OGH 14Os61/91

OGH14Os61/9110.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.März 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sonntag als Schriftführer, in der Strafsache gegen Friedrich Wilhelm W***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und des Finanzamtes Salzburg-Stadt als Finanzstrafbehörde I. Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 6.März 1991, GZ 35 Vr 1.303/90-15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, des Vertreters des Finanzamtes Salzburg-Stadt, Dr. Schmidt, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Hinterwirth zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Friedrich Wilhelm W***** von der gegen ihn wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Die Anklage wirft ihm vor, er habe in Salzburg als verantwortlicher Geschäftsführer der W***** Wohnbau GmbH und der W***** GmbH & Co KG vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht Abgabenverkürzungen in der Höhe von insgesamt 2,651.465 S wie folgt bewirkt:

1. durch die Abgabe unrichtiger Umsatzsteuererklärungen für die W***** GmbH & Co KG betreffend das Jahr 1981 an Umsatzsteuer in der Höhe von 565.474 S sowie durch die Abgabe unrichtiger Gewerbe- und Körperschaftssteuererklärungen für die W***** Wohnbau GmbH betreffend das Jahr 1981 an Gewerbesteuer in der Höhe von 312.130 S und an Körperschaftssteuer in der Höhe von

561.111 S;

2. durch die Nichtabgabe der Kapitalertragsteuererklärung für die W***** Wohnbau GmbH betreffend das Jahr 1981 an Kapitalertragsteuer in der Höhe von 1,212.750 S.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Angeklagte war im Deliktszeitraum Geschäftsführer der - ihm und seiner Gattin als Gesellschafter gehörenden - W***** Wohnbau GmbH, die den Handel mit Wohnobjekten besorgte, welche von der formell eigenständigen W***** GmbH & Co KG errichtet wurden. Komplementär der Kommanditgesellschaft war die wiederum vom Angeklagten als alleinigem Geschäftsführer geführte W***** GmbH, alleiniger Kommanditist war ebenfalls der Angeklagte.

Im Jahresabschluß der W***** GmbH & Co KG für das Geschäftsjahr 1981 war in bezug auf das fertiggestellte Bauobjekt Schwanthalerstraße unter Ersichtlichmachung einer "Stornierung" von Teilrechnungen ein Erlös von 10,550.000 S ausgewiesen; ein Betrag von 5,400.000 S war als Einlage des Angeklagten mit dem Vermerk verbucht, daß dieser Betrag von dem von der W***** Wohnbau GmbH im Jahr 1981 gewährten Geschäftsführergehalt stammte (S 6, 7, 11 der Anlage 1 des Jahresabschlusses). Analog zu diesen Angaben waren im Jahresabschluß 1981 der W***** Wohnbau GmbH ein auf die Stornierung von Teilrechnungen betreffend die Wohnanlage Schwanthalerstraße zurückzuführender außerordentlicher Ertrag von 7,051.000 S sowie die Kosten von 5,4 Millionen S als Geschäftsführergehalt des Angeklagten ausgewiesen (S 6 der Anlage 1 des Jahresabschlusses). Die Höhe des Gehaltes beruhte nach einem im Jahresabschluß enthaltenen Hinweis "auf einer Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern"; die Reduzierung der das genannte Bauobjekt betreffenden Forderungen auf die bilanzierten 10,550.000 S erfolgte aus im wirtschaftlichen Interesse beider beteiligten Unternehmen liegenden, in einem firmeninternen Aktenvermerk (AS 11 f) festgehaltenen Erwägungen.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt Salzburg-Stadt fand in Ansehung des Geschäftsführergehaltes lediglich ein Betrag von 50.000 S monatlich Anerkennung, der Differenzbetrag wurde als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet. In Ansehung der aus dem Bauobjekt Schwanthalerstraße erwachsenen Forderungen wurde unter Berücksichtigung des ermittelten Marktwertes der erbrachten Leistungen ein Betrag von über 3,7 Millionen S dem ausgewiesenen Erlös der Kommanditgesellschaft hinzugerechnet. Davon ausgehend ergaben sich im Hinblick auf die den vorgelegten Bilanzen entsprechenden unrichtigen Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftssteuererklärungen für 1981 bzw. die unterlassene Kapitalertragsteuererklärung 1981 und die darauf basierenden Erstbescheide die dem Anklagevorwurf zugrundeliegenden, durch

rechtskräftige - nachträgliche - Abgabenbescheide (siehe ON 3) festgesetzten Abgabenverkürzungen.

Dessen ungeachtet falle dem Angeklagten nach Auffassung des Erstgerichtes eine Verletzung seiner Offenlegungs- und Wahrheitspflicht im Sinn des § 33 Abs. 1 FinStrG nicht zur Last, weil er die für das Abgabenverfahren bedeutsamen Umstände ohnedies hinreichend offengelegt habe und der Abgabenbehörde damit die Möglichkeit einer gezielten Ermittlungstätigkeit geboten worden sei (siehe auch die Hinweise auf S 5 bzw. 6 der jeweiligen Anlage 1). Der Umstand, daß den in Rede stehenden Transaktionen letztlich die finanzbehördliche Anerkennung versagt blieb, sei in strafrechtlicher Sicht bedeutungslos.

Gegen diesen Rechtsstandpunkt führen Anklagebehörde und Finanzamt in getrennt ausgeführten, auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden ins Treffen, daß die inkriminierten buchmäßigen Vorgänge den tatsächlichen Gegebenheiten augenscheinlich nicht entsprochen haben, da bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise weder ein Anlaß zur fraglichen Stornierung von Teilrechnungen noch ein Anspruch auf ein Geschäftsführergehalt von mehr als 5 Millionen S bestanden habe. Die abgabenrechtliche Pflicht zu wahrheitsgemäßer Offenlegung sei demnach nicht erfüllt worden.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerden sind im Recht.

Das Erstgericht übersieht, daß ein Abgabepflichtiger gemäß § 119 Abs. 1 BAO nicht nur gehalten ist, die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen, sondern daß diese Offenlegung auch vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen muß. Es genügt daher nicht, daß die erklärten steuerlich relevanten Vorgänge buchmäßig erfaßt und belegt sind, der Finanzbehörde die Einsichtnahme in die entsprechenden Unterlagen angeboten und ihr solcherart die Möglichkeit eröffnet wird, die Richtigkeit der Steuererklärungen in tatsächlicher Hinsicht im Zuge eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens zu überprüfen. Vielmehr wird der abgabenrechtlichen Wahrheitspflicht in solchen Fällen nur dann Genüge getan, wenn die buchmäßig belegten Vorgänge, auf die sich der Abgabepflichtige in seiner Steuererklärung beruft, auch tatsächlich der Wirklichkeit entsprechen (zu Inhalt und Tragweite der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht siehe Sommergruber-Reger Finanzstrafgesetz mit Kommentar (1990) S 229 ff). Zwar steht es - wie das Erstgericht an sich zutreffend ausführt - dem Abgabepflichtigen, ohne daß strafrechtliche Folge eintreten, frei, in bezug auf die steuerliche Relevanz bestimmter tatsächlicher Vorgänge seine Rechtsansicht in den Abgabenerklärungen zu vertreten, nur muß er den Sachverhalt als solchen wahrheitsgemäß offenlegen (aaO S 231). Der Auffassung des Schöffensenates zuwider wurde aber im vorliegenden Fall den steuerlich geltend gemachten Umständen vom Finanzamt nicht etwa deshalb die Berechtigung aberkannt, weil es eine andere Rechtsansicht als der Angeklagte vertrat, sondern weil es die behaupteten Vorgänge in tatsächlicher Hinsicht als wahrheitswidrig ansah.

Ob der eines Finanzvergehens Angeklagte seiner abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht in diesem Sinne nachgekommen ist, hat das Gericht im Finanzstrafverfahren eigenständig zu prüfen (NRsp 1991/259 = OGH 21.11.1991, 14 Os 127/90 (verst. Senat)). Das Erstgericht hätte daher Feststellungen darüber treffen müssen, ob die vom Angeklagten behauptete Stornierung von Teilrechnungen im Betrag von mehr als 7 Millionen S tatsächlich erfolgt und ein Geschäftsführergehalt von 5,4 Millionen S tatsächlich gewährt worden ist, oder ob es sich hiebei nur um nachträgliche, rein buchhalterische Konstruktionen gehandelt hat, die so nicht wirklich stattgefunden haben. Dahingehende Untersuchungen waren jedenfalls auf Grund der finanzbehördlichen Erhebungen indiziert.

Das Erstgericht hat derartige Feststellungen aus einem Rechtsirrtum über Inhalt und Tragweite der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht unterlassen (Nichtigkeit aus dem Grunde des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO).

Demgemäß war in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und des Finanzamtes ein zweiter Rechtsgang anzuordnen (§ 288 Abs. 2 Z 3 StPO).

Falls das Erstgericht im neuen Rechtsgang zur Annahme einer Verletzung der Wahrheitspflicht kommen sollte, wären auch Feststellungen zur subjektiven Tatseite erforderlich.

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