OGH 16Os4/92-9

OGH16Os4/92-927.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.März 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Friedrich und Dr. Lachner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Werner P***** sowie andere Angeklagte wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Fall, StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Robert M***** sowie über die Berufungen der Angeklagten P***** und M***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12.November 1991, GZ 9 Vr 2388/91-49, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Robert M***** auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden, jeweils anklagekonform, (I.) Robert M***** und Romeo B***** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 2 StGB sowie (II.) Werner P***** - der zudem (2.) das Vergehen (richtig: die Vergehen) nach § 36 Abs. 1 Z 2 und Z 3 WaffG zu verantworten hat - (1.) des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt.

Darnach sind die bezeichneten Verletzungsdelikte dadurch begangen worden, daß am 27.August 1991 in Graz (zu I.) M***** und B***** in verabredeter Verbindung mit P***** durch Schläge und Tritte Josef N***** und Franjo K***** vorsätzlich am Körper verletzten sowie (zu II.1.) P***** im Verlauf dieses tätlichen Angriffs dem N***** durch einen wuchtigen Stich mit einem Springmesser in die Brust absichtlich eine schwere Körperverletzung - und zwar eine Herzbeuteltamponade - zufügte, die den Tod des Verletzten zur Folge hatte.

Nach dem insoweit wesentlichen Urteilssachverhalt wurden die jugoslawischen Staatsangehörigen N*****, K***** und Drago H***** zunächst von P***** beschimpft, der unmittelbar darauf gegen N***** handgreiflich wurde, indem er ihm Ellbogenstöße und Schupfer versetzte; daß er schon das mit Mißhandlungs- oder Verletzungsvorsatz getan hätte, stellte das Erstgericht nicht fest.

Erst als sich N***** dagegen wehrte und auch dessen Begleiter eingreifen wollten, rief P***** die beiden Mitangeklagten zu Hilfe; dieser Zuruf war als reine Aufforderung, gegen N***** tätlich zu werden und mitzuraufen, gedacht und wurde auch von M***** und B***** so verstanden. Tatsächlich beteiligten sich letztere noch im Lokal, in dem die Kontroverse begann, am Raufhandel gegen N*****, der von ihnen - zu dritt - geschlagen und getreten wurde.

Unmittelbar danach griffen auch die beiden anderen Jugoslawen in die Rauferei ein, die sich in der Folge auf die Straße verlagerte, wo B***** und M***** wiederum Schläge und Tritte austeilten, und zwar gegen K***** und H*****, während P***** mit N***** raufte. Auch den gemeinsamen Entschluß, alle drei Jugoslawen zu mißhandeln, faßten die Angeklagten stillschweigend "vor der Tat", also jedenfalls noch vor dem Eingreifen von K***** und H*****.

Den tödlichen Messerstich des Angeklagten P***** gegen N***** beurteilte das Schöffengericht als excessus mandati, für den es allein ihn verantwortlich machte; die übrigen (leichten) Verletzungen des Genannten und des K***** hingegen lastete es als Folgen eines Tatverhaltens, welches in Realisierung einer von allen Angeklagten verabredeten Verbindung gesetzt wurde, iS § 84 Abs. 2 Z 2 StGB den Mitangeklagten M***** und B***** an.

Rechtliche Beurteilung

Der ausschließlich gegen die Annahme dieser Deliktsqualifikation gerichteten, auf § 281 Abs. 1 Z 5 und Z 9 lit. a (gemeint: Z 10) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M***** kommt keine Berechtigung zu.

Soweit er die Aussage der Zeugin S***** - als Grundlage für die Feststellung von Tätlichkeiten aller Angeklagten gegen N***** noch im Lokal sowie einer diesen Tätlichkeiten vorausgegangenen, darauf bezogenen Willenseinigung zwischen ihnen (US 4 vso) - in ihrer Beweiskraft zu erschüttern trachtet, ficht er im Rahmen der Mängelrüge gleichwie der Rechtsrüge nur nach Art einer im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung unzulässigerweise die erstinstanzliche Beweiswürdigung an. Formelle Begründungsfehler des Urteils (Z 5) oder eine unrichtige rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts (iS der Anfechtungserklärung: Z 10) werden damit gar nicht behauptet.

Nicht stichhältig ist der in Ausführung der Rechtsrüge sachlich einen Begründungsmangel (Z 5) reklamierende Einwand, die Urteilsbegründung sei insofern "gänzlich unlogisch" und widerspreche "allen Denkgesetzen", als die Konstatierung, daß P***** die Mitangeklagten nicht in der Absicht zu Hilfe rief, "Beistand oder Unterstützung" zu erbitten, darauf gestützt wird, daß er als Aggressor "eine solche" nicht nötig gehabt habe und daß dazu "auch noch kein Grund" vorgelegen sei (US 3 f.).

Denn die mit diesen Formulierungen zum Ausdruck gebrachte Überzeugung, daß P***** mit dem in Rede stehenden Zuruf M***** und B***** nicht etwa zur Abwehr von gegen ihn gerichteten Angriffen der Jugoslawen - oder gar zu einer Nothilfe (§ 3 StGB) ihnen gegenüber - veranlassen wollte, sondern vielmehr zu aktiven Tätlichkeiten gegen sie, konnte das Erstgericht sehr wohl logisch und empirisch unbedenklich aus jener Situation ableiten, in der sich der Genannte zur Zeit dieses Zurufs befand: Auch mit einem - bei der hier aktuellen Rüge nicht

relevierten - derartigen Vorhaben steht das den Entscheidungsgründen entgegengehaltene Argument, daß er die Mitangeklagten doch offensichtlich deshalb zu Hilfe gerufen habe, weil er beim Anpöbeln der drei Jugoslawen seine eigene Kraft überschätzt und sich dann einer Übermacht gegenübergesehen habe, durchaus nicht im Widerspruch.

Ins Leere hinwieder gehen die (abermals im Rahmen der Rechtsrüge erhobenen) Beschwerdeeinwände gegen eine vermeintliche Tatsachenannahme des Inhalts, daß alle drei Angeklagten schon vor dem erörterten Zuruf P***** an M***** und B***** stillschweigend ein gemeinsames Vorgehen gegen die Jugoslawen verabredet hätten (der Sache nach teilweise Z 5): Insoweit hat nämlich das Schöffengericht ohnehin unmißverständlich festgestellt, daß eine Verabredung der Angeklagten miteinander in bezug auf einen Raufhandel gegen N***** erst als Folge dieses Zurufs und auch in Ansehung von Mißhandlungen gegen alle drei Jugoslawen erst im Anschluß daran - wiewohl jedenfalls noch vor dem Eingreifen auch von K***** und H***** in jenen Raufhandel - stillschweigend getroffen wurde (US 3 vso).

Die zutreffend auf eben diesen Verabredungs-Zeitraum abgestellte Rechtsrüge (sachlich Z 10) indessen läßt beim Versuch aufzuzeigen, daß der gemeinsame Tatentschluß aller Angeklagten dementsprechend (jeweils) erst nach dem - für die Annahme einer qualifizierenden Verbindung iS § 84 Abs. 2 Z 2 StGB als letztmöglicher Zeitpunkt maßgebenden (vgl. SSt. 50/10 ua) - Beginn der Tatausführung gefaßt worden sei, eine prozeßordnungsgemäße Darstellung vermissen.

Setzt sich doch der Beschwerdeführer bei der Bezugnahme darauf, daß P***** nach den Entscheidungsgründen bereits vor seinem Zuruf an M***** und B***** "selbständig gegen die drei Jugoslawen zu stänkern begonnen" habe, darüber hinweg, daß das Erstgericht letzterem den zur Tatbestandsverwirklichung nach § 83 (Abs. 1 oder Abs. 2) StGB erforderlichen (Verletzungs- oder Mißhandlungs-) Vorsatz nicht als schon dabei gefaßt - also auch nicht als schon seinen einleitenden tätlichen Provokationen gegen N***** zugrunde gelegen - unterstellte, sondern vielmehr als erst seine Aufforderung an die beiden Mitangeklagten, gegen N***** tätlich zu werden, auslösende Motivation konstatierte (US 3 f.). Materiellrechtliche Nichtigkeitsgründe können aber nur durch einen Vergleich des im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalts mit den darauf angewendeten Strafbestimmungen gesetzmäßig ausgeführt werden. Darnach kann nach dem soeben Gesagten erst das im Anschluß an den Zuruf P***** an M***** und B***** gesetzte Tatverhalten aller Angeklagten (sowohl gegen N***** als auch gegen K*****) als Beginn der - das Vergehen nach § 83 (Abs. 1 oder Abs. 2) StGB verwirklichenden - (jeweiligen) Tatausführung verstanden werden.

Dazu ist demnach nur noch ergänzend klarzustellen, daß die einleitenden Handgreiflichkeiten des Angeklagten P***** gegen N***** selbst dann, wenn sie (bei dahingehenden Feststellungen) bereits objektiv und subjektiv als Ausführungshandlungen zu dem in Rede stehenden Vergehen zu beurteilen wären, nach Lage des Falles keineswegs auch schon einem Beginn der Tatausführung gegen K***** gleichgesetzt werden könnten, der erst später in die Auseinandersetzung eingriff (vgl. hiezu Burgstaller im WK § 84 Rz 51 aE).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher nach Anhörung der Generalprokuratur - die bei ihrer die Annahme der Qualifikation nach § 84 Abs. 2 Z 2 StGB ablehnenden Stellungnahme von der nach dem Gesagten durch die Entscheidungsgründe nicht hinreichend gedeckten (und zudem zwischen den Tätlichkeiten gegen N***** einerseits sowie gegen K***** anderseits nicht differenzierenden) Prämisse ausgeht, P***** habe bereits vor dem Eingreifen von M***** und B***** in seine Auseinandersetzung mit N***** bereits mit der Ausführung des Vergehens nach § 83 Abs. 2 StGB begonnen - schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 295 d Abs. 1 Z 2 und Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO).

Die Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten P***** und M***** fällt demzufolge in die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz (§ 285 i StPO).

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