OGH 6Ob523/92

OGH6Ob523/929.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** AG, ***** vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Johanna P*****, vertreten durch Dr. Reinhard Anderle, Rechtsanwalt in Linz, wegen Anfechtung (488.267,16 S), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 30. Oktober 1990, AZ 4 R 168/90 (ON 17), womit das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 23.März 1990, GZ 3 Cg 230/89-12, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht stattgegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind Kosten des zu ergänzenden Verfahrens.

Text

Begründung

Der Klägerin steht gegen den Ehemann der Beklagten - aufgrund eines 1979 zugezählten und spätestens im August 1981 fälliggestellten Darlehens - eine seit Mitte Juni 1984 vollstreckbare Forderung auf Zahlung von knapp 180.000 S samt Zinsen und Kosten zu. Zur Hereinbringung dieser Forderung leitete die Klägerin gegen den Verpflichteten im Herbst 1984 Fahrnisexekution, im Januar 1985 und im Oktober 1985 Gehaltsexekution ein. Diese Zwangsvollstreckungsversuche blieben erfolglos.

Mit Vertrag vom 14.August 1986 verkaufte der Schuldner seine Liegenschaft an seine Ehefrau, die nunmehrige Beklagte.

Gleichzeitig mit deren Eigentum wurden zu TZ 4339/1986 einerseits das Wohnungsrecht zugunsten des Verkäufers sowie das Belastungs- und Veräußerungsverbot zu seinen Gunsten sowie zugunsten der beiden Kinder der Kaufvertragsparteien grundbücherlich einverleibt.

Ein im Mai 1987 angebrachter Exekutionsantrag der Klägerin auf zwangsweise Pfandrechtsbegründung auf der mittlerweile an die Beklagte veräußerten Liegenschaft wurde mit Rücksicht auf den Grundbuchsstand abgewiesen.

Am 20.Juli 1989 brachte die Klägerin gegen die Beklagte die Anfechtungsklage mit dem Begehren auf Duldung der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung zur Hereinbringung der zum Stichtag 16. Juli 1989 mit 488.267,16 S bezifferten vollstreckbaren Forderung an der 1986 verkauften Liegenschaft an.

Zur Begründung des Anfechtungsbegehrens führte die Klägerin aus, der Schuldner habe den Kaufvertrag mit seiner Ehefrau in der Absicht geschlossen, die Exekutionsführung der Klägerin in die Liegenschaft zu vereiteln; diese Absicht habe der Beklagten, von der aus ihrer Lebensgemeinschaft mit dem Schuldner anzunehmen sei, daß sie von der Forderung der Klägerin gewußt habe, bekannt sein müssen.

Die Beklagte wendete ein, sie habe die Liegenschaft nicht nur in Unkenntnis der Forderung der Klägerin zu einem angemessenen Preis erworben; auch die Verbotsrechte seien nicht in Schädigungsabsicht eingeräumt worden, sondern im Sinne der Voreigentümerin des Schuldners, die die Liegenschaft ihren Enkelkindern habe erhalten wollen. Die Beklagte bestritt darüber hinaus auch die Befriedigungstauglichkeit der Gläubigeranfechtung mit der Behauptung von Vorpfandrechten zugunsten Forderungen in der Mindesthöhe von 500.000 S.

Dazu behauptete die Klägerin die restlose Tilgung der Hypothekarforderungen.

Das Prozeßgericht erster Instanz wies das Anfechtungsbegehren ab. Es verneinte die Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung im Hinblick auf das zugunsten der beiden Kinder einverleibte Veräußerungs- und Belastungsverbot.

Das Berufungsgericht faßte einen Aufhebungsbeschluß. Dazu sprach es aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Rekursgericht teilte zwar die dem erstinstanzlichen Urteil zugrunde gelegte Ansicht über das allgemeine Anfechtungserfordernis der Befriedigungstauglichkeit, betonte aber die Beweislast der Anfechtungsgegnerin für die Befriedigungsuntauglichkeit einer auf Erweiterung des zur Befriedigung der Forderung der Anfechtungsgläubigerin zur Verfügung stehenden Haftungsfonds. Im Falle der - bisher ungeprüft gebliebenen - Anfechtbarkeit ihres Liegenschaftserwerbes hätte die Beklagte als Bestellerin der Verbotsrechte für deren Beseitigung als Hindernis gegen den Zugriff der Anfechtungsgläubigerin zu sorgen; die Untunlichkeit einer solchen - als von der Klägerin begehrt zu unterstellenden - Freimachung von den eine zwangsweise Zwangsrechtsbegründung hindernden Verboten habe die Beklagte nicht schlüssig behauptet. Als Erwerberin eines mit den Verbotsrechten belasteten oder kraft des Erwerbsgeschäftes von ihr zu belastenden Liegenschaft könnte sie sich auch nicht mit Erfolg auf die Verbotsrechte berufen, solange diese der Anfechtung durch die Gläubigerin unterlägen. Eine Anfechtung der Verbotsrechte müsse nicht gleichzeitig mit der Anfechtung der Eigentumsübertragung erfolgen, eine "schrittweise", nacheinander erfolgende Anfechtung sei zulässig.

Was die Befriedigungsuntauglichkeit der Anfechtung wegen aufrechter Vorpfandrechte anlange, sei die Einwendung der Beklagten nicht hinlänglich spezifiziert, weil der für den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung anzusetzende Liegenschaftswert der zu diesem Zeitpunkt aufrechten Pfandbelastung nicht betragsmäßig gegenübergestellt worden sei.

Davon abgesehen wäre die nach dem Klagebegehren zu duldende Exekution durch Einräumung eines Zwangspfandrechtes dann nicht als befriedigungsuntauglich zu erkennen, wenn eine wenigstens teilweise Tilgung der Vorpfandrechte (ohne Wiederausnützung der Pfandstelle) in angemessener Zeit nicht ausgeschlossen werden könnte.

Entgegen einer beiläufigen Erwähnung des Prozeßgerichtes habe die Klägerin mit ihrem Prozeßvorbringen hinlänglich eindeutig behauptet, daß der Beklagten die Absicht ihres Ehemannes, durch die Liegenschaftsveräußerung seine Gläubiger zu benachteiligen, bekannt gewesen sei. Ein Mangel am Vorbringen zum

einzigen - zufolge Verstreichens der zweijährigen Anfechtungsfrist - in Betracht zu ziehenden Anfechtungsgrund nach § 2 Z 1 AnfO könnte im übrigen ohne vorhergehende Erörterung mit den Parteien keinesfalls eine sofortige Klagsabweisung rechtfertigen.

Die Beklagte ficht den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß wegen qualifiziert unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteiles zielenden Abänderungsantrag an.

Die Klägerin strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung, hilfsweise (ohne eigene Anfechtung des berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses) die Sachentscheidung im Sinne ihres Anfechtungsbegehrens an.

Die Ausführungen zum Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung beschränken sich auf die Behauptung, daß mit dem Kaufvertrag als einem einheitlichen Rechtsakt auch die Belastungen des Eigentumsrechtes der Beklagten mit einem Wohnungsrecht und mit den Verbotsrechten, die als Bedingungen für die Eigentumsübertragung angesehen werden könnten, vereinbart worden seien und diese die Befriedigungsuntauglichkeit der Anfechtung evident erscheinen ließen, weil es an Anhaltspunkten dafür fehlte, daß die Buchberechtigten bereit oder verpflichtet wären, in die Zwangsvollstreckung einzuwilligen.

Nach dem im vorliegenden Rekurs gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß eingenommenen Standpunkt der Beklagten hätte ihr der Schuldner nicht das unbeschränkte Eigentum an seiner Liegenschaft versprochen, sondern nur das durch ein Wohnungsrecht zu seinen Gunsten sowie durch das Veräußerungs- und Belastungsverbot zu seinen und der gemeinsamen Kinder Gunsten beschränkte Eigentum.

Rechtliche Beurteilung

Die daraus gezogene Schlußfolgerung einer augenfälligen Befriedigungsuntauglichkeit der Anfechtung ist schwer verständlich:

Ein Wohnungsrecht als persönliche Dienstbarkeit hinderte weder die nach dem Klagebegehren zu duldende zwangsweise Pfandrechtsbegründung noch etwa eine nachfolgende Zwangsversteigerung.

Die zugunsten des Schuldners begründeten Verbotsrechte vermöchten eine Exekution gegen ihn als Verpflichteten nicht zu beeinträchtigen.

Das zugunsten der Kinder begründete Belastungs- und Veräußerungsverbot aber unterläge im Falle des von der Rekurswerberin behaupteten einheitlichen Rechtsgeschäftes einer selbständigen Gläubigeranfechtung, deren Erfolg vom Vorliegen der besonderen Anfechtungsvoraussetzungen in der Person der Verbotsberechtigten abhinge. Hiezu hat das Berufungsgericht die Ansicht ausgesprochen, daß eine schrittweise Anfechtung zulässig wäre. Dazu nimmt die Rekurswerberin überhaupt nicht Stellung. Zu dieser vom Berufungsgericht zu Recht als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO qualifizierten, von der Rechtsmittelwerberin aber nicht aufgegriffenen Rechtsfrage bleibt lediglich anzumerken, daß der Erfolg jeder der beiden selbständig verfolgbaren Anfechtungsansprüche jeweils vom Erfolg der anderen Anspruchsverfolgung abhinge. Dem anfechtenden Gläubiger muß die Möglichkeit gewahrt werden, auch diesen für die Befriedigungstauglichkeit erforderlichen Nachweis zu erbringen. Das Berufungsgericht hat zutreffend festgehalten, daß der Klägerin Gelegenheit zu geben ist, ihr Vorbringen zu diesem Punkt zu präzisieren und zu ergänzen.

Im übrigen tritt der Oberste Gerichtshof der vom Berufungsgericht ausgesprochenen Ansicht bei, daß in einem Fall, in dem zur Erweiterung der Haftungsgrundlage für den vollstreckbaren Anspruch des Anfechtungsgläubigers anfechtbar begründete Rechtspositionen zweier verschiedener Personen angefochten werden müßten, zwar die erfolgreiche Anfechtung gegenüber dem einen Anfechtungsgegner jeweils Voraussetzung für die Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung gegenüber dem anderen Anfechtungsgegner ist, die Anfechtung aber nicht gegen alle Anfechtungsgegner als notwendige Streitgenossen gemeinsam verfolgt werden muß, sondern in getrennten Prozessen zulässig ist.

Dem Rekurs gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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