OGH 6Ob640/91

OGH6Ob640/919.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich O*****, vertreten durch Dr. Hans Lehofer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach Michael P*****, verstorben am *****, vormals wohnhaft in *****, vertreten durch Dr. Helmut Cronenberg, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 62.500 samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 13. September 1991, GZ 1 R 145/91-36, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 28. Februar 1991, GZ 16 Cg 164/90-30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.348,80 (darin S 724,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte von Michael P*****, der im Laufe des Verfahrens verstorben ist, die Zahlung von S 62.500. Er brachte dazu im wesentlichen vor, er habe P***** am 29. Oktober 1986 beauftragt, für ihn den 1/4-Anteil der Inge H***** an der H***** & W***** GesmbH zu erwerben. Als Kaufpreis sei ein Betrag von S 62.500 vereinbart worden, den der Kläger in zwei Raten übergeben habe. In der Folge habe sich das Geschäft jedoch zerschlagen. Die beklagte Partei sei daher verpflichtet, den vom Kläger treuhändig übergebenen Betrag zurückzuzahlen. Im zweiten Rechtsgang stützt der Kläger ohne weiteres Tatsachenvorbringen sein Begehren auch auf Irrtum, Unmöglichkeit der Leistung und Dissens der Parteien. Das Geschäft sei nicht zustandegekommen, weil es an der Voraussetzung der Errichtung eines Notariatsaktes fehle.

Die beklagte Partei wandte ein, Michael P***** habe sich mit drei von vier Gesellschaftern der H***** & W***** GesmbH, nämlich mit Wolfgang und Ingrid H***** sowie Roswitha W***** über den Ankauf von deren Geschäftsanteilen geeinigt und insbesondere an Roswitha W***** den vereinbarten Betrag von S 62.500 bezahlt, ohne daß es zu einem notariellen Abtretungsvertrag gekommen sei. Am 29. Oktober 1986 habe der Kläger darauf bestanden, den Geschäftsanteil der Roswitha W***** um S 62.500 zu erwerben. Gegen Zahlung dieses Betrages habe der Kläger im Einverständnis mit Roswitha W***** die Rechte des Michael P***** gegen die Genannte eingelöst und damit dessen gesamte Gläubigerposition gegenüber Roswitha W***** erworben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Zugrundelegung des folgenden Sachverhaltes statt:

Gesellschafter der Firma H***** & W***** GesmbH waren mit je 25 % der Geschäftsanteile Wolfgang und Ingrid H***** sowie Roswitha und Heinz W*****. Mit den drei Erstgenannten vereinbarte Michael P***** die künftige Übertragung ihrer Anteile um jeweils bestimmte Kaufpreise. Am 10. September 1986 zahlte Michael P***** für den Anteil der Roswitha W***** S 62.500. Neben Michael P***** war auch der Kläger am Erwerb von Geschäftsanteilen an der GesmbH insbesondere deshalb interessiert, weil sein Sohn im Betrieb der Gesellschaft beschäftigt war. Als der Kläger sein Interesse am Erwerb von Anteilen bekundete, hatte P***** auch bereits Teilzahlungen für die Anteile des Wolfgang und der Ingrid H***** geleistet. Am 29. Oktober 1986 übergab der Kläger im Beisein der Gesellschafter mit Ausnahme der Roswitha W***** und in Kenntnis, daß der gesamte Preis für deren Anteil von Michael P***** bereits bezahlt worden war, diesem S 60.000 und am 1. März 1987 S 2.500. Diese Beträge wurden von Michael P***** einbehalten. Dem Kläger ging es vornehmlich um den Einstieg in die Gesellschaft, nicht um den Erwerb eines bestimmten Anteiles. Roswitha W***** war mit der Abtretung ihres Geschäftsanteiles an den Kläger einverstanden. Michael P***** sicherte dem Kläger zunächst die notarielle Regelung zu; eine Abtretung von Geschäftsanteilen durch Notariatsakt an Michael P***** erfolgte nicht, weil eine verlangte Offenlegung der Gesellschaftsfinanzen unterblieb. Anfang April 1987 erklärte Michael P***** gegenüber der Gesellschaft daher den Rücktritt von seinen Kaufabsichten und verständigte den Kläger hievon mit der Empfehlung, sich hinsichtlich eines notariellen Abtretungsvertrages direkt mit Roswitha W***** in Verbindung zu setzen. Eine faktische Tätigkeit im Rahmen der Gesellschaft hat der Kläger nicht entfaltet. Über das Vermögen der H***** & W***** GesmbH wurde am 5. Juni 1987 der Konkurs eröffnet und nach der Verteilung der Masse am 12. März 1990 aufgehoben.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß für die Abtretung von Geschäftsanteilen an einer GesmbH und auch für die schuldrechtliche Verpflichtung zur künftigen Übertragung von Gesellschaftsanteilen sowie für Anwartschaftsverträge nach § 76 Abs 2 GesmbHG die Errichtung eines Notariatsaktes zwingend sei. Eine Heilung und damit ein Ausschluß des Rückforderungsanspruches für schon Geleistetes könnte nur durch Invollzugsetzen des Gesellschaftsverhältnisses durch tatsächliche Erfüllung eintreten. Die Legitimation der beklagten Partei ergebe sich daraus, daß ein Kontakt oder eine direkte Vereinbarung zwischen dem Kläger und Roswitha W***** nicht bestehe, Michael P***** den Preis für den Geschäftsanteil erhalten habe und damit als nicht erfüllender Vertragspartner des Klägers der Nutzungsträger gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne der Klagsabweisung ab.

Aus den Verfahrensergebnissen sei nicht feststellbar, daß sich Michael P***** gegenüber dem Kläger verpflichtet habe, für den Abschluß eines Notariatsaktes zu sorgen. Er habe vielmehr dem Kläger geraten, sich hiezu direkt mit Roswitha W*****, die mit einer Abtretung ihres Geschäftsanteiles an den Kläger einverstanden gewesen sei, in Verbindung zu setzen. Eine Vereinbarung, daß der eingeklagte Betrag Michael P***** vom Kläger nur treuhändig übergeben worden sei, sei nicht festgestellt. Jede Vereinbarung über die Abtretung von Geschäftsanteilen unterliege der Formvorschrift des § 76 GesmbHG, gleichviel, ob eine Person, die bereits Gesellschafter sei, oder ein Nichtgesellschafter für den Fall, daß er künftig Gesellschafter werde, sich zur Abtretung im voraus verpflichte. Da kein Anhaltspunkt dafür bestehe, daß Michael P***** oder die beklagte Partei die Erfüllung der Formvorschrift der Errichtung eines Notariatsaktes verweigert hätten, komme eine Rückzahlung nicht in Betracht.

Im Hinblick auf die in NZ 1986, 212 veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, in welcher bei der Übertragung von Geschäftsanteilen an einer GesmbH hinsichtlich der Notariatsaktpflicht zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft unterschieden werde und aus welcher abzuleiten sei, daß ein Anspruch auf Abschluß eines Notariatsaktes nach Erfüllung des Verpflichtungsgeschäftes durchsetzbar sein könne, sei die ordentliche Revision zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung 6 Ob 542/90 (= ecolex 1990, 551) ausführlich dargelegt hat, haben die weitaus überwiegende Judikatur des Obersten Gerichtshofes, zum Teil unter ausdrücklicher Ablehnung der Entscheidung NZ 1986, 212 = GesRZ 1989, 229 und der Großteil der Lehre die Ansicht vertreten, daß nicht nur das Verfügungs-, sondern auch das Verpflichtungsgeschäft der Notariatsaktform bedarf. Zweck der Formvorschrift des § 76 Abs 2 GesmbHG ist die Immobilisierung der Geschäftsanteile, deren "Zirkulationsfähigkeit und Negotiabilität" unterbunden werden sollte, sowie der Schutz beim Erwerb einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, deren Gebarungskontrolle gegenüber der Aktiengesellschaft für die Öffentlichkeit entscheidend weniger einsichtig bleibt. Die Formvorschrift dient auch der Publizität, denn es soll möglichst evident sein, wer jeweils gerade Gesellschafter ist. Eine Heilung des formungültigen Übertragungsaktes durch Erfüllung machte mehrfache Umsätze von Anteilen ohne sachenrechtlichen Übertragungsakt möglich. Daher bedarf nicht nur die Übertragung eines Geschäftsanteiles an einer GesmbH durch Rechtsgeschäft unter Lebenden, sondern auch eine Vereinbarung oder Verpflichtung, einen solchen Geschäftsanteil (künftig) zu übertragen, zu ihrer Gültigkeit der Form eines Notariatsaktes. Ohne Notariatsaktform ist ein solches Rechtsgeschäft, auch wenn der Abtretungspreis bezahlt wurde, nicht rechtswirksam, ja gar nicht vorhanden und es kann auch durch einen solchen Vorgang ein klagbarer Anspruch nicht erhoben werden. Durch Beendigung der GesmbH nach dem Konkurs ist ein Erwerb von Geschäftsanteilen durch Notariatsakt und damit eine Heilung des Formmangels, welche der Kläger nach den Feststellungen gar nicht versucht hat, nicht mehr möglich.

Weder Michael P***** noch der Kläger haben unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten von der Gesellschafterin Roswitha W***** Geschäftsanteile oder durchsetzbare Anwartschaftsrechte erworben. Durch die Vereinbarung des Klägers mit Michael P*****, an dessen Stelle (künftig) Geschäftsanteile an der GesmbH zu erwerben - beiden Teilen war bewußt, daß hiezu noch ein förmlicher Notariatsakt erforderlich sein werde - und die Refundierung des von P***** bereits an W***** geleisteten Geldbetrages durch den Kläger konnte P***** im Einverständnis mit der Gesellschafterin dem Kläger nur seine Verhandlungsposition überlassen, wobei nach den Umständen des Falles die Beteiligten schlüssig übereinkamen, daß die Gesellschafterin den ihr bereits zugekommenen Geldbetrag als vom Kläger geleistet zu behandeln hatte. Da der Kläger diese Position auch tatsächlich erhalten hat - mehr konnte ihm P***** nicht übertragen und überließ er ihm auch nicht -, fehlt es an einer Grundlage für einen Kondiktionsanspruch des Klägers gegenüber der beklagten Partei.

Irgendwelche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines anderen Rechtsgrundes für den vom Kläger behaupteten Anspruch gegen die beklagte Partei sind weder dem Vorbringen des Klägers noch den getroffenen Feststellungen zu entnehmen.

Das Berufungsgericht, dem kein Verfahrensmangel und auch keine Aktenwidrigkeit unterlaufen ist (§ 510 Abs 3 ZPO) - die Ausführung, es könne nicht erkannt werden, daß sich Michael P***** verpflichtet hätte, für den Abschluß eines Notariatsaktes zu sorgen, stellt eine aus den Feststellungen des Erstgerichtes abgeleitete Schlußfolgerung im Tatsachenbereich dar -, hat daher im Ergebnis zu Recht das Klagebegehren abgewiesen.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

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