OGH 10ObS48/92

OGH10ObS48/9210.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Jeitschko (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Pulkrab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Elfriede T*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr.Peter Wrabetz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Höhe der Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. September 1991, GZ 32 Rs 24/91-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18.Juli 1990, GZ 14 Cgs 233/89-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 14.11.1989 wurde die aufgrund eines gerichtlichen Urteils vom 9.8.1989 der Klägerin gebührende Invaliditätspension ab 1.11.1987 mit S 896,90, ab 1.7.1988 mit S 917,50 und ab 1.1.1989 mit S 936,80 monatlich festgestellt.

Gegen diesen Bescheid brachte die Klägerin eine selbst verfaßte Klage ein, der zu entnehmen ist, daß sie die Zahlung einer höheren Invaliditätspension begehrt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage. Die Bemessungsgrundlage gemäß § 238 ASVG betrage 1.892 S. Der Hundertsatz für 264 Versicherungsmonate betrage 41,8, der Steigerungsbetrag daher S 790,90. Der Hundertsatz für den Kinderzuschlag betrage nach Berücksichtigung des Grenzsatzes 5,6, der Kinderzuschlag daher S 106 monatlich. Auf diese Weise errechnet sich die Pension ab 1.11.1987 mit monatlich 896,90 S. Zur niedrigen Pensionshöhe sei zu bemerken, daß die Klägerin in den letzten Jahren als Hauswartin beschäftigt gewesen sei und eine niedrige Beitragsgrundlage aufweise.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß die Klägerin zu einem Zeitpunkt, als sie in Österreich ihren Wohnsitz hatte, zwei Kinder lebend gebar und in der österreichischen Sozialversicherung vom März 1948 bis Oktober 1987 insgesamt 264 Versicherungsmonate und 91 neutrale Monate erwarb.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß in der zum Stichtag 1.11.1987 anzuwendenden Fassung des § 261 ASVG die Invaliditätspension aus dem Steigerungsbetrag und dem Kinderzuschlag bestehe. Der Kinderzuschlag betrage nach Berücksichtigung des Grenzsatzes S 106. Der Steigerungsbetrag mache nach § 261 ASVG für je 12 Versicherungsmonate bis zum 360. Monat 1,9 aus. Die Bemessungsgrundlage betrage 1.892 S, der Hundertsatz für 264 Versicherungsmonate 41,8, der Steigerungsbetrag daher 790,90 S. So errechne sich die Pension ab 1.11.1987 mit monatlich 896,90 S.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, daß es - wegen des Unwirksamwerdends des Bescheides durch die Klage - die durch ihn zuerkannte Leistung in den Spruch des Urteils aufnahm. Es sei im Sinne der Verweise in der Klagebeantwortung nachvollziehbar und rechnerisch überprüfbar, wie die Bemessungsgrundlage errechnet worden sei. Der Anstaltsakt enthalte ausgehend vom verdichteten Versicherungsverlauf mit der Anzahl der Beitrags- und Ersatzmonate die auf Basis der gesetzlichen Aufwertungsfaktoren ermittelten Jahresbeiträge von 1972 bis 1981 und den Beitrag für einen Monat 1982. Die Feststellung der Bemessungsgrundlage im Anstaltsakt sei gesetzmäßig nach Maßgabe des § 238 ASVG erfolgt. Die Bemessung nach § 239 ASVG wäre für die Klägerin nicht günstiger gewesen. Das Berufungsgericht übernehme die erstgerichtlichen Feststellungen und komme unter Einschluß der im Anstaltsakt ersichtlichen Rechenoperationen zum Ergebnis, daß bei der Ermittlung der Invaliditätspensionshöhe kein rechnerischer Fehler und auch sonst keine unrichtige rechtliche Beurteilung zum Nachteil der Klägerin unterlaufen sei.

Die Revision der Klägerin ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin macht in ihrem Rechtsmittel geltend, die von den Tatsacheninstanzen aufgestellten Berechnungen zur Erfassung der Beitragsgrundlage seien nicht nachvollziehbar und daher unvollständig; eine konkrete ziffernmäßige Berechnung fehle. Die pauschale Verweisung auf den Pensionsakt sei unzureichend, da aus den Entscheidungsgründen nicht ersichtlich sei, daß das Ergebnis dieser Berechnungen eine eigene Entscheidung des Gerichtes darstelle. Gleiches gelte für die Bemessungsgrundlage.

Diese Revisionsausführungen sind insoweit berechtigt, als sie der rechtlichen Beurteilung zuzuordnende Feststellungsmängel geltend machen.

Aus der von der unvertretenen Klägerin selbst verfaßten Klage geht gerade noch mit hinreichender Deutlichkeit hervor, daß sie sich gegen die Höhe der ab 1.11.1987 zuerkannten Invaliditätspension richtet. Aufgabe des Erstgerichtes wäre es gewesen, durch entsprechende Anleitung der Klägerin darauf hinzuwirken, daß sie ihre Einwendungen gegen die Höhe der Pensionsberechnung konkretisiert. Dies ergibt sich insbesondere aus § 39 Abs 2 Z 1 ASGG, wonach der Vorsitzende unvertretene Parteien über die bei derartigen Sozialrechtssachen in Betracht kommenden besonderen Vorbringen und Beweisanbietungen zu belehren hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienen können und sie zur Vornahme der sich anzubietenden derartigen Prozeßhandlungen anzuleiten hat.

Im konkreten Fall unterblieb eine Erörterung der mit der Pensionshöhe zusammenhängenden Fragen offenbar deshalb, weil die Klägerin zur Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vor dem Erstgericht am 18.7.1990 nicht erschien. In einem Schreiben vom 3.4.1990 hatte sie darauf hingewiesen, daß sie aus Geldmangel nicht persönlich von Ljubljana anreisen könne und in Wien auch keine Übernachtungsmöglichkeit besitze. Ob die Vorgangsweise des Erstgerichtes, die Verhandlung ohne vorherige Erörterung der Sach- und Rechtsfragen mit der Klägerin zu schließen, einen Verfahrensmangel darstellt, ist hier nicht zu erörtern, weil ein Feststellungsmangel gegeben ist. Das Erstgericht hat seinen Feststellungen lediglich die von der beklagten Partei aufgestellten Berechnungen zugrundegelegt, wobei es von einer Bemessungsgrundlage von 1.892 S ausging. Die Höhe der Bemessungsgrundlage ist allerdings keine Tatsachenfeststellung, sondern rechtliche Beurteilung, die ihrerseits auf festzustellenden Beitragsgrundlagen beruhen muß. Das Fehlen jeglicher Feststellungen über die hier nach § 238 ASVG maßgeblichen Beitragsgrundlagen wurde aber bereits in der Berufung mit Recht gerügt; dieser Feststellungsmangel wird in der Revision neuerlich geltend gemacht und zwingt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Da es offenbar einer Verhandlung erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, war auch das Urteil des Erstgerichtes aufzuheben und die Sozialrechtssachen an dieses zurückzuverweisen.

Bei der neuerlichen Verhandlung und Entscheidung wird die Bestimmung des § 74 Abs 1 ASGG zu berücksichtigen sein: Ist demnach die maßgebende Beitragsgrundlage als Vorfrage strittig, so ist das Verfahren zu unterbrechen, bis über diese Vorfrage als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig entschieden worden ist, dies einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofsverfahrens. Ob die nach dem Inhalt des Pensionsaktes überaus niedrigen Beitragsgrundlagen im vorliegenden Fall strittig sind, kann derzeit nicht mit Sicherheit gesagt werden. Steht allerdings die maßgebliche Beitragsgrundlage fest und ist nur strittig, wie sich daraus die Bemessungsgrundlage errechnet, liegt kein Fall des § 74 Abs 1 ASGG vor (vgl SSV-NF 3/143 = SZ 62/194).

Es war daher spruchgemäß zu beschließen.

Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, da die Klägerin im Rechtsmittelverfahren keine Kosten verzeichnet hat.

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