OGH 3Ob16/92

OGH3Ob16/9225.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Maximilian G*****, Rechtsanwalt, ***** als Masseverwalter *****, wider die beklagte Partei ***** BANK *****, vertreten durch Dr. Harry Zamponi und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (restl. Streitwert S 156.548,97 sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 30. September 1991, GZ R 793/91-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 27. Mai 1991, GZ 9 C 1327/90b-19, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.471,80 (darin S 1.245,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit den Beschlüssen des Kreisgerichtes Wels vom 14. Mai und 5. Juni 1984 wurde über das Vermögen der H***** (= klagende Partei) und der H***** der Anschlußkonkurs eröffnet.

Auf Grund des rechtskräftigen Urteils des Kreisgerichtes Wels vom 16. Juni 1989 ***** und auf Grund weiterer, im Exekutionsverfahren ergangener Beschlüsse ist der Kläger als Masseverwalter im Konkurs der erstgenannten Gesellschaft verpflichtet, der beklagten Partei Prozeßkosten von S 178.476,-- und Exekutionskosten von S 12.601,64, zusammen Verfahrenkosten von S 191.077,64, zu ersetzen.

Zur Hereinbringung dieser Verfahrenskosten bewilligte das Erstgericht mit Beschluß vom 9. November 1990, ***** der beklagten Partei die Exekution durch Pfändung und Überweisung der dem Kläger gegen den Drittschuldner O*****bank ***** angeblich zustehenden Forderung von cirka S 350.000,--. In der beim Erstgericht am 6. Dezember 1990 eingelangten Drittschuldnererklärung anerkannte die O*****bank ***** die gepfändete Forderung und erklärte sich zur Zahlung bereit. Die Forderungsexekution wurde bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreites aufgeschoben.

Mit Beschluß vom 12. März 1991 bestimmte das Konkursgericht die Kosten des Klägers für die anwaltliche Vertretung der erstgenannten Konkursmasse in dem Anfechtungsprozeß gegen die beklagte Partei ***** mit S 158.813,40.

Der Kläger stellt mit der am 13. Dezember 1990 eingelangten Klage das Begehren, die mit Beschluß des Erstgerichtes vom 9. November 1990 bewilligte Forderungsexekution für unzulässig zu erklären und die Exekutionsbewilligung aufzuheben. Wegen der Verflechtung des Betriebes der beiden Gesellschaften, über deren Vermögen der Anschlußkonkurs eröffnet worden sei, sei eine Zuordnung der realisierten und bei der O*****bank ***** veranlagten Konten bisher nicht möglich gewesen. Ein Rechnungslegungsverfahren sei anhängig. Es bestünden fällige und feststehende Forderungen, die den für beide Konkursmassen zur Verfügung stehenden Betrag bei weitem überstiegen. Die Masseforderungen seien daher nur quotenmäßig nach Maßgabe der liquiden Mittel iS des § 47 Abs 2 KO zu befriedigen. Infolge Unzulänglichkeit der Masse liege ein Vollstreckungshindernis vor.

Das Erstgericht gab der Klage statt und traf zusätzlich zu dem bereits wiedergegebenen Sachverhalt folgende Feststellungen:

Das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 16. Juni 1989, ***** wurde im Juli 1989 rechtskräftig. Zu diesem Zeitpunkt hatten die beiden gemeinschuldnerischen Unternehmen ein Gesamtvermögen von S 835.666,--. Am 2. Jänner und 2. August 1990 wurden aus diesem Vermögen Zahlungen von S 19.652,40, S 200.000,-- und S 100.000,-- geleistet.

Im Jahr 1985 leitete der Kläger als Masseverwalter beider gemeinschuldnerischen Unternehmen Anfechtungsprozesse mit einem Gesamtstreitwert von S 7,9 Mio. ein. Diese Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Es kann nicht festgestellt werden, ob sie zu einer Vergrößerung der Masse führen werden. Sonstiges Massevermögen ist nicht vorhanden.

Seit Juli 1989 fällige Masse-

forderungen sind Kosten des Aus-

gleichsverfahrens von S 126.302,--

restliche Kosten des Gläubiger-

schutzverbandes im Ausgleichs-

verfahren von S 76.718,82

Leasingentgelte von S 663.100,--;

über diese Forderung, die vom Kläger zur Gänze bestritten wurde, ist ein Verfahren anhängig. Es kann nicht festgestellt werden, ob und zu welchem Teil diese Entgelte zu Recht bestehen. Das Verfahren ruht derzeit.

Es besteht ferner eine offene Betriebskostenforderung gegen die Masse von S 16.000,--.

Vom Kläger für die Masse vorschußweise getätigte Barauslagen wurden von ihm bisher nicht beim Konkursgericht geltend gemacht.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, der Einwand des Klägers, bei dem Aktivstand im Zeitpunkt der Bewilligung der Forderungsexekution am 9. November 1990 von S 516.013,60 handle es sich um ein Gesamtvermögen beider gemeinschuldnerischen Unternehmen, wäre mit einer Klage nach § 37 EO geltend zu machen gewesen. Mit Erfolg mache der Kläger dagegen die Unzulänglichkeit der Masse mit Klage nach § 36 EO geltend, da "Überschuldung der Masse gegeben" sei.

Das Berufungsgericht erkannte, daß die Forderungsexekution nur unzulässig sei, soweit die betriebene Forderung S 38.757,75 betrage; das Mehrbegehren, die Exekution auch hinsichtlich des diesen Betrag übersteigenden Teils der betriebenen Forderung von S 156.548,97 für unzulässig zu erklären, wies es ab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Bei der betriebenen Forderung handle es sich um einen gegen den Kläger als Masseverwalter erlangten Kostenersatzanspruch aus einem von ihm angestrengten Anfechtungsprozeß und damit um eine Masseforderung nach § 46 Abs 1 Z 5 KO. Massegläubiger seien gemäß den §§ 124 und 47 KO zu befriedigen. § 47 Abs 2 KO beinhalte keine Beschränkung des materiellen Anspruches, sondern normiere ein Vollstreckungshindernis iS des § 36 Abs 1 Z 1 EO. Im Zweifel seien alle bei den beiden gemeinschulderischen Unternehmen eingegangenen Beträge der hier vom Kläger vertretenen Gemeinschuldnerin zuzuordnen. Für die Frage, ob die vorhandene Masse zur Deckung der Masseforderungen ausreiche oder ob (teilweise) Unzulänglichkeit vorliege, sei entscheidend, für welchen Zeitraum diese Prüfung zu erfolgen habe und welche Masseforderungen dabei zu berücksichtigen seien, insbesondere, ob auch bestrittene Forderungen veranschlagt werden müßten. Anders als sonst bei Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung iS des § 36 EO sei nach Ansicht des Berufungsgerichtes im vorliegenden Verfahren nicht die Lage zur Zeit der Exekutionsbewilligung, sondern jene zur Zeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz maßgebend. Es werde damit der üblicherweise dynamischen Entwicklung des Massestandes am ehesten Rechnung getragen und die Entwicklung von Masse und Masseforderungen bis zu dem nach allgemeinen Prozeßgrundsätzen spätestmöglichen Zeitpunkt berücksichtigt. Auszugehen sei daher von einem Aktivstand von S 516.013,60. An Masseforderungen seien dem gegenüber zu veranschlagen die Kosten des Ausgleichsverfahrens von S 126.302,--, die restlichen Kosten des Gläubigerschutzverbandes von S 76.718,82 und die Betriebskostenforderung von S 16.000,-- sowie auch die vom Konkursgericht mit S 158.813,40 bestimmten Kosten für die Vertretung der Gemeinschuldnerin durch den Kläger im Anfechtungsprozeß. Die vom Masseverwalter vorschußweise bestrittenen baren Auslagen seien zwar Masseforderungen, stünden aber erst nach einer Entscheidung gemäß § 125 Abs 2 KO fest und würden auch erst dann fällig. Der vom Kläger begehrte Betrag von S 50.000,-- müsse daher hier unberücksichtigt bleiben. Bei den vom Kläger bestrittenen Leasing-Entgelten handle es sich nicht um feststehende und fällige Ansprüche iS des § 124 Abs 1 KO. Das Gleichbehandlungsgebot gelte nur für solche Massegläubiger, deren Forderungen feststehen und fällig, also befriedigungsreif seien.

§ 47 Abs 2 KO ordne für die Befriedigung von Masseforderungen eine bestimmte Reihenfolge an. Bevorrechtet seien die Kosten des Ausgleichsverfahrens (S 126.302,--) und die Vertretungskosten des Masseverwalters (S 158.813,40). Diese beiden Beträge von zusammen S 285.115,40 seien daher von der Aktivmasse von S 516.013,60 vorweg in Abzug zu bringen, so daß ein Betrag von S 230.898,20 verbleibe, der für die übrigen Masseforderungen, nämlich die Kosten des Gläubigerschutzverbandes, die Betriebskosten und die von der beklagten Partei betriebene Forderung, zusammen S 288.025,54, zur Verfügung stehe. Bei der für diese Masseforderungen zur Verfügung stehenden Aktivmasse sei daher eine teilweise Unzulänglichkeit gegeben. Dieser Umstand rechtfertige die Klage nicht zur Gänze. Es habe vielmehr die Befriedigung nach § 47 Abs 2 KO verhältnismäßig zu erfolgen. Die von der beklagten Partei betriebene Forderung erreiche im Verhältnis zu den übrigen Masseforderungen der gleichen Gruppe einen Anteil von 67,8 %. In diesem Verhältnis stehe ihr auch die Befriedigung aus der vorhandenen Aktivmasse zu. Hinsichtlich eines sich danach ergebenden Betrages von S 156.548,97 stehe der von der beklagten Partei betriebenen Forderung kein Vollstreckungshindernis entgegen. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil hinsichtlich des Zeitpunktes, nach dem eine allfällige Unzulänglichkeit der Masse zu beurteilen sei, keine gesicherte Rechtsprechung bestehe.

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Frage, welcher Zeitpunkt bei einer Klageführung nach § 36 EO maßgebend ist, ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht erheblich iS des § 502 Abs 1 ZPO; denn die zweite Instanz ist ohnedies von einem Aktivstand der Masse in der Höhe von S 516.013,60 wie in der Revision ausgegangen.

Das Revisionsgericht pflichtet dem Kläger nicht darin bei, daß bestrittene Forderungen (hier: die Leasingentgelte) bei Beurteilung der Frage, ob die zur Verfügung stehende Aktivmasse (teilweise) unzulänglich ist, zu berücksichtigen seien:

Nach § 124 Abs 1 KO sind die Massegläubiger ohne Rücksicht auf den Stand des Verfahrens zu befriedigen, sobald ihre Ansprüche feststehen und fällig sind. Können die Masseforderungen nicht vollständig befriedigt werden, so haben nach § 47 Abs 2 KO bestimmte Forderungen den Vorzug vor den übrigen Masseforderungen; innerhalb gleicher Gruppen sind die Masseforderungen bei Hervorkommen der Unzulänglichkeit der Masse verhältnismäßig zu befriedigen. Es ist dabei herrschende Lehre - den gegenteiligen Ausführungen von Reckenzaun und Petsch in Ecolex 1991, 379, vermag der erkennende Senat nicht zu folgen - und Rechtsprechung, daß auch hier nur die bereits fälligen Forderungen zu berücksichtigen sind. Da in § 124 KO "Feststehen" und "Fälligkeit" der Ansprüche der Massegläubiger gleichgesetzt werden, ist weiters davon auszugehen, daß dies auch bei einem Vorgehen iS der Bestimmungen des § 47 Abs 2 KO zu geschehen hat. So sehen es wohl auch Petschek-Reimer-Schiemer,

Das österreichische Insolvenzrecht, 535, die von "gleichzeitig befriedigungsreifen" Masseforderungen sprechen, und Lehmann, Kommentar zur Konkursordnung, 390 ff, insbesondere 393 f (unter Hinweis auf Pollak, 282), der auch hier "Feststehen" und "Fälligkeit" fordert (wobei er allerdings auf die gegenteilige Meinung von Jäger zu § 60 der deutschen Konkursordnung hinweist). Für diese Ansicht sprechen auch die Ausführungen von Rintelen, Handbuch des österreichischen Konkurs- und Ausgleichsrechts, 329 f, daß Gläubiger mit Masseforderungen rasch befriedigt werden sollen, dabei aber nur auf die "zur Zeit aushaftenden" bzw. "zur Zeit anhängigen" Ansprüche Rücksicht zu nehmen sei.

Bei den vom Kläger als Masseverwalter bestrittenen Leasingentgelten handelt es sich um keine Ansprüche, die iS des § 124 Abs 1 KO "feststehen", und es ist auch offen, ob, wann und in welchem Umfang sie feststehen werden. Auf diese Forderung kann daher nicht Bedacht genommen werden. Das Berufungsgericht hat die Aufteilung sohin zutreffend iS der §§ 46, 47 KO vorgenommen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41 und 50 ZPO.

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