OGH 13Os32/92-6

OGH13Os32/92-68.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.April 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Weixelbraun als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Anton G***** wegen Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach dem § 21 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24.Oktober 1991, GZ 9 a Vr 10.000/89-94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Gründe:

Dr. Anton G***** wurde mit dem angefochtenen Urteil gemäß dem § 21 Abs. 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Dem liegt zugrunde, daß er am 29. Oktober 1990 unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB) außer dem Fall des § 201 Abs. 1 StGB Carmen M***** mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafs nötigte, indem er sie in seiner von ihm versperrten Wohnung wiederholt packte, festhielt, niederdrückte und sich teilweise auf sie legte und an ihr insgesamt fünfmal den Geschlechtsverkehr vollzog, wobei er ihr während des Geschehens mehrmals drohte, wenn sie seinen Wünschen nicht nachkomme, werde sie von ihm körperlich gestraft werden, wodurch er Handlungen beging, die ihm, wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, als das Verbrechen der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 2 StGB zuzurechnen gewesen wären.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf den § 281 Abs. 1 Z 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Die Verfahrensrüge (Z 4) releviert die Unterlassung der Vernehmung von Zeugen sowie Einholung von (weiteren) psychiatrischen und psychologischen Gutachten, eines Fakultätsgutachtens und der Beischaffung von Akten und Krankengeschichten.

Das Schöffengericht hat jedoch alle diese Beweisanträge mit insgesamt zutreffender Begründung abgewiesen.

N. R*****, N. W***** und Dr. Karl Z***** waren keine Tatzeugen. In welcher Weise sich das Tatopfer Carmen M***** vom Angeklagten nach der Tat auf der Straße verabschiedete, ist entscheidungsunwesentlich. Zu Recht haben die Tatrichter darauf hingewiesen, daß selbst bei Annahme einer Verabschiedung in intimer Form ("schmusend") für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewonnen ist. Dies läßt keine unmittelbaren Rückschlüsse auf das vorangegangene Tatgeschehen zu, weil selbst bei Annahme eines solchen Verhaltens dafür vielerlei Gründe vorliegen können (AS 34/II). N. W***** hätte nach dem Beweisantrag (AS 29/II) nur über Erzählungen von R***** an sie berichten können. Ebenso entscheidungsunwesentlich ist, ob Carmen M***** dem Dr. Karl Z***** gegenüber erklärt hat, sie wolle nicht, daß der Angeklagte bestraft werde, denn auch die Annahme, eine solche Erklärung sei abgegeben worden, stünde nicht in unmittelbarem Widerspruch zu dem von der Zeugin geschilderten Tatablauf.

Zur Vernehmung des den Angeklagten zur Befundaufnahme vorführenden Justizwachebeamten über die Dauer dieser Befundaufnahme, die deswegen beantragt wurde, weil eine kurze Dauer kein weitreichendes Gutachten erlaube, erklärte der Sachverständige in der Hauptverhandlung selbst, daß dies etwa eine halbe Stunde gedauert habe (AS 26/II). Im Protokoll über die Hauptverhandlung ist dazu festgehalten, daß der dem Sachverständigen dort zur Verfügung gestandene Beobachtungszeitraum etwa vier Stunden betragen hat (AS 33/II). Die während dieses jedenfalls hinreichenden Zeitraums gemachten Beobachtungen über das Verhalten des Angeklagten hat der Sachverständige in seine Überlegungen einbezogen (AS 25/II). In diesem Zusammenhang wurden inhaltliche Gutachtensmängel weder im Beweisantrag noch in der Beschwerde behauptet, sodaß auch durch die Abweisung des Antrages auf Vernehmung des Justizwachebeamten, der den Angeklagten zur Befundaufnahme durch den Sachverständigen vorgeführt hat, Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt werden konnten.

Die Vernehmung der Schwestern des Angeklagten zum Beweis dafür, daß die Krankheitsfeststellungen des psychiatrischen Sachverständigen hinsichtlich der Eltern des Angeklagten nicht stimmen (AS 30/II), konnte ebenso unterbleiben. Der Sachverständige hat dazu im Befund eigene Erzählungen des Angeklagten über seine Eltern wiedergegeben ("... der Vater sei Landarzt gewesen und wäre Quartaltrinker gewesen, die Mutter hätte in ihrer Ehe sehr gelitten, hätte dreimal einen Selbstmordversuch unternommen, sei unter anderem zweimal unter endogener bzw. exogener Depression diagnostiziert worden ..."

AS 293/I). Nach dem in der Hauptverhandlung vorgetragenen Gutachten korrelieren diese Erzählungen mit der vom Sachverständigen beim Angeklagten diagnostizierten neurotischen Entwicklungsstörung der Persönlichkeit (AS 305/I). Ergänzend führte der Sachverständige dazu (mit medizinischer Begründung) in der Hauptverhandlung aus, daß auch bei Wegfall dieser Informationen das Gutachten im Ergebnis unverändert aufrecht bleibt. Auch auf Grundlage der Annahme, die Berichte des Angeklagten über seine Eltern anläßlich der Befundaufnahme seien unzutreffend gewesen und ausgehend von jenem Sachverhalt, der durch die Vernehmung der Schwestern des Angeklagten unter Beweis hätte gestellt werden sollen, kann daher in Wahrheit keine Veränderung an den Schlußfolgerungen des Sachverständigen eintreten.

Damit erledigt sich aber auch der Einwand gegen die Unterlassung der Beischaffung eines Gutachtens Dris. PSICK, mit dem nachgewiesen werden sollte, daß die Mutter des Angeklagten nicht geisteskrank war, weil der Sachverständige seine Schlüsse zum Krankheitsbild des Angeklagten letztlich gar nicht auf eine Geisteskrankheit von dessen Mutter gestützt hat.

Durch die Beischaffung von Krankengeschichten des Angeklagten sollte dargetan werden, daß er "nicht psychotisch" sei. Dazu hätte es aber näherer Erläuterungen bedurft, welche besondere Aufschlüsse zur Widerlegung der Ergebnisse des im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachtens aus solchen Beweismitteln zu erwarten gewesen wären, weil die Behauptung, daraus ergebe sich, daß der Angeklagte "nicht psychotisch" sei, letztlich nur eine unbegründete Bestreitung der Gutachtensergebnisse insbesondere über den endogen manisch-depressiven Krankheitsanteil des Angeklagten (AS 307 ff/I) sowie seine Persönlichkeitsstruktur mit Geistes- und Gemütskrankheit im Krankheitswert einer Psychose (AS 315/I) darstellt.

Die vom Angeklagten im Zuge des Nichtigkeitsverfahrens vorgelegten Urkunden (Ablichtungen eines Schreibens der Juzistanstalt Göllersdorf vom 13.Feber 1992 über den Zustand des Angeklagten zur Zeit dieses Schreibens sowie eines Gutachtens von Dr. Erhard PSICK vom 27.April 1965 über Else G***** im Verfahren Z 150/64 des Bezirksgerichtes St. Pölten, Beilage zu ON 104) stellen im vorliegenden Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerungen dar, vermögen aber auch inhaltlich die Schlüsse des Sachverständigen nicht zu widerlegen.

Die Einholung eines psychologischen und eines weiteren psychiatrischen Gutachtens wurde zum Beweis für mangelnde Geisteskrankheit des Angeklagten, jene eines Fakultätsgutachtens deswegen beantragt, weil das im vorliegenden Verfahren eingeholte psychiatrische Sachverständigengutachten von UnivProf. Dr. Max FRIEDRICH im Widerspruch zu einem von Dr. MATHIASCHITZ stehe (AS 30 und 35/II). Die Beschwerde bezieht sich dabei auf behauptete Widersprüche zu von Dr. MATHIASCHITZ und Dr. SKATSCHE im Verfahren zu P 84/87 über den Beschwerdeführer erstellten Gutachten.

Die Beurteilung, ob der Angeklagte zur Zeit der Tat den Gebrauch seiner Vernunft besessen oder an einer Geistesstörung gelitten hat, wodurch seine Zurechnungsfähigkeit aufgehoben war, hat nach dem § 134 Abs. 1 StPO durch einen Arzt zu erfolgen. Die Fragen der Zurechnungsfähigkeit und der abnormen psychischen Struktur des Täters fallen in den Wissensbereich der forensischen Psychiatrie (Mayerhofer-Rieder, StPO3, ENr. 50 a zu § 134). Schon aus diesem Grund konnte die Einholung eines zusätzlichen psychologischen Gutachtens im vorliegenden Fall nicht zielführend sein. Das Gutachten des Dr. MATHIASCHITZ wurde vom Sachverständigen UnivProf. Dr. FRIEDRICH berücksichtigt (AS 289/I), Kopien aus dem Pflegschaftsakt, die auch dieses Gutachten enthalten, wurden im Beweisverfahren verlesen (AS 36/II). Ein zweites psychiatrisches Gutachten wäre nur dann begründet gewesen, wenn Widersprüche über die Beurteilung seiner Zurechnungsfähigkeit bei Begehung der in diesem Verfahren dem Angeklagten angelasteten Tat aufgetreten wären. Solche liegen jedoch nicht vor und werden auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet, weswegen der Antrag auf Einholung eines zweiten psychiatrischen Gutachtens nach der von der Tatsacheninstanz als Beweisfrage gelösten Beurteilung, ob das vorliegende Gutachten als ausreichend und schlüssig anzusehen ist (vgl. Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr. 1 zu § 126), im Kern einer Begründung entbehrt. Letztlich wurden auch Schwierigkeiten besonderer Art, welche die Einholung eines Fakultätsgutachtens begründen könnten (Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr. 19 zu § 126), nicht einmal behauptet. Es liegen aber auch die Voraussetzungen für die Einholung eines weiteren psychiatrischen Gutachtens nicht vor (vgl. Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr. 66 und 68 zu § 118).

Somit erweist sich die gesamte Verfahrensrüge als verfehlt.

Entgegen den Ausführungen der Mängelrüge (Z 5) hat sich das Schöffengericht ausführlich mit den Depositionen der Zeugin Carmen M***** in der Hauptverhandlung zum gesamten Tatablauf auseinandergesetzt und insbesondere in jeder Hinsicht mängelfrei begründet, weswegen es vor allem ihre Aussage vor dem Untersuchungsrichter (ON 11 in ON 38) seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat (US 13 und 14), wobei auch die von der Mängelrüge vermißte Feststellung, weswegen M*****, nachdem sie die Toilette aufgesucht hatte, nicht sofort das Haus verließ, sondern nochmals in jenen Raum zurückkehrte, in dem sich der Angeklagte aufhielt, wodurch es zu einem weiteren Geschlechtsverkehr kommen konnte (US 10), getroffen wurde. Dies geschah nach den durch die Angaben der Zeugin begründeten diesbezüglichen Konstatierungen nämlich deshalb, weil sie annahm, das Haus wäre noch versperrt.

Ob Carmen M***** vorerst keine Anzeige habe machen wollen, weil sie den Rückfall ihres Gatten nach einer Erkrankung befürchtete, ist - als den getroffenen Feststellungen nicht entgegenstehend - für die Entscheidung in der Schuldfrage unerheblich, sodaß die Unterlassung der Erörterung einer solchen Aussage der Zeugin Helene M***** einen Nichtigkeit des Urteils herbeiführenden Begründungsmangel nicht bewirken kann.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

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