OGH 15Os15/92-7

OGH15Os15/92-72.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.April 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hermann S***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 11. Oktober 1991, GZ 11 Vr 233/90-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen (Teil-)Freispruch enthält, wurde der Gendarmeriebeamte Hermann S***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er "als Gendarmeriebeamter und Kommandant des Gendarmeriepostenkommandos K*****, somit als Beamter mit dem Vorsatz, den Staat in seinem Recht auf verwaltungsstrafrechtliche und strafrechtliche Verfolgung Nachgenannter zu schädigen, seine Befugnis als Gendarmeriebeamter und Postenkommandant des Gendarmeriepostenkommandos K*****, somit mit der Strafverfolgung betrautes Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich dadurch mißbraucht, daß er die Anzeigeerstattung unterließ und zwar in der Zeit vom 26.2.1989 bis 1.4.1989 gegen die Lenker der PKW mit dem Kennzeichen St 241.135, St 441.960, St 41.839, St 842.227, St 441.165, St 642.940, W 630.763 gemäß § 49 a VStG an die Bezirkshauptmannschaft M***** wegen Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortsgebiet von K***** am 26.2.1989".

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a und 9 lit. a, in eventu Z 10 StPO gestützt wird.

Schon die Mängelrüge (Z 5) ist berechtigt.

Das Schöffengericht nahm als erwiesen an, daß der Angeklagte, indem er die Erstattung der Anzeige an die zuständige Bezirkshauptmannschaft gegen die Lenker der oben angeführten Kraftfahrzeuge wegen Überschreitung der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h unterließ, wissentlich einer ihn treffenden Amtspflicht zuwider untätig geblieben ist (S 225/III). Es folgte dabei der Verantwortung des Angeklagten, wonach er deshalb keine Anzeigen erstattete, weil ihm die von betreffenden Lenkern begangene Geschwindigkeitsübertretung "eher geringfügig" erschien (S 178/III) und stellte demzufolge fest, daß der Angeklagte zwar am 1.April 1989 im Hinblick auf die bevorstehende Visitierung des Postens durch den Bezirksgendarmeriekommandanten die Anzeigeerstattung vortäuschte, die Anzeigen aber deshalb nicht erstattete, weil ihm die Übertretungen "geringfügig" (S 224/III) bzw. "eher geringfügig" (S 229/III) erschienen.

Wissentlich mißbraucht ein Beamter seine Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften, wenn er sich dessen gewiß ist, daß die von ihm eingehaltene Vorgangsweise den von ihm in concreto einzuhaltenden Dienstvorschriften zuwiderläuft, er mithin hiezu nicht befugt ist. Bezogen auf die gegenständlichen, vom Angeklagten in Ausübung seines Dienstes wahrgenommenen Verwaltungsübertretungen räumt § 21 Abs. 2 VStG den Organen der öffentlichen Aufsicht das Recht ein, von der Verhängung einer Organstrafverfügung oder von der der Erstattung einer Anzeige abzusehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind; die Organe der öffentlichen Aufsicht können diesfalls, müssen es aber nicht, den Täter in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam machen. Da nach der Aktenlage keiner der Fälle des § 99 Abs. 1 oder 2 StVO vorlag (vgl. § 100 Abs. 5 StVO), war in bezug auf die in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen der betreffenden Kraftfahrzeuglenker die Bestimmung des § 21 Abs. 2 VStG an sich anwendbar. Indem das Schöffengericht der Verantwortung des Angeklagten, die Erstattung einer Anzeige deshalb unterlassen zu haben, weil ihm die Übertretungen "geringfügig" bzw. "eher geringfügig" erschienen, folgte, wäre es verhalten gewesen, zu begründen, warum es dennoch zur Überzeugung gelangte, daß der Angeklagte durch die Unterlassung der Anzeigeerstattung wissentlich seine Befugnis als Organ der öffentlichen Aufsicht mißbrauchte. Denn wenn sich der Angeklagte auch nicht ausdrücklich auf die Vorschrift des § 21 VStG berufen hat, so könnte dieser Verantwortung doch seine (gegen einen wissentlichen Befugnismißbrauch sprechende) Vorstellung zugrundeliegen, geringfügige Verwaltungsübertretungen nicht anzeigen zu müssen.

Mithin erweist sich - wie die Nichtigkeitsbeschwerde im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit. a), der Sache nach damit aber einen Begründungsmangel (Z 5) relevierend, im Ergebnis zutreffend rügt - der Ausspruch, der Angeklagte habe seine Befugnis als Organ der öffentlichen Aufsicht wissentlich mißbraucht, als offenbar unzureichend begründet.

Es war demnach in Stattgebung der zum Vorteil des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, im übrigen aufzuheben und, weil sich zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat, spruchgemäß zu erkennen (§ 285 e StPO), ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden braucht.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die auch den Strafausspruch erfassende kassatorische Erledigung zu verweisen.

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