OGH 3Ob505/92

OGH3Ob505/9211.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Rudolf K*****, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger Magistrat der Landeshauptstadt St.Pölten als Sachwalter für die Durchsetzung der Unterhaltsansprüche, infolge Revisionsrekurses des Kindes gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgericht vom 13. November 1991, GZ R 687/91-126, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 10.Oktober 1991, GZ 1 P 7/80-123, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der 17 Jahre alte Rudolf K***** ist seit dem 1.September 1990 Schlosserlehrling. Im ersten Lehrjahr kam ihm an Lehrlingsentschädigung einschließlich der Sonderzahlungen im Monatsdurchschnitt ein Betrag von rund S 4.500 zu, im zweiten Lehrjahr rund S 5.500. Er wird in dem von seiner Mutter geführten Haushalt in St.Pölten betreut.

Sein Vater war zuletzt zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von S 2.000 verpflichtet. Dieser Bemessung lag ein Durchschnittseinkommen von S 10.800 zugrunde. Weitere Sorgepflichten bestanden damals nicht. Der Sohn besuchte die Schule und hatte kein Einkommen (Beschluß des Rekursgerichtes vom 17. September 1986, GZ R 490/86-60).

Der Vater beantragte, seine Unterhaltsverpflichtung ab dem 1.Mai 1991 auf S 500 herabzusetzen, weil er arbeitslos sei, für die Ehefrau und zwei Kleinkinder sorgen müsse und der Sohn eigenes Einkommen beziehe.

Der durch den Sachwalter vertretene Sohn stimmte nur einer Herabsetzung auf monatlich S 1.400 ab dem 1.September 1991 zu.

Das Erstgericht setzte die vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeträge für die Monate Mai 1991 bis Juni 1991 auf S 1.400, für die Monate Juli und August 1991 auf S 1.850 und ab dem 1.September 1991 auf S 950 herab.

Das Erstgericht ging davon aus, daß der Vater noch für seine 1988 und 1991 geborenen Kinder aus der zweiten Ehe und für seine Ehefrau sorgen müsse, die nur das Karenzurlaubsgeld beziehe, und daß er in der Zeit der Arbeitslosigkeit vom 1.April 1991 bis 16. Juni 1991 an Arbeitslosengeld im Monatsdurchschnitt etwa S 7.100 und seit dem 17.Juni 1991 einschließlich der Sonderzahlungsanteile rund S 15.000 netto verdiene.

Das Erstgericht nahm an, daß der Vater mit zwei Drittel und die Mutter fiktiv mit einem Drittel (durch Haushaltsführung erbrachte Leistung) zum Unterhalt des Sohnes beizutragen hätten, der einer Ergänzung des Eigeneinkommens auf einen mit S 7.000 anzunehmenden Monatsbetrag bedürfe, was dem Ausgleichszulagenrichtsatz entspreche.

Das Rekursgericht gab dem allein vom Sohn erhobenen Rekurs nicht Folge. Dieser hatte den erstgerichtlichen Beschluß nur insoweit bekämpft, als für die Monate Juli und August 1991 überhaupt und für die Zeit ab September 1991 eine S 1.400 unterschreitende Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung erfolgte.

Das Rekursgericht meinte, die Lehrlingsentschädigung sei als eigenes Einkommen des Sohnes anzusehen. Selbsterhaltungsfähigkeit sei solange nicht gegeben, als dieses Einkommen bei den bescheidenen Lebensverhältnissen der Eltern nicht zumindest den Richtsatz für die Gewährung der Ausgleichszulage (§ 293 Abs 1 lit a/bb und lit b ASVG) erreiche. Das eigene Einkommen müsse beiden unterhaltspflichtigen Elternteilen zugute kommen. Daher sei auch der als Unterhaltsleistung zu wertende Betreuungsaufwand zumindest mit einem Drittel anzusetzen, so daß die Herabsetzung des vom Vater zu leistenden Geldunterhaltes allen Bemessungskriterien entspreche.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil durch die bisher bekannte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht geklärt sei, ob und inwieweit Berufsausbildungskosten zu berücksichtigen seien und unter welchen Voraussetzungen "einfachste Lebensverhältnisse" anzunehmen seien, bei denen der Ausgleichszulagenrichtsatz eine Richtschnur für die Beurtelung der vollen Selbsterhaltungsfähigkeit biete.

Der Unterhaltsberechtigte bekämpft den bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes mit dem ordentlichen Revisionsrekurs. Er strebt weiter die Abweisung des Unterhaltsherabsetzungsantrages seines Vaters für die Monate Juli und August 1991 und die Abänderung in eine Herabsetzung auf nur S 1.400 ab dem 1.September 1991 an und meint, der Vater hätte die rechnerische Differenz zwischen dem um die Berufsausbildungskosten verminderten eigenen Bezug an Lehrlingsentschädigung und dem Ausgleichszulagenrichtsatz zu leisten.

Der Revisionsrekurs ist aus den folgenden Erwägungen nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Auch in Fragen der Bemessung des gesetzlichen Unterhalts ist gegen den Beschluß des Rekursgerichtes der Revisionsrekurs nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, wobei nach der Übergangsregelung des Art XLI Z 9 WGN 1989 derzeit nicht ins Gewicht fällt, daß eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt, wohl aber, ob das Gericht zweiter Instanz von einer nicht mehr als drei Jahre zurückliegenden Rechtsprechung eines Gerichtes zweiter Instanz abweicht, die veröffentlicht oder vom Gericht zweiter Instanz oder vom Rechtsmittelwerber angeführt worden ist.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt entschieden, daß die einem Lehrling zu leistende Entschädigung ein Einkommen des Kindes darstellt, das seinen Anspruch auf Unterhalt iSd § 140 Abs 3 ABGB mindert (Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 11a zu § 140; ÖA 1991, 16; ÖA 1991, 53 ua). Ob dabei die Berufsausbildungskosten wie etwa auch der mit dem Besuch der Berufsschule verbundene Aufwand gleich von der Lehrlingsentschädigung abgezogen und nur der Restbetrag den Einkünften zugerechnet wird, oder ob solche Kosten von der Bedarfsseite her (§ 140 Abs 1 ABGB) zu einer Anhebung des Unterhaltsanspruches führen, macht im Ergebnis der Unterhaltsbemessung keinen Unterschied. Wenn bei einfachsten Lebensverhältnissen die Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes einen Anhaltspunkt für die Annahme der Selbsterhaltungsfähigkeit gibt, bedeutet dies, daß bei entsprechenden eignen Einkünften des Kindes dessen Anspruch auf Unterhalt gegen beide Elternteile erlischt. Schon daraus ergibt sich, daß die eigenen Einkünfte zu einer anteiligen Minderung des Unterhaltsanspruches gegen Vater und Mutter führen, solange die Selbsterhaltungsfähigkeit nicht voll gegeben ist, daß also nicht allein der den Geldunterhalt leistende Teil die Mittel zur Verfügung zu stellen hat, die zur Deckung aller angemessenen Bedürfnisse des Kindes nötig sind, sondern daß auch der andere Teil seine restliche Unterhaltsleistung durch Betreuung aufzubringen hat.

Es besteht schon eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Berücksichtigung berufsbedingten Mehraufwandes (ÖA 1991, 77 ua), aber ebenso zu der im Revisionsrekurs aufgeworfenen Frage der anteiligen Minderung der Unterhaltsverpflichtung beider Elternteile (ÖA 1991, 77, wo es nur deshalb zur Weiterverpflichtung des Vaters zur Leistung von S 700 monatlich bei Einkünften des Kindes an Lehrlingsentschädigung von rund S 6.000 kam, weil der Vater ein über dem Durchschnitt liegendes Einkommen von rund S 32.000 bezog). Ein konkretes Berechnungssystem für die Unterhaltsbemessung kennt das Gesetz, das nur auf die Verknüpfung der Bedürfnisse des Kindes mit den Lebensverhältnissen der Eltern und deren Verpflichtung abstellt, zum Unterhalt des Kindes nach ihren Kräften anteilig beizutragen, nicht (RZ 1991/26; RZ 1991/50 ua).

Der Vater hat noch für zwei weitere Kinder zu sorgen und zum Unterhalt seiner Ehefrau beizutragen. Unter diesen Umständen ist sein für die Bemessung maßgebendes Einkommen im Sommer 1991 bescheiden. Wenn die Vorinstanzen meinten, er habe für den Unterhalt des Sohnes im ersten Lehrjahr zu dem Eigeneinkommen von S 4.500 noch S 1.850 beizutragen (womit dem Kind neben der Naturalunterhaltsleistung der Mutter ein Betrag von rund S 6.350 zur Deckung der Lebensbedürfnisse zur Verfügung steht), und im zweiten Lehrjahr zu den eigenen Einkünften von rund S 5.500 noch S 950 Unterhalt zu leisten (woraus sich ein Geldunterhalt von S 6.450 ergibt, zu dem noch der Unterhalt hinzutritt, den die Mutter durch die Haushaltsführung leistet), so wird der Ermessensspielraum, der sich bei jeder nach den Umständen des Einzelfalles vorzunehmenden Bemessung des gesetzlichen Unterhalts anbietet, nicht überschritten. Es erfordern daher die im § 14 Abs 1 AußStrG dargelegten Ziele der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofes, der sich darauf zu beschränken hat, die allgemein gültigen Grundsätze für die Unterhaltsbemessung darzustellen.

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