Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise stattgegeben.
Der angefochtene Beschluß wird derart abgeändert, daß der erstinstanzliche Beschluß, der in Ansehung der Herabsetzung der mit Beschluß vom 4. Juni 1991, ON 43, für die Zeit vom 1. Juli 1991 bis 30. Juni 1994 gemäß § 4 Z 3 UVG weitergewährten Unterhaltsvorschüsse auf einen monatlichen Betrag von 1.980 S in Rechtskraft erwachsen ist, im übrigen zu lauten hat:
Die mit Beschluß vom 4. Juni 1991, ON 43, für die Zeit bis 30. Juni 1994 gewährten Unterhaltsvorschüsse werden
a) für die Zeit vom 1. September 1991 bis 31. Dezember 1991 auf den Betrag von 1.000 S monatlich und
b) für die Zeit ab 1. Jänner 1992 auf den monatlichen Betrag von 1.230 S herabgesetzt.
Text
Begründung
Das nunmehr 16 Jahre alte Mädchen war am 26. Februar 1976 als eheliches Kind geboren worden. Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluß vom 5. März 1982 geschieden. Anläßlich der Scheidung vereinbarten die Eltern das alleinige Obsorgerecht der Mutter; der Vater verpflichtete sich vergleichsweise zu einem monatlichen Unterhalt für seine Tochter in der Höhe von 1.980 S. Das Pflegschaftsgericht genehmigte diesen Unterhaltsvergleich in Ansehung des Kindes.
Auf diesen vergleichsweise festgesetzten Unterhaltsanspruch wurden dem Kind mit Beschluß vom 30. Juli 1982 Vorschüsse im Sinne des § 3 Z 1 und § 4 Z 1 UVG gewährt. Anstatt dieser sogenannten Titel-Vorschüsse wurden dem Kind mit Beschluß vom 28. März 1983 Vorschüsse gemäß § 4 Z 3 UVG gewährt (ON 12) und wiederholt (ON 27, 39 und 43) weitergewährt, zuletzt bis 30. Juni 1994.
Der unterhaltspflichtige Vater verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Das vorschußbeziehende Kind steht seit 26. August 1991 als Bürokaufmannslehrling im ersten Lehrjahr und bezieht im Jahresdurchschnitt monatlich 4.000 S an Lehrlingsentschädigung.
Die dem Mädchen monatlich gewährten Vorschüsse betrugen im Jahr 1991 gemäß § 6 Abs 2 Z 3 UVG 2.985 S. Die entsprechende Richtsatzquote für das Jahr 1992 beträgt 3.234 S.
Das Pflegschaftsgericht hat die für die Zeit bis 30. Juni 1994 weitergewährten Vorschüsse gemäß § 20 Abs 1 Z 4 Buchstabe b UVG aus dem Grund des § 7 Abs 1 Z 2 UVG mit Ablauf des Monats August 1991 eingestellt. Dabei sah das Gericht den Versagungsgrund nach § 7 Abs 1 Z 2 UVG schon dann als gegeben an, wenn eigene Einkünfte des Kindes die Höhe der zu gewährenden Vorschüsse erreichten. Davon ging das Pflegschaftsgericht aus, weil die dem Kind vollauf für die Befriedigung seiner allgemeinen Lebensbedürfnisse verbleibende Lehrlingsentschädigung im durchschnittlichen Monatsnettobetrag von 4.000 S jedenfalls die Richtsatzquote des § 6 Abs 2 Z 3 UVG von 2.985 S für das Jahr 1991 übersteige.
Das durch den Jugendwohlfahrtsträger vertretene Kind strebte mit seinem gegen den Einstellungsbeschluß erhobenen Rekurs die Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse in Titelhöhe, also im Ausmaß von 1.980 S monatlich, an.
Das Rekursgericht bestätigte den erstinstanzlichen Einstellungsbeschluß. Dazu sprach es aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, daß im Fall der sogenannten Haftvorschüsse gemäß § 4 Z 3 UVG dem berechtigten Kind ohne jede Anknüpfung an eine bezifferbare monatliche Unterhaltsforderung Geldbeträge zur Befriedigung von Unterhaltsbedürfnissen gewährt werden, so daß die nach § 7 Abs 1 Z 2 UVG angeordnete Berücksichtigung eigener Einkünfte des Kindes keinesfalls mittelbar über deren Einfluß auf eine konkret bezifferbare Forderung gegen den Unterhaltsschuldner, sondern nur durch unmittelbare Gegenüberstellung des gesetzlich festgelegten Vorschußbetrages dergestalt denkbar sei, daß die Vorschüsse in dem Ausmaß zu versagen (und daher gemäß §§ 19, 20 UVG herabzusetzen oder einzustellen) seien, als das Kind eigene Einkünfte beziehe.
Das Kind erhebt gegen die bestätigende Rekursentscheidung Revisionsrekurs mit dem Abänderungsantrag auf Weitergewährung der Vorschüsse ab 1. September 1991 "zumindest in der seinerzeitigen Titelhöhe von S 1.980,- monatlich".
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zwar nicht wegen der vom Rekursgericht als widersprüchlich erachteten Gleichstellung zweier Einstellungstatbestände nach § 7 Abs 1 Z 2 UVG, aber wegen der erforderlichen Lösung der Rechtsfrage, in welchem Ausmaß eigene Einkünfte einen Versagungsgrund nach § 7 Abs 1 UVG bilden, im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG zulässig.
Das Rechtsmittel ist auch teilweise berechtigt.
Bezieht ein Kind eigene Einkünfte, die zur Befriedigung seiner konkreten Lebensbedürfnisse hinreichen, fehlt es - unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen - an einem durch Unterhaltsleistungen sicherzustellenden Bedarf. Gleiches gilt auch dann, wenn das Kind zwar tatsächlich keine eigenen Einkünfte bezieht, dazu aber unter Einsatz seiner Fähigkeiten und Kräfte in der Lage wäre und daher als selbsterhaltungsfähig anzusehen ist. Die Formulierung des § 7 Abs 1 Z 2 UVG entspricht jener des § 140 Abs 3 ABGB und enthält nicht zwei einander gegenüberzustellende Tatbestände, sondern lediglich eine zweifache Umschreibung des fehlenden Unterhaltsbedarfes.
Gerade diese gesetzlich normierte Gleichwertigkeit einer gänzlichen oder teilweisen Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes und seines Bezuges - mehr oder minder hoher - eigener Einkünfte gebietet es, (auch) im Falle der sogenannten Haftvorschüsse eigene Einkünfte des Kindes der Gesamtheit seiner Lebensbedürfnisse gegenüberzustellen, also nicht bloß den durch Zahlungen nach dem UVG zu bevorschussenden Geldleistungen des nicht obsorgenden Elternteils, sondern in gleicher Weise auch dem Wert der Betreuungsleistungen des obsorgenden Elternteiles. Selbsterhaltungsfähig ist nämlich ein Kind erst dann, wenn es sämtliche Unterhaltsbedürfnisse aus eigenem befriedigen kann.
Mangels - hier nicht behaupteter und auch nicht zu vermutender - besonderer Umstände kann von einer Gleichwertigkeit der (hypothetischen) Geldleistungen und der Betreuungsleistungen ausgegangen werden.
Die dem Kind zur Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse zur Verfügung stehenden monatlichen Beträge von rund 4.000 S wären aus diesen Erwägungen nur zur Hälfte einem Geldunterhaltsanspruch des Kindes gegen seinen Vater gegenüberzustellen.
Gleiches muß für die sogenannten Haftvorschüsse gemäß § 4 Z 3 UVG gelten, die - wenn sie schon nicht als verkleidete reine Sozialhilfeleistungen aufgefaßt werden sollen - ihrer Grundkonzeption nach als Haftung des Rechtsträgers für die Verpflichtungen des Unterhaltsschuldners angesehen werden müssen, weil dieser durch die Zwangsmaßnahme des Freiheitsentzuges dem Unterhaltsschuldner die Möglichkeit raubt, einem Erwerb und damit seinen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen (zu vergleichen ist in diesem Zusammenhang die unter völlig anderen Voraussetzungen normierte Haftung nach § 4 USchG).
Das Rekursgericht hat zwar zutreffend erkannt, daß die Berücksichtigung eigener Einkünfte des Kindes wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen und insbesondere der unterschiedlichen Bemessung eines gemäß § 4 Z 3 UVG gebührenden Vorschusses einerseits und der sogenannten Titelvorschüsse andererseits die Regelungen des § 7 Abs 1 Z 1 und 2 UVG auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Das Rekursgericht hat aber unbeachtet gelassen, daß eigene Einkünfte des Kindes eine Versagung der Vorschüsse - und damit ihre Herabsetzung oder gänzliche Einstellung - nur "soweit" rechtfertigen, als sie nicht Betreuungsleistungen im Rahmen der Unterhaltspflicht durch den obsorgenden Elternteil gegenüberzustellen sind.
Dies hat der Oberste Gerichtshof bereits in seiner bisher nicht veröffentlichten Entscheidung vom 28. November 1991, 8 Ob 623/91, ausdrücklich ausgesprochen.
Der erkennende Senat schließt sich aus den dargelegten Erwägungen dieser Rechtsansicht voll an.
Für die Monate September bis Dezember 1991 waren die gemäß § 4 Z 3 UVG gewährten monatlichen Vorschüsse demgemäß von 2.985 S nur auf 1.000 S und für die Zeit ab 1. Jänner 1992 von 3.234 S auf 1.230 S monatlich herabzusetzen und nicht gänzlich einzustellen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)