OGH 13Os29/92-10

OGH13Os29/92-108.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.April 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Weixelbraun als Schriftführer in der Strafsache gegen Erwin R***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 12, zweiter Fall, 142 Abs. 1, 143, zweiter Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Erwin R***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 10.Oktober 1991, GZ 20 z Vr 5.346/90-71, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Obereder zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 8 (acht) Jahre herabgesetzt.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem einstimmigen Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Erwin R***** im zweiten Rechtsgang des Verbrechens des schweren Raubes als Beteiligter nach den §§ 12, zweiter Fall, 142 Abs. 1, 143, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt.

Die Geschworenen hatten die anklagekonforme Hauptfrage nach unmittelbarer (Mit-)Täterschaft verneint, hingegen uneingeschränkt die Eventualfrage bejaht, ob Erwin R***** schuldig sei, sich am 4.Mai 1990 in Wien an der Ausführung des schweren Raubes durch Roland J*****, der dem Viktor S***** mit Gewalt 850 S Bargeld und eine Spielzeugwaffe im Wert von ca. 40 S mit Bereicherungsvorsatz weggenommen hat, indem er ihn mit einer Holzlatte niederschlug, dadurch beteiligt zu haben, daß er Roland J***** aufforderte, den Viktor S***** zu berauben, die Tatwaffe beschaffte und Aufpasserdienste leistete.

Rechtliche Beurteilung

Während Roland J***** den gegen ihn wegen Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143, zweiter Fall, StGB ergangenen Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ließ, bekämpft ihn der Angeklagte Erwin R***** mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 6, 8 und 10 a des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch unbegründet ist.

Zu Unrecht erblickt der Beschwerdeführer eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) darin, daß in der Eventualfrage eine Bestimmungshandlung und zwei sonstige Tatbeiträge zusammengefaßt worden sind (§ 317 StPO). Die Täterschaftsformen des § 12 StGB stehen zueinander - ihrer Reihenfolge entsprechend - im Verhältnis materieller Subsidiarität (Mayerhofer-Rieder StGB3 E 90 bis 93 zu § 12). Hat der Bestimmungstäter zur Tatausführung durch Überlassung der Tatwaffe und durch Aufpasserdienste auch sonst beigetragen, so liegt zwar nur Bestimmungstäterschaft vor, doch verlieren die geleisteten Tatbeiträge nicht ihre den Schuldgehalt der Tat vermehrende und daher bei der Strafbemessung zu berücksichtigende Bedeutung (aaO E 90 und 91). Die Zusammenfassung aller nach den Verfahrensergebnissen indizierten Beteiligungshandlungen des Beschwerdeführers in einer einzigen Frage entsprach daher dem Gebot, den Geschworenen die vollständige Prüfung des Sachverhalts und eine eindeutige und erschöpfende Antwort zu ermöglichen (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 6 a zu § 317). Die Gefahr einer pauschalen Beurteilung des Tatgeschehens bestand keineswegs, weil die Laienrichter nach dem einfachen und klaren Aufbau der Eventualfrage unschwer in der Lage gewesen wären, durch bloß teilweise Bejahung derselben (§ 330 Abs. 2 StPO) den Umfang der Tatbeteiligung des Beschwerdeführers nach ihrer Überzeugung zu beschränken. Auf eine derartige Möglichkeit wurden die Geschworenen aber nicht nur schon zu Beginn der schriftlichen Rechtsbelehrung (Beilage B) durch die Aufforderung zur Beachtung der ihnen zur Verfügung gestellten Abschriften der allgemeinen Rechtsbelehrung, sondern auch durch die Erläuterungen in der Antwortenrubrik des Fragenformulars (Beilage D) hingewiesen.

Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen (Z 6) bestand kein Anlaß zur Stellung einer Eventualfrage wegen Diebstahls. Kein Verfahrensergebnis deutet darauf hin, daß der Angeklagte mit dem Vorsatz gehandelt hätte, sich bloß an einem Diebstahl zum Nachteil des Viktor S***** zu beteiligen. Er bestritt vielmehr, sich überhaupt an einer strafbaren Handlung des Roland J***** - welcher Art auch immer - in irgendeiner Form beteiligt zu haben.

Auch der Rechtsbelehrung haftet die vom Beschwerdeführer behauptete, ihre Unrichtigkeit (Z 8) bewirkende Unvollständigkeit nicht an. Nach der Fragestellung war ein über den Bestimmungsvorsatz des Beschwerdeführers hinausgehendes Handeln des unmittelbaren Täters Roland J***** nicht aktuell, weil sich die Bestimmung eben auf einen unter Verwendung einer Waffe zu verübenden Raub erstreckte. Eine Sachverhaltsvariante, die eine Bestimmung des Roland J***** durch Erwin R***** zum Diebstahl und eine von letzterem nicht gewollte Raubtat des Bestimmten zum Inhalt gehabt hätte, lag - wie bereits erörtert wurde - nicht vor. Mangels einer entsprechenden Fragestellung war daher auch in der Rechtsbelehrung auf die Möglichkeit eines sogenannten "excessus mandati" nicht einzugehen, weil die Rechtsbelehrung sich auf jene Rechtsbegriffe zu beschränken hat, die für die gestellten Fragen von Bedeutung sind (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 22 zu § 345 Z 8).

Das in die Belehrung über die Voraussetzungen eines strafbaren Tatbeitrages aufgenommene Beispiel einer Beitragstäterschaft (zu einem Diebstahl) vermag die Rechtsbelehrung gleichfalls nicht zu einer unrichtigen zu machen, weil darin zutreffend erläutert wird, daß die - auch hier aktuelle - Zurverfügungstellung eines Tatwerkzeuges einen sonstigen Tatbeitrag (zu welcher Tat auch immer) darstellt.

Schließlich ergeben sich dem Beschwerdevorbringen zuwider aus den Akten auch keine erheblichen Bedenken (Z 10 a) gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen. Es finden sich keine aktenkundigen Anhaltspunkte dafür, die belastenden Angaben des Roland J***** ernsthaft in Zweifel zu ziehen.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschworenengericht die zahlreichen, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden und rückfallsbegründenden Vorstrafen des Erwin R*****, die Anstiftung des Roland J***** und die mehrfache Beteiligungsqualifikation als erschwerend; als mildernd hingegen die relativ geringe "Diebs-" (gemeint: Raub-)beute. Es verhängte über den Angeklagten Erwin R***** nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB eine Freiheitsstrafe von neun Jahren.

Gegen diesen Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung des Strafausmaßes anstrebt.

Die Berufung ist begründet.

Die Anstiftung des Roland J***** zum Raub bildet im vorliegenden Fall weder unter dem Gesichtspunkt der Z 3 noch unter jenem der Z 4 des § 33 StGB einen besonderen Erschwerungsgrund. Angesichts des Umstandes, daß Roland J***** selbst es war, der die Begehung eines Vermögensdeliktes vorschlug (S 408), kann von dessen Verführung (Z 3) keine Rede sein. Dem Angeklagten fällt aber auch nicht zur Last, der Urheber oder Anstifter einer von mehreren begangenen strafbaren Handlung gewesen zu sein (Z 4), weil dieser Erschwerungsgrund eine dominante Bedeutung des Bestimmungstäters voraussetzt, die einer führenden Beteiligung an der Tat gleichwertig wäre. Dies war aber hier nicht der Fall, weil der Angeklagte an der Tatausführung nicht unmittelbar mitgewirkt hat (vgl. EvBl. 1976/287), Roland J***** ohnedies schon allgemein zu einem Verbrechen entschlossen gewesen war und die vom Berufungswerber geleisteten sonstigen Tatbeiträge bei wertender Betrachtung keineswegs überwiegen. Auch die mehrfache Art der Beteiligung ist nur im Rahmen der allgemeinen Strafbemessungsgrundsätze (§ 32 StGB) als schulderhöhend zu werten. Als besonderer Erschwerungsgrund kommt allerdings hinzu, daß das Raubopfer durch die Tat erheblich verletzt worden ist (S 272 ff).

Auf Grund dieser Erwägungen erachtete der Oberste Gerichtshof eine Reduktion des Strafausmaßes auf acht Jahre für angemessen, das sich damit trotz der schweren Vorstrafenbelastung des Angeklagten (die übrigens für seine im Vergleich zum unmittelbaren Täter Roland J***** strengere Bestrafung ausschlaggebend war) noch im unteren Drittel der gesetzlichen Strafdrohung von fünf bis zu fünfzehn Jahren hält.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

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