflichtung ab. Es stellte noch fest, daß das Kind im Haushalt der Mutter lebt, der die Obsorge zukommt, und daß der Vater vermögenslos und ohne Einkommen ist. Er hatte seine Tischlerlehre nach zweieinhalb Jahren aus gesundheitlichen Gründen ohne Prüfung abgebrochen un verdiente bis 1986 als Bauhilfsarbeiter ohne Überstunden etwa netto S 10.500,-. Er hat noch für seine beiden ehelichen Kinder Kristina, geboren am 19. April 1986, und Manuel, geboren am 18.September 1990, zu sorgen und geht seit November 1987 keinem Erwerbseinkommen nach, sondern ist im Haushalt tätig und befaßt sich mit der Erziehung und Pflege der ehelichen Kinder. Seine Ehegattin ist als Landesbeamtin mit einem Nettoeinkommen von rund S 16.000,-

monatlich beschäftigt und besitzt eine Eigentumswohnung, die von der Familie ab Feber 1992 bezogen wird. Die monatlichen Wohnkosten betragen S 4.800,-, dazu kommen die Aufwendungen für Strom, Rundfunkgebühr und Telefon. Wegen der Gleichstellung von Mann und Frau müsse dem Vater zugebilligt werden, bis zum vollendeten dritten Lebensjahr seines Kindes als Hausmann tätig zu sein. Wenn eine Hausfrau es hinnehmen müsse, daß der Mann wegen seiner Sorgepflichten für Kinder weniger zum Familienunterhalt beitragen könne, müsse es auch die erwerbstätige Ehegattin auf sich nehmen, daß das Familieneinkommen durch die Unterhaltsverpflichtung ihres den Haushalt führenden Ehegatten belastet werde. Es komme sonst zu einer Doppelbelastung der Mutter des unterhaltsberechtigten Kindes und einer Ungleichbehandlung der Elternteile. Den Lebensverhältnissen des Vaters auf Grund seines aus § 94 EheG abgeleiteten Unterhaltsanspruches gegen seine Ehegattin entspreche es, wenn er mit dem verminderten Betrag von S 1.000,-

im Monat zum Unterhalt des unehelichen Kindes beitrage.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Vom Vater könne zwar keine Erwerbstätigkeit verlangt werden, weil er seinen am 18.September 1990 geborenen Sohn betreue. Gegen die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei aber das Rekursgericht der Ansicht, daß die Tatsache weiterer Unterhaltspflichten eines Ehegatten zu den für seinen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten bedeutsamen Lebensverhältnissen gehöre, so daß der Vater S 1.000,- im Monat für sein uneheliches Kind aufbringen könne, wenn seine Ehegattin S 16.000,- verdiene und für den Mann und zwei Kinder sorgen müsse.

Der Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Eine "mittelbare" Unterhaltsverpflichtung der Ehegattin des Vaters ist nach Ansicht des Obersten Gerihtshofes nicht gegeben (vgl Schmidt, Barunterhaltspflicht der wiederverheirateten, einkommens- und vermögenslosen Kindesmutter, RZ 1987, 158 ff; Leitzenberger, Kann eine einkommenlose Ehefrau zu einer Unterhaltszahlung für ein Kind aus der früheren Ehe verpflichtet werden, ÖA 1984, 83 f; EFSlg 44.607; ÖA 1984, 102 ua). Nach § 91 ABGB sollen Ehegatten ihre eheliche Lebensgemeinschaft, besonders die Haushaltsführung und die Erwerbstätigkeit, unter Rücksichtnahme aufeinander und auf das Wohl der Kinder einvernehmlich gestalten. Bei dieeser einvernehmlichen Gestaltung sind die Ehegatten weitgehend nicht gebunden, soweit sich nicht Grenzen aus dem Wesen der Ehe oder aus gesellschaftlichen Wertungen ergeben oder das Wohl der Kinder vernachlässigt wird (vgl Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 2 ff zu § 90 ABGB). Der schon vor der Familienrechtsreform anerkannte Grundsatz, der Unterhaltsschuldner habe alle Kräfte anzuspannen, um seiner Unterhaltspflicht nachkommen zu können (vgl Pichler in ÖA 1976, 53 ff; Petrasch in ÖJZ 1989, 748; GlUNF 5851; ZBl 1928/229 ua), ist durch die Anordnung des § 140 Abs 1 ABGB, die Eltern hätten nach ihren Kräften zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten beizutragen, hervorgestrichen worden (RV 60 BlgNR 14.GP 21 f; AB 587 BlgNR 14.GP 3 f). Im Rahmen der Freiheit zur Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse konnte der Vater mit seiner Ehegattin durchaus vereinbaren, daß er sich auf die Haushaltsführung und die Betreuung der beiden gemeinsamen Kinder beschränkt, während die Ehegattin, die das höhere Erwerbseinkommen erzielt, ihre Berufstätigkeit fortsetzt. Sein Verzicht auf die Erzielung eines möglichen Einkommens während dieser Zeit, als eine Erwerbstätigkeit wegen der Notwendigkeit der Betreuung und Beaufsichtigung der Kinder nicht im bisherigen Ausmaß zumutbar ist, darf aber nicht nur zu Lasten seines unehelichen Kindes gehen. Schon aus dem Grundsatz, daß alle Kinder eines Unterhaltsverpflichteten gleich zu behandeln sind, wäre die Benachteiligung des unehelichen Kindes durch Ausfall jeder Unterhaltsleistung des Vaters un damit der auf die Mutter überbürdeten zusätzlichen Unterhaltslast nicht zu rechtfertigen, wenn er zugleich seinen beiden ehelichen Kindern den Unterhalt iSd § 140 Abs 2 Satz 1 ABGB leistet (OGH 4.Juli 1991, 6 Ob 573/91).

Der Vater hätte bei der Herstellung des Einvernehmens über die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit und Übernahme der Haushaltsführung auch auf den Unterhaltsanspruch seines unehelichen Kindes Bedacht nehmen müssen. So wurde schon ausgesprochen, daß trotz der aus Gründen der Gleichheit und Gleichbehandlung mit dem Elternkarenzurlaubsgesetz idF des Karenzurlaubserweiterungsgesetzes BGBl 1990/408 geschaffenen Wahlmöglichkeit der Eltern, welcher Teil die Pflege nach der Geburt eines im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindes übernehmen will, kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit und Gleichbehandlung von Mann und Frau vorliegt, wenn wegen bestehender (weiterer Unterhalts-)Verpflichtungen der Karenzurlaub nicht in Anspruch genommen werden kann (OGH 14. November 1991, 7 Ob 615/91).

Der Vater kann daher zwar seinen Beitrag für die beiden ehelichen Kinder durch die Führung des Haushalts leisten, in dem diese Kinder betreut werden, nicht aber mit der Begründung, diese Unterhaltspflicht (voll) zu erfüllen, zugleich verlangen, von jeder Unterhaltspflicht gegenüber seinem dritten Kind enthoben zu werden. Er ist vielmehr, weil er das bei der Gestaltung seiner Unterhaltsverpflichtung zu berücksichtigen gehabt hätte, insoweit nach seinen Kräften anzuspannen, als ihm bei anderer Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse die Leistung eines Beitrages zum Unterhalt des unehelichen Kindes möglich gewesen wäre, sei dies durch Beschränkung auf den notwendigen Bedarf und Abzweigung eines von den Vorinstanzen ohnedies geminderten Unterhaltsbetrages aus seinem zumindest teilweise in Geld zu befriedigenden Unterhalt von seiner Ehegattin, sei es durch einen Nebenerwerb, der ihm bei einer entsprechenden Abprache mit der Ehegattin zumindest stundenweise eigene Einkünfte verschafft hätte.

Insoweit sind die Gleichbehandlung aller Kinder bei der Erfüllung der Unterhaltspflichten und das Fehlen einer Verpflichtung der Ehegattin in Einklang zu bringen, dem Vater den zu leistenden Betrag für den Unterhalt des unehelichen Kindes neben der Deckung seines angemessenen Unterhalts iSd § 94 Abs 2 Satz 1 ABGB zur Verfügung zu stellen. Es werden dann allerdings bei der Beurteilung des von der Ehegattin zu leistenden Beitrages die eigenen Einkünfte des Mannes, die er für den Unterhalt des unehelichen Kindes verwendet, nicht anspruchsmindernd zu berücksichtigen sein. Dies ist aber eine auch sonst für den anderen Ehegatten eintretende Folge weiterer Unterhaltspflichten, denn auch der erwerbstätige Ehegatte wird, wenn er andere gesetzliche Unterhaltsansprüche zu erfüllen hat, weniger zum Unterhalt des anderen Ehegatten beitragen können.

Im Ergebnis ist daher den Vorinstanzen zu folgen, daß die Aufgabe der Erwerbstätigkeit und die Übernahme der Haushaltsführung keinen Anlaß geben, den Vater zur Gänze von seiner Unterhaltsverpflichtung zu befreien.

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