OGH 3Ob537/92

OGH3Ob537/9229.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede B*****, vertreten durch Dr.Friedrich Doschek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Gertrud H*****, vertreten durch Dr.Alfred Fürst, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 11.Oktober 1991, GZ 41 R 495/91-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 24.April 1991, GZ 5 C 264/91i-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.264 (darin S 544 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin kündigte der Beklagten die von dieser gemietete Wohnung gerichtlich auf. Der Beklagten sei zwar im Mietvertrag das Recht eingeräumt worden, die Bestandsräumlichkeiten vorübergehend unterzuvermieten. Sie habe jedoch die Wohnung ungeachtet ihrer Widmung für Wohnzwecke auf unbestimmte Zeit zur Gänze für geschäftliche Zwecke untervermietet. Die Beklagte verletze damit wichtige Interessen der Klägerin.

Die - gänzliche - Weitergabe des Mietgegenstandes sei gegen ein unverhältnismäßig hohes Entgelt erfolgt. Die Beklagte habe kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses, weil sie anderweitig wohnversorgt sei.

Die Beklagte erhob Einwendungen und beantragte die Aufhebung der Aufkündigung. Sie sei zu 1/12-Anteil Miteigentümerin des Hauses. Die Aufkündigung sei durch eine gerichtliche Genehmigung nicht gedeckt und überdies verspätet; die Klägerin habe der Untervermietung zugestimmt und sich mindestens des geltend gemachten Kündigungsgrundes verschwiegen, weil sie von der Untervermietung bereits seit 31.10.1989 wisse. Es liege auch nur eine vorübergehende Untervermietung vor.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung als wirksam und verpflichtete die Beklagte, den Bestandgegenstand geräumt zu übergeben. Es traf folgende Feststellungen:

Die Beklagte, die später zu 1/12-Anteil Miteigentümerin des Hauses wurde, schloß am 31.7.1969 mit dem Rechtsvorgänger der Klägerin, deren Gatten, einen Mietvertrag über den aufgekündigten Bestandgegenstand ab. In Punkt IV dieses Vertrages verpflichtete sich die Mieterin, den Mietgegenstand ausschließlich für Wohnzwecke zu verwenden; in Punkt VIII wurde der Mieterin eine vorübergehende Untervermietung der Bestandräume gestattet.

Seit Beginn des Bestandverhältnisses waren die Vertragsparteien "eigentlich ununterbrochen prozeßverfangen". Unter anderem strengte die Klägerin mit Erfolg ein Verfahren an, in dem der Beklagten die Ausübung einer Ordinationstätigkeit in der Wohnung untersagt wurde. Ab 1986 bewohnte die Beklagte die Wohnung nicht mehr selbst, sondern gab sie zunächst für eine Dauer von zwei Jahren an eine Botschaft, die sie zu Wohnzwecken benützte, in Untermiete. Als das Untermietverhältnis mit der Botschaft vorzeitig aufgelöst wurde, bemühte sich die Beklagte, für die nun leerstehende Wohnung einen weiteren Untermieter zu finden. Sie sprach auch mit der Klägerin über eine entgeltliche Gestattung der dauernden Untervermietung; doch kam eine Einigung nicht zustande.

Im Juni 1989 schloß die Beklagte einen Untermietvertrag mit der Republik Österreich, vertreten durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung ab. Das Mietverhältnis ist auf fünf Jahre befristet und kann laut Vertrag mit dreimonatiger Kündigungsfrist von beiden Vertragsteilen auch während dieser Frist gekündigt werden. Die Universität für Bodenkultur benützt das Objekt, das ihr als Büro vermietet wurde, zum Betrieb eines Institutes. Während der Betriebszeit - das ist bis

16 Uhr - arbeiten dort drei Leute. Zu den Semesterenden werden Prüfungen abgehalten. Der Untermietzins beträgt S 22.000 monatlich zusätzlich Umsatzsteuer und Heizkosten.

Die Beklagte hat einen monatlichen Hauptmietzins von S 10.504,14 zu bezahlen; 10 % USt und Heizkosten von S 1.145,20 netto sind darin enthalten. Die Beklagte hat einiges Inventar mitvermietet und zwar die von ihr 1976/77 eingerichtete Küche, ein von ihr eingerichtetes Badezimmer, eine Elektroheizung, für die sich nach der Anmietung S 150.000 aufwendete und anderes mehr.

Die Klägerin hatte bereits am 5.11.1982 einen Antrag auf Genehmigung der Einbringung einer Zinsklage und einer Kündigung wegen Zinsrückständen eingebracht. Das Verfahren war am 12.7.1989 noch anhängig. An diesem Tag begehrte die Klägerin die Fortsetzung und ergänzte, daß die Beklagte inzwischen das Objekt zur Gänze untervermietet habe. Gegen eine Kündigung aus diesem Grund sprach sich die Beklagte aus. Die Klägerin hielt entgegen, daß überdies eine nicht nur vorübergehende bzw eine Untervermietung zu vertragswidrigen Zwecken vorliege. Am 14.12.1989 wurde die Klägerin zur Einbringung einer Kündigung wegen Zinsrückstandes ermächtigt, diese Entscheidung am 10.5.1990 bestätigt und der ao.Revisionsrekurs am 11.7.1990 zurückgewiesen. Über eine Kündigung wegen Untervermietung erging (zunächst) keine Entscheidung und es wurde darauf, ob der Antrag dahin ausgedehnt sei, nicht eingegangen. Darauf brachte die Klägerin am 28.6.1990 einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung wegen "vertrags- und widmungswidriger Untervermietung" ein, dessen Bewilligung am 28.11.1990 bestätigt wurde.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die Gestattung einer vorübergehenden Untervermietung für andere als die ausdrücklich vereinbarten ausschließlichen Wohnzwecke liege nicht vor. Der Kündigungsgrund der gänzlichen Weitergabe sei verwirklicht.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte dessen rechtliche Beurteilung. Dahingestellt könne deshalb bleiben, ob es sich bei der auf fünf Jahre befristeten Untervermietung um eine bloß "vorübergehende" handle. Auf § 11 MRG - wonach sich der Vermieter auf ein vertragliches Verbot der Untervermietung nur berufen könne, wenn ein wichtiger Grund gegen die Untervermietung vorliege - könne sich die Beklagte nicht berufen, weil ein wichtiger Grund gegen die Untervermietung im Sinne der genannten Bestimmung, nämlich die gänzliche Untervermietung des Mietgegenstandes, gegeben sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zur Klarstellung der Voraussetzungen für die Aufkündigung des Mietgegenstandes nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Auf eine fehlende gerichtliche Ermächtigung zur Aufkündigung und eine Verschweigung des Kündigungsgrundes kommt die Revision (mit Recht) nicht mehr zurück.

Der Beklagten wurde vertraglich nur eine "vorübergehende Untervermietung der Bestandräume", die ausschließlich für Wohnzwecke verwendet werden durften, gestattet. Daß die Beklagte danach lediglich berechtigt wäre, einen Teil der von ihr gemieteten Wohnung unterzuvermieten, nicht aber den ganzen Bestandgegenstand, kann, solange es sich um eine vorübergehende Untervermietung handelt, der vertraglichen Bestimmung nicht entnommen werden. Zu einer nur teilweisen Untervermietung wäre die Beklagte zudem bereits nach § 1098 ABGB mit der dort genannten Einschränkung "wenn es ohne Nachteil des Eigentümers geschehen kann und im Vertrag nicht ausdrücklich untersagt ist" berechtigt, wobei das vertragliche Untervermietverbot durch § 11 Abs 1 MRG auf wichtige Gründen eingeschränkt wurde. Ein wichtiger Grund gegen die Untervermietung liegt aber nach § 11 Abs 1 MRG insbesondere dann vor, wenn der Mietgegenstand zur Gänze untervermietet werden soll (Z 1). Ein vertragliches Verbot jeglicher Untervermietung besteht allerdings hier nicht. Die Beklagte ist vielmehr nach dem Vertrag berechtigt, den Mietgegenstand zur Gänze unterzuvermieten, solange es sich um eine vorübergehende Untervermietung handelt. Überdies ist klar, daß die Untervermietung nicht anders als die eigene Benutzung nur zu Wohnzwecken erlaubt wurde.

Der Beklagten war, worauf schon mehrfach hingewiesen wurde, die Untervermietung der Bestandräume nur "vorübergehend" gestattet. Dies kann nur so verstanden werden, daß die Beklagte, sollte sie die gemietete Wohnung während eines bestimmten, zeitlich begrenzten Zeitraumes nicht selbst benötigen, berechtigt sein sollte, für diesen Zeitraum, also vorübergehend, die Bestandräume unterzuvermieten. Ob eine solche "vorübergehende" Untervermietung vorliegt, ist nicht nur nach dem im Juni 1989 für eine Dauer von fünf Jahren abgeschlossenen Untermietvertrag zu beurteilen; denn die Beklagte benützt die Wohnung schon seit 1986 nicht mehr selbst. Sie hatte sie vielmehr schon einmal zur Gänze untervermietet und hat das gegenständliche Unterbestandverhältnis abgeschlossen, nachdem der Bestandgegenstand in den dazwischen liegenden zwei Jahren leergestanden war und die Beklagte sich in dieser Zeit vergeblich bemüht hatte, die Zustimmung der Klägerin zur ständigen Untervermietung zu erhalten. Unter diesen Umständen kann bei einer neuerlichen Untervermietung auf fünf Jahre von einer vorübergehenden Untervermietung nicht mehr die Rede sein, auch wenn beiden Parteien des Untermietvertrages eine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit eingeräumt wurde (deren Wirksamkeit überdies nach dem Mietrechtsgesetz fraglich ist). Die Beklagte ist vielmehr bestrebt, die Wohnung, die sie selbst nicht mehr benötigt, gegen eine entsprechende Gegenleistung laufend zu verwerten.

Dazu kommt, daß die Beklagte in vertragswidriger Weise den Bestandgegenstand, den sie ausschließlich für Wohnzwecke verwenden durfte, zu Büro- und damit zu geschäftlichen Zwecken in Unterbestand gab. Es geht hier nicht darum, daß die Beklagte selbst den Bestandgegenstand zu einem nicht zulässigen Zweck verwendet - was allenfalls bloß ein Unterlassungsbegehren rechtfertigen würde -, sondern daß die der Beklagten an sich gestattete Untervermietung nur auf einen vorübergehenden Zeitraum und nur auf Wohnzwecke beschränkt war.

Mit der Gestattung der vorübergehenden Untervermietung der Bestandräume hat die Klägerin noch nicht auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG für den Fall der dauernden Weitergabe und der Widmungsänderung verzichtet. Unter "Weitergabe" iS dieser Gesetzesstelle ist entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht jede entgeltliche oder unentgeltliche Gebrauchsüberlassung zu verstehen (Würth in Rummel, Rz 24 zu § 30 MRG), sohin auch und gerade eine Untervermietung. Die gänzliche Weitergabe des Bestandgegenstandes - noch dazu zum Zwecke einer widmungswidrigen Verwendung -, den der Mieter offenbar in naher Zeit nicht für sich oder eintrittsberechtigte Personen dringend benötigt, stellt einen wichtigen Kündigungsgrund iS des § 30 Abs 2 Z 4 MRG dar. Dieser Kündigungstatbestand aber ist nach den vorstehenden Ausführungen verwirklicht, ohne daß dazu Stellung genommen zu werden braucht, ob die Untervermietung überdies gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung erfolgt ist.

Ansprüche nach § 10 MRG - soweit die Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes ungeachtet des Punktes XIII des Mietvertrages auf das vorliegende Bestandverhältnis anzuwenden sein sollten; vgl auch Punkt VII Abs 2 des Vertrages - sind gemäß § 37 Abs 1 Z 6 (idF des 2.WÄG), § 37 Abs 3 MRG im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machen. "Eine Verbindung des Räumungsanspruches mit Gegenforderungen im Wege der Zug um Zug Leistung" ist entgegen den Ausführungen in der Revision weder im Mietrechtsgesetz noch im Mietvertrag vom 31.7.1969 vorgesehen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage war gemäß § 10 Z 2 lit a RATG S 24.000. Ein höherer Jahresmietzins wurde in der Aufkündigung nicht genannt.

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