OGH 15Os19/92-9

OGH15Os19/92-923.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.April 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günter Robert W***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.Dezember 1991, GZ 12 b Vr 10.828/91-10, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, des Angeklagten und des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Riedl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben, der Strafausspruch aufgehoben und über den Angeklagten unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe von 150 (einhundertfünfzig) Tagessätzen verhängt. Die Höhe des Tagessatzes wird mit 200 (zweihundert) S bestimmt. Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wird die Ersatzfreiheitsstrafe mit 75 (fünfundsiebzig) Tagen festgesetzt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günter Robert W***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 7.August 1991 in Wien als Sicherheitswachebeamter der Bundespolizeidirektion Wien mit dem Vorsatz, "den Staat und Petra S***** an deren konkreten Rechten auf Erstattung oder Unterlassung einer Verwaltungsstrafanzeige ausschließlich auf Grund sachlicher Kriterien zu schädigen", seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er "die Anzeigeerstattung wegen Falschparkens gegen Petra S***** davon abhängig machte, ob sie mit ihm näher in Kontakt trete".

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte als Polizeibeamter am Vormittag des 7.August 1991 in Wien im Bereiche der Kreuzung Rathausstraße - Friedrich-Schmidt-Platz mehrere vorschriftswidrig abgestellte Kraftfahrzeuge, darunter auch den verkehrsbehindernd parkenden PKW der Petra S***** wahrgenommen und an der Windschutzscheibe dieses Autos eine Verständigung über die zu erstattende Anzeige angebracht. Auch an einem anderen Kraftfahrzeug hinterließ er eine Verständigung über eine Anzeigeerstattung, in drei weiteren Fällen brachte er an den Fahrzeugen Lenkerbenachrichtigungen über die Möglichkeit der Bezahlung eines Organmandates an. Überdies wollte er die Abschleppung des Kraftfahrzeuges der S***** veranlassen. Dies unterblieb jedoch, weil die Lenkerin noch während der Anwesenheit des Polizeibeamten zu ihrem PKW gekommen war, ihr Verhalten mit einem wichtigen Termin im Rathaus begründete und das Auto selbst entfernte. Ihre Frage, ob sie eine Strafe nicht sogleich bezahlen könne, verneinte der Angeklagte mit der Begründung, wegen ihres vorschriftswidrig abgestellten Fahrzeuges wäre es fast zu Verkehrsunfällen gekommen.

Als W***** zu Mittag in seinem Wachzimmer einrückte, vermerkte er im Tagesprotokoll nur die Ausstellung der drei bargeldlosen Organmandate und die Erstattung einer Anzeige; er unterließ jedoch die Eintragung der Petra S***** betreffenden Anzeige. Dies deshalb, weil die Frau ihm gut gefallen hatte und er die Unterlassung der ursprünglich geplanten Anzeigeerstattung von persönlicher Zuneigung und weiteren Kontakten mit ihr abhängig machte. In der Folge versuchte der Angeklagte mehrfach, mit S***** in Kontakt zu treten, am 11.August 1991 erreichte er sie telefonisch. Dabei äußerte er, sie solle mit ihm auf einen Kaffee gehen, dabei könne die Sache aus der Welt geschafft werden, die weitere Behandlung läge in seinem Ermessen. Der Angeklagte und Petra S***** vereinbarten daraufhin ein Rendezvous im Cafe Griensteidl, das aber nicht zustandekam, weil die Frau den Sekretär des Polizeipräsidenten von Wien vom Sachverhalt informiert hatte.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf § 281 Abs. 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO gestützt wird.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist festzuhalten, daß das Urteil zu Unrecht auch eine Schädigung der Petra S***** angenommen hat. Schaden an Rechten ist nicht nur ein solcher an Vermögensrechten, sondern auch an immateriellen und Persönlichkeitsrechten, insbesondere auch an konkreten öffentlichen Rechten. Begeht jemand eine Verwaltungsübertretung, dann hat der Staat ein konkretes öffentliches Recht (Hoheitsrecht), den Täter wegen dieser strafbaren Handlung zu verfolgen. Der Täter selbst hat zwar das Recht, daß dieses Strafverfahren den prozessualen Bestimmungen gemäß durchgeführt wird, er hat aber kein Recht, gegen sich eine Anzeigeerstattung zu erwirken oder wegen der von ihm begangenen Straftat verfolgt zu werden. So gesehen hatte Petra S***** kein Recht auf "Erstattung oder Unterlassung einer Verwaltungsstrafanzeige"; das Erstgericht hat daher zu Unrecht auch eine Schädigung der Petra S***** angenommen. Dieser vom Angeklagten ungerügt gebliebene Urteilsmangel gereicht ihm aber nicht zum Nachteil, sodaß ein Vorgehen gemäß § 290 Abs. 1 StPO nicht geboten ist.

Das gilt gleichermaßen auch für den Umstand, daß der Befugnismißbrauch des Angeklagten nicht, wie das Erstgericht ausführt, (für sich allein) darin lag, daß er die Anzeigeerstattung gegen Petra S***** wegen Falschparkens davon abhängig machte, ob sie mit ihm näher in Kontakt trete, sondern darin, daß er - was er damit aber implicite in seinen Tatplan aufgenommen hatte - diese Anzeige unterließ, obwohl die Voraussetzungen für ein Vorgehen gemäß § 21 Abs. 2 VStG nicht gegeben waren. Vorliegend wurde der Staat daher nicht (nur) dadurch geschädigt, daß der Angeklagte die Anzeigeerstattung bloß von etwas abhängig machte, sondern daß die Anzeige (pflichtwidrig) überhaupt nicht erstattet wurde.

In der weitwendig ausgeführten Mängelrüge (Z 5) wird behauptet, in einem entscheidenden Punkt seien die gerichtlichen Sachverhaltsannahmen nicht durch Beweisergebnisse gedeckt: Das vom Angeklagten ausdrücklich zugestandene Gefühl der Sympathie könne mindestens ebenso dazu führen, daß ein begünstigender Entschluß (die Abstandnahme von der Anzeige) sogleich gefaßt wird (was auch der Lebenserfahrung entspreche), wie auch, daß dieser bis zum beabsichtigten Gespräch vorbehalten wird. Der Entschluß zur Abstandnahme von der Anzeige sei daher nicht vom Wohlverhalten der Zeugin abhängig gewesen.

Darüber hinaus böten die Beweisergebnisse keinen Anhaltspunkt dafür, daß sich der Beschwerdeführer einer Rechtsbeugung bewußt gewesen sei.

Mit all diesen Einwänden zeigt der Nichtigkeitswerber keinen Begründungsmangel in der Bedeutung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO auf: Denn es wird weder eine Undeutlichkeit, Unvollständigkeit oder Widersprüchlichkeit des Urteils behauptet, noch daß keine oder nur offenbar unzureichende Gründe für einen Ausspruch des Urteils über entscheidende Tatsachen angegeben sind. Vielmehr unternimmt der Rechtsmittelwerber mit seiner Mängelrüge lediglich den im Rechtsmittelverfahren gegen Urteile des Schöffengerichtes unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), welche die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite negiert, läßt insoweit eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen, weil sie nicht vom festgestellten Urteilssachverhalt als Beurteilungsgrundlage ausgeht. Mit der Behauptung aber, das Verhalten des Beschwerdeführers sei nach Maßgabe seiner Befugnisse objektiv zulässig gewesen, weil er vom Anfang an nicht die Verpflichtung gehabt habe, eine Anzeige zu erstatten oder ein Organmandat auszustellen, ist sie nicht im Recht.

Gemäß § 21 Abs. 2 VStG können Organe der öffentlichen Aufsicht nur dann von der Verhängung einer Organstrafverfügung oder von der Erstattung einer Anzeige absehen, wenn das Verschulden des Täters geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Nach Lage des Falles lagen - wie das Schöffengericht zutreffend erkannte - die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach der genannten Gesetzesstelle, die kumulativ gegeben sein müssen, nicht vor. Denn der Umstand, daß durch das vorschriftswidrig geparkte Auto der S***** der Fahrzeugverkehr derart behindert wurde, daß es fast zu Verkehrsunfällen gekommen wäre und daß ein Abschleppen des verkehrsbehindernd abgestellten Kraftfahrzeuges (§ 89 a Abs. 2 und Abs. 3 StVO) nur deshalb unterblieben ist, weil die Lenkerin noch während der Anwesenheit des Angeklagten am Tatort erschienen war und das Fahrzeug unmittelbar darauf entfernt hatte, läßt die Annahme eines bloß geringfügigen Verschuldens nicht zu, weil das verkehrswidrige Verhalten Petra S*****, das mit einem "wichtigen Termin im Rathaus" begründet wurde, nicht erheblich hinter dem in der betreffenden Verwaltungsübertretung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückbleibt.

Dem Schuldspruch wegen § 302 Abs. 1 StGB haftet demnach ein Rechtsirrtum nicht an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 302 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 41 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten, die es gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend nichts, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Wandel des Angeklagten und daß aus der Tat kein vermögensrechtlicher Schaden entstanden ist.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte - ersichtlich gemeint, wegen des geringen Schuldgehaltes seiner Tat - eine Reduzierung der Freiheitsstrafe sowie in eventu die Verhängung einer Geldstrafe, wobei er im Gerichtstag ausdrücklich der Verhängung einer unbedingten Geldstrafe zustimmte (§ 295 Abs. 2 zweiter Satz StPO).

Die Berufung ist im Recht.

Auszugehen ist zunächst davon, daß das Erstgericht die besonderen Strafzumessungsgründe vollständig angeführt hat.

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs bedarf es im konkreten Fall weder aus spezialpräventiven, noch aus generalpräventiven Erwägungen der Verhängung einer Freiheitsstrafe; vielmehr reicht die Verurteilung zu einer Geldstrafe aus, um den Berufungswerber von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten und der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Demnach war unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB auf eine Geldstrafe zu erkennen.

Diese war nach dem Verschulden des Täters und dem Unrechtsgehalt der Tat mit einhundertfünfzig Tagessätzen auszumessen.

Bei Bedacht auf die persönlichen Verhältnisse des für niemand sorgepflichtigen Angeklagten und sein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen von 14.000 Schilling war die Höhe des Tagessatzes mit zweihundert Schilling festzusetzen.

Das Ausmaß der Ersatzfreiheitsstrafe gründet sich auf § 19 Abs. 3 StGB.

Zur Erzielung der spezialpräventiv erforderlichen Effektivität der Strafe war die Geldstrafe allerdings unbedingt auszusprechen, wozu der Berufungswerber im Gerichtstag - wie bereits erwähnt - ausdrücklich seine Zustimmung erklärt hat.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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